Zum Inhalt springen

Seite:Die Gartenlaube (1853) 045.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

No. 5. 1853.
Die Gartenlaube.


Familien-Blatt. – Verantwortlicher Redakteur Ferdinand Stolle.


Wöchentlich ein ganzer Bogen mit Illustrationen.
Durch alle Buchhandlungen und Postämter für 10 Ngr. vierteljährlich zu beziehen.


Wie die reichen Bauern in Angeln auf die Heirath gehen.

(Sittenbild.)

Ich war Offizier in schleswig’schen Diensten und zwei Mal in einem Dorfe im Lande der Angeln, welches bekanntlich zwischen Flensburg und Schleswig liegt, einquartiert. In dem Hause meines Wirthes Johann Lanesen herrschte ein ziemlich freies und ungezwungenes Leben. Vermittelst der Glasthür, die aus meinem Zimmer in die Küche führte, waren die Hausgenossen im Stande, all mein Thun und Treiben den ganzen Tag lang zu überwachen und des Abends, wenn ich mein Licht anzündete, pflegte eine neugierige Kuh ihren Kopf zu dem niedrigen Fenster hereinzustecken, um zu sehen, was ich vorhätte. Wenn mein Bursche die Thür der Brautkammer zuzumachen vergaß – eines großen Gemaches, in welchem er unter Kisten und Truhen und Leinen und Bettzeug, welches zur Ausstattung der Tochter des Hauses bestimmt war und unter großen Haufen getrockneten Obstes und langen Schnuren Zwiebeln seinen Wohnsitz aufgeschlagen hatte – so kam eine Henne mit ihren Jungen, die hier mit ihm zusammenwohnte, in mein Zimmer getrippelt, um die Krumen aufzupicken, welche auf dem Fußboden umhergestreut lagen. Die Mägde kamen zu jeder Tageszeit ohne weitere Umstände in mein Stübchen, um irgend etwas daraus zu holen, obschon ich mich vielleicht gerade in einem Kostüm befand, in welchem man in der Regel[WS 1] keine Damenbesuche anzunehmen pflegt. Andererseits ward es aber auch durchaus nicht übel genommen, wenn ich durch die große Kammer ging, wo die Betten sämmtlicher Hausgenossen standen und hier einen derselben im tiefsten Negligé antraf.

Das Haus war mit einem Worte seiner innern Einrichtung zufolge von der Art, daß wir kein Geheimniß vor einander haben konnten. Der alte Johann konnte es allemal sehen, wenn ich mit einem stillen Seufzer einen Thaler aus meinem Koffer holte und ich dagegen sah ihn oft mit stillvergnügtem Grinsen in seinem Wandschranke von Eichenholz eine Rolle harter Thaler zu der andern legen.

Er befand sich sehr schlau, der alte Bursche, obschon es ihm Niemand angesehen hätte. Seine Kleider waren überall geflickt und der Kopf seiner unzertrennlichen Gefährtin, die Tabakspfeife, ward durch ein Stückchen Schuhdraht in einem sehr unsichern Zustande des Daseins erhalten. Sein altes Wohnhaus zeigte allerdings einige Spuren von Verfall, aber dennoch war Johann Lanesen der reichste Mann im Dorfe und hätte ein zweimal so großes und schönes Haus bauen können, als irgend einer seiner Nachbarn besaß, wenn er nur sonst gewollt hätte.

Johann war Wittwer und seine Familie bestand aus

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Angel (Korrektur gemäß Heft 6, Seite 66)
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_045.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)
OSZAR »