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Seite:De Wegener Kontinente p 06.jpg

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wie der Richter gegenüber einem Angeklagten, der jede Auskunft verweigert, und haben die Aufgabe, die Wahrheit auf dem Wege des Indizienbeweises zu ermitteln. Alle Belege, die wir beibringen können, tragen den trügerischen Charakter von Indizien. Wie würden wir den Richter beurteilen, der sein Urteil nur auf Grund eines Teiles der verfügbaren Indizien fällt?

     Nur durch Zusammenfassung aller Geo-Wissenschaften dürfen wir hoffen, die „Wahrheit“ zu ermitteln, d. h. dasjenige Bild zu finden, das die Gesamtheit der bekannten Tatsachen in der besten Ordnung darstellt und deshalb den Anspruch auf größte Wahrscheinlichkeit hat; und auch dann müssen wir ständig darauf gefaßt sein, daß jede neue Entdeckung, aus welcher Wissenschaft immer sie hervorgehen möge, das Ergebnis modifizieren kann.

     Diese Überzeugung diente mir als Ansporn, wenn mir bei der Neubearbeitung dieses Buches bisweilen der Mut sinken wollte. Denn es übersteigt die Arbeitskraft des einzelnen, die lawinenartig wachsende Literatur über die Verschiebungstheorie in den verschiedenen Wissenschaften lückenlos zu verfolgen, und es werden sich daher in dem vorliegenden Buche trotz aller darauf verwendeten Mühe zahlreiche und auch empfindliche Lücken in der Berichterstattung aufweisen lassen. Daß mir dieselbe überhaupt in dem erreichten Umfang möglich war, verdanke ich lediglich der außerordentlich großen Zahl von Zusendungen aus allen in Frage kommenden Fachgebieten, deren Spendern herzlich gedankt sei.

     Das Buch wendet sich in gleicher Weise an Geodäten, Geophysiker, Geologen, Paläontologen, Tiergeographen, Pflanzengeographen und Paläoklimatologen. Es bezweckt nicht nur, den Forschern auf diesen Gebieten eine skizzenhafte Darstellung der Bedeutung und Leistungsfähigkeit der Verschiebungstheorie auf ihrem eigenen Gebiet zu geben, sondern vor allem auch sie zu orientieren über die Anwendungen und Bestätigungen, die diese Theorie auf den übrigen Gebieten gefunden hat.

     Über die Geschichte dieses Buches, die zugleich die Geschichte der Verschiebungstheorie ist, findet der Leser alles Wissenswerte im ersten Kapitel.

     Erst während der Korrektur erschien der im Anhang mitgeteilte Nachweis der Verschiebung Nordamerikas durch die 1927 ausgeführte neue Längenbestimmung, auf die der Leser hingewiesen sei.

Graz, im November 1928.

Alfred Wegener.
Empfohlene Zitierweise:
Alfred Wegener: Die Entstehung der Kontinente und Ozeane. Braunschweig: Friedr. Vieweg & Sohn Akt.-Ges., 1929, Seite VI. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:De_Wegener_Kontinente_p_06.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)
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