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Seite:Die Gartenlaube (1853) 111.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

ihn los und der Schulz brachte ihn als Staatsverbrecher oder Hochverräther zur Haft. Der Herzog, von den Geistern des Doppelbiers sehr heiter gestimmt, fand das Quiproquo sehr spaßhaft und ließ sich seine Arretirung gern gefallen. Seit Jahren hatte er sich nicht so gut unterhalten, wie am heutigen Tage, und die neue Verwicklung war ganz nach seinem Geschmack. Er wußte es jetzt im Herzen seinem Unterförster Voigt Dank, daß dieser bei seinem hübschen Marielieschen in Bezug auf den für Tauben-Jan bestimmten Schlaftrunk nicht reinen Mund gehalten hatte, weil durch diesen Verrath die lustigen Begebenheiten des Tags veranlaßt worden waren und dramatisches Interesse gewonnen hatten. Für Tauben-Jan, der sich als Herzog sehr gut benommen, hatte er aber schier eine Zuneigung gewonnen. Ebenso hatte ihm der Pfarrer absonderlich gefallen. Als er nun in die Kammer abgeführt wurde, fiel ihm gar nicht ein, sich als wirklicher Fürst zu decouvriren; im Gegentheil ersuchte er den Schulzen mit kläglicher Stimme ihm den Pfarrer zu schicken, dem er seine Sünden beichten müsse. Tauben-Jan lief in der Narrenkönigstracht dem Schulzen und seinen Gesellen auch in den Weg und wurde mit der größten Devotion benachrichtigt, daß der „verdammte Ruhler Galgenstrick“ eingesteckt sei, und man nur der Befehle Sr. Durchlaucht unterthänigst warte, was mit dem frechen Menschen geschehen solle.

Jan war noch bierseliger als der Herzog. „Sitzt er fest, der Ruhler Spitzbub?“ lallte er mit schwerer Zunge. „Das freut mich. Gebt ihm Doppelbier so viel er trinken mag. Mir aber laßt einen lustigen Tanz aufspielen und schenkt mir eine frische Kanne ein. Wir wollen einmal zusammentrinken.“ Wer war wohl glücklicher als die Seebacher über die Herablassung und Leutseligkeit ihres gnädigsten Herrn.

Der Herzog in der Kammer hörte aber diese Verhandlungen mit an, und da er eben eine eigenthümliche Entdeckung in diesem seinen Gefängniß gemacht hatte, so beschloß er in bester Laune dieselbe zu einer neuen scherzhaften Rache an Tauben-Jan zu benutzen. Bei Besichtigung des Lokals gewahrte er nämlich einige ungewöhnlich große Backtröge voll Teig. Dies war der Teig zu den Pfefferscheiben, welche zu Weihnachten gebacken werden sollten; dieser mußte nämlich sechs bis acht Wochen vorher angemacht werden und an einem kühlen Orte gähren. Die Estrichkammer war das dazu bestimmte Lokal.

Der Pfarrer trat bald herein und war ziemlich bestürzt, als sich ihm der Gefangene als wirklicher Herzog zu erkennen gab, zeigte sich natürlich aber gern bereit den Plan des Herzogs, die Seebacher Ortsbehörde zu foppen, mit besten Kräften zu unterstützen. Zu diesem Behufe wurden Lichter – denn es war unterdessen Nacht geworden – ein gutes Abendbrod und ein kräftiger Punsch in das Gefängniß geschaft und Tauben-Jan vom Pfarrer eingeladen, des Herzogs Gast zu sein. Der lustige Taubenzüchter saß in dem Kämmerchen dem lustigen Fürsten gegenüber und erzählte auf dessen Befehl so gut er eben noch vermochte, allerlei Schnurren und Possen aus seinem Leben. Die Sicherheitswache vor der Thüre konnte sich über die Gnade ihres Fürsten, der dem verbrecherischen Schalenschneider aus der Ruhl im Gefängniß Gesellschaft leistete, vor Erstaunen nicht fassen.

