Verschiedene: Die Gartenlaube (1853) | |
|
gewissermaßen für festgesetzte Procente – an die Regierung abzuliefern. Bei dem Quantum sind aber auch all die Beamten, welche die Aufsicht darüber führen, wie Resident und Regent des Distrikts interessirt – in ihrem Vortheil liegt es also, ebensoviel wie in dem der Regierung, daß viel erzeugt werde, während für die Güte des Produkts der Pflanzer größtentheils allein verantwortlich ist, und die Regierung hat sich dabei ihre eigenen Interessen durch das zweckmäßigste Mittel gesichert, das es auf der ganzen Welt gibt, durch das Interesse ihrer Aufseher, und hierin allein liegt sicherlich die Ursache, die Java in den letzten Jahrzehnten zu einer blühenden Colonie und einer wahren Schatzkammer des Mutterlandes und ihrer Beamten gemacht hat.
Die armen Eingeborenen sind dabei freilich am Schlechtesten weggekommen, denn dieses Zwangsarbeitsystem macht allerdings aus der Wildniß blühende Felder und Fluren, aber aus den Menschen – Sclaven. Rede mir Keiner davon, daß dadurch ihr eigener Zustand verbessert sei und sie in den Stand gesetzt wären, Bedürfnisse zu befriedigen, an die sie früher gar nicht hätten denken können; das eine ist nicht wahr, und das andere ein Unsinn.
Ihr Zustand ist nicht verbessert, denn wo ich einem Menschen den freien Willen nehme, wo ich ihn zur Arbeit für Fremde zwinge, da habe ich seinen Zustand nicht verbessert, und wenn ich ihm auch nachher die Mittel an die Hand gäbe Sammet und Seide zu tragen und Hühnerpasteten oder sonst irgend etwas Gutes zu essen. Und Bedürfnisse befriedigen, die sie nicht gekannt haben, ist ein Unsinn, denn was ich gar nicht kenne, kann mir noch kein Bedürfniß sein. Wenn ich aber Jemandem ein neues Bedürfniß kennen lehre, so begehe ich dabei, nach meiner Ansicht wenigstens und von einem strengrechtlichen Grundsatz aus, ein Unrecht, das damit noch gar nicht wieder gut gemacht ist, wenn ich ihm nachher die Mittel an die Hand gebe es zu befriedigen, noch dazu, wenn ich gerade aus diesen Mitteln heraus wieder meinen eignen Vortheil habe.
Es ist ungefähr gerade so, als ob ich Jemandem im kalten Wetter die Haare glatt vom Kopfe scheere, und kaufe ihm dann eine Mütze; die Mütze hält ihm den Kopf allerdings ebenso warm, als es die Haare gethan haben würden, aber weshalb hab’ ich ihm denn überhaupt nicht seine eignen Haare gelassen? – Blos um ihm die Mütze zu kaufen.
Das ist also keine Entschuldigung, nein, gebt dem Kinde gleich den rechten Namen, sagt: „Wir scheeren uns den Teufel drum, was aus den Eingebornen wird, so sie nur gesund bleiben, und uns unsere Arbeiten verrichten und dadurch Geld in unsere Cassen zu bringen, und so wir sie auch nur so viel zufrieden stellen und unter dem Daumen halten, daß sie uns nicht wild werden und rebelliren, was allerdings eine höchst fatale Geschichte wäre.“ Und das ist dann nichts Schlimmeres, als in allen übrigen Colonien, wo sich die Eingebornen nur überhaupt zur Arbeit bringen ließen, oder durch die Lage des Landes begünstigt, dazu gebracht werden konnten, mit ihnen geschehen ist. Die Holländer gestatten ihnen doch wenigstens noch zwischen ihnen zu leben und treiben sie nicht durch kleine Kunstgriffe und Contrakte, von denen sie Nichts verstehen und an die sie doch nachher gebunden sein sollen, von den Gräbern ihrer Väter und aus ihren Jagdgründen, wie es die Engländer und Amerikaner thun. Der Holländer läßt den Eingebornen seine Religion und quält ihn nicht mit Missionären und neuen Glaubens-Bekenntnissen, die nur zu häufig Haß und Unfrieden in ihre Familien bringen und den armen Teufeln dann auch noch die letzten Stützen wegschlagen, auf die sich ihr Geist, von allen andern verlassen, zurückziehen könnte, – den Gott ihrer Väter. Selbst die letzte Entschuldigung wäre ihnen aber auch hierin freilich genommen, da ja die Javaner wenigstens schon lange ihrem alten Götzendienst entsagt haben und zu Allah, also zu einem einigen Gott, beten. Wieder eine neue Religion würde sie dann auch ganz confuß machen, denn wer bürgte ihnen dann dafür, daß sie diesmal die wahre bekämen, und nicht nach ein paar Jahren eine neue Sekte ihnen neue Lehren verkündigte.
Ich bin auch überzeugt, daß die christliche Religion die Eingebornen nicht besser machen würde, ja nicht besser machen könnte, als sie sich jetzt in ihrem ganzen Leben und Handeln erweisen, sie sind friedlich, fromm, gastfrei und ehrlich, in ihren Familienverhältnissen treu und anhänglich (was wahrhaftig mehr ist, als die prahlenden Missionäre in der Südsee von ihren sehr precären Christen sagen können) und die christliche Religion könnte von ihnen nicht mehr verlangen.
Die ihnen von der Regierung auferlegten Arbeiten sind nun, für die einzelnen Kampongs auch besonders eingetheilt. Bei den Kaffeeplantagen müssen sie in gewissen Distrikten die Pflanzungen rein halten, die Kaffeekirschen pflücken und in die Mühle tragen und hier verarbeiten und reinigen. Von jedem Quantum, was sie liefern, bekommen sie eine Kleinigkeit, die sie eben am Leben erhält, bezahlt, und lebte der Javane nicht so entsetzlich mäßig, genügten ihm nicht für seine tägliche Nahrung nur ein paar Hände voll trockenen Reises, und vielleicht ein paar Früchte, so könnte er damit nicht einmal leben. Sehr häufig kommt es dabei vor, daß da, wo sie die Produkte oder sonst ihnen von der Regierung auferlegte Arbeiten, wie Holz zu Bauten, z. B. sehr weite Strecken zu tragen haben, sie ebensoviel unterwegs verzehren mußten als ihr ganzer Lohn betrug und sie nun völlig umsonst gearbeitet hatten.
Auch auf Lembang, wo sich die Kaffeegärten viele Meilen weit ausdehnen, sind wohl früher ähnliche Uebelstände gewesen, dafür sollen aber jetzt an den entfernteren Stationen ebenfalls Mühlen errichtet und den Arbeitenden soviel näher gelegt werden.
Die Zahl der hier beschäftigten Arbeiter ist enorm, und soll in der rechten Erntezeit, wo die reifen Kirschen gepflückt und eingeliefert werden, nur auf dieser einen Plantage zu viertausend steigen. Das ist aber nur eine Zeit im Jahre, wo die Leute dann von früh bis spät einzig und allein für die Kaffeegärten beschäftigt sind, und es bleibt ihnen noch vollkommen Muße und Zeit ihre eigenen Reisfelder zu bestellen.
Ueberarbeiten thut sich der Javane überhaupt nicht, das Klima läßt das auch schon gar nicht zu, und ich habe während meines ganzen Aufenthalts dort, nicht einen einzigen gesehen, der in Eile gewesen wäre, ausgenommen wenn er vielleicht eine recht schwere Last aus den Schultern hatte, und dann that er’s nicht der Last, sondern seiner
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 118. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_118.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)