sich auf der Vorderseite im Sinne der Bewegung das hohe junge Gebirge von Neuguinea; vor ihrem Abriß von Antarktika war ihre Bewegungsrichtung, wie unsere Karten zeigen, eine andere: die heutige Ostküste war damals die Vorderseite. Damals wurden die Gebirge Neuseelands aufgefaltet, das dieser Küste unmittelbar vorgelagert war und sich in der Folgezeit bei veränderter Verschiebungsrichtung als Girlande ablöste und zurückblieb. Aus noch älterer Zeit stammen die heutigen Kordilleren Ostaustraliens; sie entstanden gleichzeitig mit den älteren Faltungen in Süd- und Nordamerika, die den Anden zugrunde liegen (Präkordilleren), am Vorderrand der sich als Ganzes verschiebenden Kontinentalmasse vor der Aufspaltung.
Die soeben erwähnte Abtrennung der einstigen Randkette, späteren Girlande Neuseeland von der australischen Scholle leitet uns zu der Erscheinung hinüber, daß kleinere Schollenteile besonders bei der Westwanderung der großen Schollen zurückbleiben. So trennen sich am ostasiatischen Kontinentalrand die Randketten als Girlanden ab, so bleiben die Kleinen und Großen Antillen hinter der Bewegung der mittelamerikanischen Scholle zurück und ebenso der sogenannte Südantillenbogen zwischen Feuerland und der Westantarktis, ja sogar alle sich in meridionaler Richtung zuspitzenden Schollen zeigen eine Verbiegung dieser Spitzen durch Zurückbleiben nach Osten, wie die Südspitze Grönlands, der Schelf von Florida, Feuerland, Grahamland oder das abbrechende Ceylon.
Man wird leicht bemerken, daß dieser ganze Vorstellungskreis der Verschiebungstheorie von der Annahme ausgeht, daß Tiefseeboden und Kontinentalscholle aus verschiedenem Material bestehen, gewissermaßen verschiedene Schichten des Erdkörpers darstellen. Die äußerste, durch die Kontinentalschollen repräsentierte Schicht bedeckt nicht (vielleicht nicht mehr) die ganze Erdoberfläche; die Tiefseeböden aber stellen die freie Oberfläche der nächsten Schicht des Erdkörpers dar, welche auch unter den Kontinentalschollen anzunehmen ist. Dies ist die geophysikalische Seite der Verschiebungstheorie.
Legen wir diese Verschiebungstheorie zugrunde, so befriedigen wir alle berechtigten Forderungen sowohl der Lehre von den ehemaligen Landverbindungen, wie auch der Lehre von der Permanenz. Es heißt jetzt: Landbrücken, aber nicht durch später versinkende Zwischenkontinente, sondern durch Berührung der heute getrennten
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_021.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)