Inzwischen dauerte es mit Jan’s Erzählungen gerade nicht lange. So kräftig auch seine Natur war, das Doppelbier hatte ihr schon zu arg zugesetzt, als daß sie dem Punsch, welchen ihm der Herzog fleißig zutrank, lange hätte Stand halten können. Er fiel endlich wie ein Sack unter den Tisch. Nun hatte der Herzog sein Ziel erreicht. „Komm, mein Junge, ich will Dich schlafen legen?“ sagte er lachend, hob ihn auf und trug ihn zu dem Backtrog, auf dessen Teig er ihn sanft bettete. Jan lag weich und schön wie in einem Eiderdaunenbette und schnarchte bald alle Töne.

Nun löschte der Herzog die Lichter und trat aus der Thüre. Die Wache, die ihn für den hielt, der er wirklich war, ließ ihn ungehindert passiren. Die Gäste zechten und lärmten noch. Der Fürst entfernte sich mit Werneburg unbemerkt und fand am Eingange des Dorfs sein Pferd, das er dorthin bestellt hatte.

Am andern Morgen früh war schon ein Bote da, welcher dem Schulzen erklärte, daß der Herzog und nicht Tauben-Jan eingesteckt worden sei. Werneburg, der sich ebenfalls eingestellt hatte, bestätigte diese Angabe. Der Pfarrer versicherte dasselbe. Der Schulz war in Verzweiflung. Mit dem ganzen Ortsvorstande zog er in die Pfarre, um den schwer gekränkten und gemißhandelten fürstlichen Herrn aus der Haft zu befreien und seine Verzeihung zu erflehen.

Aber auch Jan’s Ehehälfte hatte sich eingefunden, um ihren Schatz einzuholen und ihm den Text zu lesen, daß er in der Nacht nicht heimgekommen war. Er war nirgend zu finden; denn in der Kammer steckte ja der Herzog, und die Wache sagte aus, Jan habe sich Abends mit dem lügenhaften Vorgeben, er sei der Herzog, entfernt.

Die Kammer wurde geöffnet, kein Gefangner war zu sehen. Der Gemeindevorstand war wie versteinert. Da entdeckte der Schulz ein hochrothes menschliches Haupt, welches aus dem Pfefferkuchenteige hervorragte. Der übrige Körper war sanft in dem zähen Teige versunken. Ein Schrei des Entsetzens weckte den ruhigen Schläfer. Er schlug die Augen auf und sah sich verwundert um.

„Ach, Durchlauchtigster Fürst und Herr! Gnade! Gnade!“ lamentirte der Schulz, und die Andern fielen im Chorus mit kläglicher Stimme ein, warfen sich vor dem Backtrog auf die Kniee und streckten die Hände flehend nach dem vermeintlichen Gebieter aus.

„Das soll der Herzog sein?“ ließ sich plötzlich eine heftige Weiberstimme vernehmen, vor deren Ton der Mann im Pfefferkuchenteiche emporschrack. „Ihr Narren zusammen, das ist Tauben-Jan. Das muß ich besser wissen, denn ich bin seine Frau. – O Du abscheulicher versoffner Schlingel! Du Tagedieb! Du Leuteverderber! Was ist das für eine Schande! Im Teige in einem Backtroge zu liegen, Du Wicht!“ In diesem Tone ging die Predigt fort und schon machte die exaltirte Frau Anstalt, dem Pseudo-Herzoge mit den Nägeln in’s Gesicht zu fahren, als er sich mit Anstrengung rasch aus dem Teige erhob und nun ein ungeheures Gelächter entstand. Im Hintergrunde stand der Herzog, der von Hucherode, wo er übernachtet, herübergekommen war, um sich das Vergnügen dieser Scene zu verschaffen.

So übel nun auch Jan aussah, so machte er doch gute Miene zum bösen Spiel. Er meinte zu seinem Troste,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_111.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)
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