Zum andern ist das Schöpffen-Gericht / welches die Erörterung der peinlichen / und Burgerlichen Sachen hat. Zum dritten seynd die einhunderte / als der grosse Rath. Hergegen gibt die Stadt dem König Schatzung; und bekompt er jetzt den halben Theil / auß der Pfund oder Zoll Cammer / von den Zöllen / und was denen anhängig ist. Es läst auch ein Rath zu / daß in andern / so die Meersachen nicht angehen / (dann in solchen / wie auch in Criminal- und Injuri-Händeln / von dem Rath alhie nicht appellirt werden mag:) / man sich an den König wann die streitige Summa sich über 500. fl. erstrecket / beruffen mag. Sonsten aber läst die Stadt ihr / über die Schuldigkeit / und wider die habende Freyheiten / nichts auffbinden / inmassen Anno 1637. zusehen war / als der König Uladislaus IV. denen Schiffen / so nach Dantzig segelten / einen neuen Zoll aufflegen wolte. So hat diese Stadt über ihre Städtlein / Flecken und Dörffer / alle hohe / und nidere Obrigkeit / mag selbsten Gesätz machen; die Burger / und Unterthanen / mit Steuer / und Anlagen / belegen / Paßgelt nehmen / Engelländer / Italiäner / und andere Frembde zu Burgern auffnehmen / bey den Landtägen erscheinen / güldene / und silberne Müntz schlagen / und ihre Gesandten schicken / wohin sie will: hat auch ihre freye Religions-Übung / deren dreyerley alda offentlich getrieben werden / als die Lutherische / Papistische / Calvinische. Daher dann auch dieser Ursach / und deß Gewerbs halber / sich so viel Leuthe hieher begeben. Und seynd die Inwohner gemeinlich freundlich / gastfrey / und sonderliche Liebhaber der Gelehrten; beneben aber haben sie auch gern / daß man sie ehret; also / daß einer alhie nicht wol fortkommen soll / wann er nicht einen jeden Schiffmann / oder Schweffelhöltzlein-Krämer / einen Juncker nennet; wie Joh. Balthasar Schuppius, in dissertat. de Opinione, p. 25. berichtet; und vielgedachter D. Frölich lib. 3. part. 1. Viatorii, p. 356. schreibet / daß sich die fürnehme Jungfrauen alda schämen / wann sie einer Braut / bey dem Kirchgang / vortretten sollen; und werden deßwegen etliche Arme / umb einen gantzen / oder halben Groschen / bestelt / die der andern Stell vertretten; und daß daher jene die Pölchen-Jungfrauen genennet werden. Ins gemein sagt man / daß in dieser Stadt eine grosse Hoffart von Manns- und Weibs-Personen / getrieben werde. Zum Wappen führet sie einen schwartzen gekrönten Adler / so ein blosses Schwerdt in der Handt hält / in gelbem Felde.
Es haben sich an diesem grossen / volckreichen / und vornehmen Handels-Orth / viel denckwürdige Sachen zugetragen / die aber alhie / wegen ihrer Weitläufftigkeit / nicht zu erzehlen / der solche zuwissen begehrt / mag dieselbe in deß Caspar Schützen / dieser Stadt gewesten Secretarii, Preussischen Chronick / und deß vielerwehnten Caspar Hennenbergers Erklärung der Grössern Preussischen Land-Tafel / auffsuchen. Wird auch nicht gezweifelt / es werde seithero einer / oder der ander / sich gefunden haben / der von dieser Stadt Glück / und Unglück / ein mehrers / biß auff diese Zeit / auffgezeichnet hat / wiewol in dieser unser Lands-Art solche Schrifften / so viel wissend nicht bekandt seynd / ausser / daß Micraelius deß Wails. Preussische Chronic anziehet; davon aber anders kein Bericht da ist. Damit wir aber gleichwol etwas / über die oberzehlte Geschichten / von dieser Stadt / vernehmen; so schreibet Martinus Cromerus lib. 20. Rerum Polon. fol. 448. daß / als umbs Jahr 1432. die Polen mit ihrem Lager hieher kommen / die Reiter / da sie zum Meer / oder der Oost-See / gelangt / sich belustiget / einander Glück gewünschet / und zimlich weit in das Meer-wasser hinein geruten / weiln sie das Meer mit feindlichen Waffen erreichet: Und sagt man / daß damaln die Böhmen das Meer-wasser geschöpfft / und in Lägeln mit sich nach Hauß genommen hätten. Ferners wird von anderen berichtet / daß Anno 1456. der gemeine Mann / in einer Auffruhr / die alte Obrigkeit alhie ab- und ein neue eingesetzt habe. Anno 1525. seye ein grosser Anlauff in der Stadt / wegen / der Religion entstanden dieweil der Rath das Lutherische Religions-Exercitium nicht zu geben wollen: daher er ab- und ein Neuer Rath eingesetzt / auch darauff aus allen Kirchen und Clöstern / die Meßgewändter / und aller Kirchen-Ornat / von Gold / Silber / Edelgestein / Sammet / und Seiden / hinweg genommen: die alte
Matthäus Merian: Topographia Electoratus Brandenburgici et Ducatus Pomeraniae. Eigenverlag, Frankfurt am Mayn 1652, 2. Ausgabe um 1680, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Merian_Electoratus_Brandenburgici_et_Ducatus_Pomeraniae_432.png&oldid=- (Version vom 6.5.2023)