Schmerz in seinen Augen empfindet; so habe ich auch in den deutschen Anfangs-Gründen die völlige Schärfe weder Erklären, noch im Beweisen in Acht genommen, hingegen diesen Mangel, den Anfänger und in gründlicher Erkenntniß ungeübte für eine Vollkommenheit ansehen, in dem Lateinischen Werke, sonderlich den beiden Grund-Säulen der mathematischen Wissenschaften, der Arithmetick und Geometrie, ersetzet, da ich so wohl im Erklären, als im Beweisen so weit gegangen, als immer jemand fordern kan. Nemlich die Natur thut weder in der Seele, noch in dem Cörper einen Sprung; sondern alle Veränderungen geschehen nach und nach. Derowegen wenn der Verstand des Menschen geändert werden soll, kan er nicht auf einmal zu dem höchsten Grade der Vollkommenheit gebracht werden; vielmehr muß der Anfang zur Vollkommenheit unter vielen rückständigen Unvollkommenheiten gemacht werden. Unterdessen aber muß doch der Anfang auch ein Anfang seyn, und nicht allein einer heissen, das ist, auch bey der ersten Erlernung der Mathematick muß einige Veränderung im Verstande vorgehen, und dadurch einige Fertigkeit erreicht werden, zu welcher man nicht würde kommen seyn, wenn man an deren statt etwas anderes getrieben hätte. Demnach
Christian von Wolff: Auszug aus den Anfangs-Gründen aller Mathematischen Wissenschaften. Halle: Rengerische Buchhandlung, 1772, Seite XI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Anfangsgr%C3%BCnde_der_Mathematik_I_p_011.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)