150. Die Gewölber müssen eine starke Widerlage haben, das ist, auf starken Mauren oder Pfeilern ruhen.
Die Steine, daraus die Gewölber zusammengesetzet werden, sind unten schmal, oben breit wie die Keile: oder man kan sie zum wenigsten ansehen, als wenn sie aus keilförmigen Steinen bestünden. Da sie nun vermöge ihrer Schwere nach Perpendicularlinien gegen den Horizont zu niederdrucken, und doch nicht durchfallen können, treiben sie nicht anders als Keile nach der Seite. Derowegen müssen die Mauren oder Pfeiler, darauf sie ruhen, ihnen genug Widerstand thun können, und folgends stark oder dicke seyn.
151. Man hat aus der Erfahrung angemerket, daß die Gewölber um so viel gewaltiger treiben, je gedruckter der Bogen ist, und folgends auch eine um so viel stärkere Widerlage erfordern. Insgemein schreibet man, sie zu finden, folgende Regel vor.
1. Theilet den Bogen ACDB in drey gleiche Theile.
2. Verlängert die Sehne des dritten Theils DB bis in E, und machet BE derselben gleich.
3. Richtet auf AB ein Perpendicul BG auf, und
4. lasset von E auf BG ein Perpendicul EF fallen.
So ist EF die Dicke der Widerlage, oder die Dicke der Mauer, darauf der gewölbete Bogen ruhen soll.
Ihr könnet aber die Grösse der Linie EF auf dem verjüngten Maaßstabe finden, wenn ihr die Linie AB von demselben aufgetragen, und den Radium des Bogens ACDB von ihm abgenommen.
Christian Wolff: Auszug aus den Anfangs-Gründen aller Mathematischen Wissenschaften. Rengerische Buchhandlung, Halle 1772, Seite 688. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anfangsgr%C3%BCnde_der_Mathematik_III_688.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)