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Seite:Die Gartenlaube (1853) 128.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

Diese zweifache Bewegung – das Ausdehnen und Zusammenfallen – ist die gewaltige Kraft, welche die Dampfmaschinen aller Art treibt. Ich will Euch aber noch etwas Merkwürdiges vom Kochen erzählen, das man erst in neuerer Zeit entdeckt hat. Es kann ein Gefäß zu heiß zum Kochen darin sein.“

„Das glaube ich nicht. Wenigstens ist es mir noch nicht vorgekommen,“ bemerkte die Mutter.

„Der Versuch ist leicht genug zu machen. Erhitzt man z. B. eine Platinaschale sehr hoch oder laßt Ihr Euren Theekessel ohne Wasser darin glühend heiß werden, und einen Tropfen Wasser hinein fallen, so tanzt er in demselben herum, ohne zu kochen, bis die Hitze der Schale oder des Kessels sich vermindert; dann erst entweicht er in Dampf. Ja noch mehr. Wasser und sogar Quecksilber kann in einem rothglühenden Gefäße zum Gefrieren gebracht werden, wenn der Versuch geschickt gemacht wird. Vor zwei Jahrhunderten würde man dies für Hexerei gehalten und den, welcher den Versuch machte, selbst in’s Feuer geworfen haben.“

„Ich habe auch gehört, daß das Wasser in manchen Kesseln aus andern Gründen schwer oder gar nicht kocht,“ bemerkte Einer der Anwesenden.

„Allerdings, wenn sich außen an einem Topfe oder Kessel recht viel Ruß angesetzt hat, wird das Wasser darin schwer zum Kochen kommen, weil dieser Ruß ein sehr schlechter Wärmeleiter ist, d. h. die Hitze nicht schnell durchdringen läßt. Aus diesem Grunde kann man sogar, wenn man sich nicht scheut schwarze Hände zu bekommen, einen stark berußten Topf, in den man kochendes Wasser goß, auf der bloßen Hand tragen, ohne sich zu verbrennen. Ebenso hindert das Kochen der sogenannte Kesselstein, den man häufig in Dampfkesseln findet.“

„Was ist das?“

„Jedes Wasser enthält erdige und salzige Theile, mehr oder weniger; bei dem Kochen trennen sich diese Dinge von dem Wasser, setzen sich an der Wand des Kessels an und bilden da allmälig eine festanhängende Rinde oder Kruste. Dies ist der sogenannte Kesselstein, der schon manche Dampfmaschine zum Stillstehen brachte, weil das Wasser in einem solchen Kessel nicht zum Dampf zu bringen war. In der neuesten Zeit hat man zum Glück ein Mittel gefunden, ihn leicht zu beseitigen. – Aber jetzt kocht das Wasser in unserm Kessel dort wirklich; es entweicht Dampf aus ihm und wir können uns nun den Thee schmecken lassen.“




Aus der Menschenheimath.

Briefe
des Schulmeisters emer. Johannes Frisch an seinen ehemaligen Schüler.
Siebenter Brief.
Das Mehl.

Neulich habe ich Dich mit den zierlichen Gestalten eines sonderbaren Steinmehles, denn so konnten wir es wohl nennen, bekannt gemacht; heute will ich Dir Einiges von dem wahren Mehle erzählen.

Ich zweifle nicht, daß es Dir angenehm sein wird, etwas Genaueres über diese mächtige Triebfeder in der Staatsmaschine zu erfahren. Getreidegewinnung ist ja Jahr aus Jahr ein eine der wesentlichsten Bedingungen zum gesicherten und gedeihlichen Bestehen der menschlichen Gesellschaft. Ein ungewöhnliches Steigen der Getreidepreise bringt sofort eine Störung der Staatsgesellschaft hervor, die sich bis zur Hungerpest und zur Revolution steigern kann.

Kleine winzige Glaskügelchen sind’s – denn so sehen die Mehlkörnchen unter dem Mikroskope aus – worauf die Wohlfahrt der Völker wesentlich beruht. Es ist nicht blos edle Wißbegierde – es ist schuldige Dankbarkeit gegen die Natur, zu sehen, wie sich die Mehlkörnchen im Zellgewebe der Pflanzen finden und wie sie von diesen bereitet werden. Die Betrachtung der geheimen Vorgänge im Pflanzenleben gewinnt sofort neben der geistigen Befriedigung, die sie gewährt, eine praktische Bedeutung, wenn sie uns Dinge vorführt, die in so unmittelbarer Beziehung zu unserem eigenem Leben stehen. Und daran unterscheide ich den wahren Menschen, das heißt den, welcher weiß, was er ist, was er soll und was er kann, daß er nicht gedankenlos die Gaben der Natur hinnimmt, sondern das Bedürfniß fühlt, ehe er genießt, zu wissen, was es ist, was er eben von der Natur nimmt.

Mein heutiges Bild habe ich Dir mit Hülfe des Mikroskopes zeichnen müssen. Das Mikroskop ist das Falkenauge, durch welches der Mensch in die geheimen Werkstätten der Natur schaut und jetzt Dinge klar und scharf unterscheidet, von denen man bis zu Anfange des 17. Jahrhunderts, wo es erfunden wurde, sich nichts träumen ließ. Verfälschungen des Mehles, der Wollen-, Seiden- und Leinengewebe entdeckt das Mikroskop mit Leichtigkeit. Es ist ein scharfer Aufpasser. Es entscheidet sogar in manchen Krankheitsfällen über das Wesen des Uebelbefindens.

Zuerst zeige ich Dir, wie sich das Mehl im Weizenkorn findet.

Figur 1 w. ist ein wenig vergrößertes Weizenkorn im Querdurchschnitt. Davon habe ich mit einem haarscharfen Messer ein möglichst dünnes Blättchen wie mit dem Hobel abgeschnitten. Du siehst oben rechts an Fig. 1 w. angedeutet, wo dies geschehen ist und in dem kleinen Viereck darüber ist die natürliche Größe dieses abgeschnittenen Stückchens dargestellt. Du siehst es Fig. 1 etwa gegen 300 Mal vergrößert. Du kannst Dir leicht nach diesem vergrößerten Stückchen ein Bild davon machen, wie groß in gleicher Vergrößerung der ganze Querschnitt eines Weizenkorns

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 128. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_128.jpg&oldid=- (Version vom 11.4.2020)
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