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Seite:Die Gartenlaube (1853) 231.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853)

auch des Kriegshauptmanns Fischkeute Schwert den tapfersten der Feinde, den Siegfried von Saldern mit den Krücken. Ihrer Führer beraubt, drängten die Feinde der Straße zu, die nach der Sülze führte, von woher sie so leichten Kaufs in die Stadt gelangt, aber hierher warf sich auf Nebenwegen Becker mit dem Kern seiner Mannschaften, die ermuthigt durch den Sieg mit der Tapferkeit ihres Anführers zu wetteifern schienen. Ueber 200 von Adel und über 300 Kriegsknechte des Feindes lagen erschlagen auf dieser Straße, während der Rest der Ritter und Knappen sich der Stadt als Gefangene überlieferte. Die Straße aber und das Thor wo das Gemetzel unter des Magnus Verbündeten am Aergsten gewesen, hieß nach Jahrhunderten noch, in Folge des Blutbads, welches die Lüneburger unter ihren Feinden hier angerichtet, das rothe Thor und die rothe Straße.

Im heißen Angstgebet lag während dieses Mordgefechtes Elsbeth auf ihren Knieen, denn deutlich drang der Schlachtruf der Kämpfenden unter wildem Waffenlärm in ihr stilles Gemach. Als aber nach beendeter Schlacht die siegestrunkenen Bürger unter lautem Jubelruf den tapfern Stadtobristen und den um das Wohl der Stadt Lüneburg so oft sich verdient gemachten Bürgermeister nach deren Wohnung geleiteten, da litt es das junge Weib nicht länger allein, und mit fliegenden Haaren und hochwallendem Busen eilte sie hinab in die Hausflur und sank unter Thränen der Freude und des Stolzes in des geliebten Mannes Arme, der mit blutbeflecktem Schwerte und vom wilden Kampfe hochglühendem Antlitz sie innig an seine Brust zog.

Schäumend vor Wuth empfing Magnus Torquatus die Kunde von der blutigen Niederlage der tapfersten seiner Krieger, aber obgleich er fortwährend auf Rache sann gegen die ihm verhaßte Stadt, so gelang es ihm nie wieder gegen Lüneburg zu Felde zu ziehen, da bis zu seinem Tode in immer neue Fehden verwickelt von jenem Tage an, wo seine mächtigsten Verbündeten Graf Homburg und Siegfried v. Saldern gefallen, das Unglück als rächende Nemesis ihn Schritt vor Schritt verfolgte.

Noch einmal versuchte auf erhobene Beschwerde der Fürsten von Sachsen gegen Magnus v. Braunschweig, wegen gebrochenen Vertrags der Kaiser in Güte beide Parteien zu einigen und beschied dieselben nebst mehreren andern Fürsten und Prälaten, die er zu Beisitzern und Mitrichtern gewählt, zu einem Gerichtstag nach Pirna im Stifte Meißen. Allein Magnus Torquatus blieb aus, weil er entweder sein Erbrecht zum Herzogthum Lüneburg nicht auf einen zweifelhaften Rechtsfall setzen wollte, oder auch wohl wußte, daß der größte Theil der dorthin beschiedenen Mitrichter den beiden Sachsenfürsten mehr zugethan war als ihm. Entrüstet über diese Nichtachtung und Zurückweisung kaiserlicher Befehle und gütlicher Vergleiche, drangen die versammelten Fürsten und Prälaten in den Kaiser, einen Machtspruch zu tun, und für immer diesem Streit ein Ende zu machen. Und dem geschah so. Das Fürstenthum Lüneburg wurde von neuem dem Herzog Albert und dem Churfürsten Wenzeslaus von Sachsen zugesprochen, die Succession auf Albert’s Nachkommen übertragen und über Magnus Torquatus die Reichsacht zum dritten Male ausgesprochen.[1]

Die Stadt Lüneburg aber genoß an Wohlstand gewinnend unter Herzog Albert eines ungestörten Friedens. Noch lange Jahre weilte Ulrich von Weißenburg bis in’s hohe Greisenalter unter seinen Kindern, an deren Glück sich erfreuend, und obwohl Arnold Becker, der zugleich herzoglicher Feldobrist geworden, oft mit dem lüneburgischen Aufgebot Theil nahm an den Fehden seines neuen Gebieters, so kehrte er doch jedesmal, ob auch oft mit Wunden bedeckt, ohne Gefährdung seines Lebens zu den Seinigen zurück, wo ihm an Elsbeth’s Seite, von blühenden Kindern umgeben, die kurzen Freuden eines häuslich stillen Friedens reichen Ersatz für sein wild bewegtes Kriegerleben boten.

Nach Arnold Beckers Tode nannte man die Straße, auf welcher der tapfere Kriegsobrist gewohnt, diesem zu Ehren, „die Beckerstraße,“ sowie man sein Bildniß in Lebensgröße in Stein gehauen über dessen Hause zum ewigen Andenken anbringen lies. In voller Rüstung, in der einen Hand ein Schwert, in der andern Hand eine Lanze haltend, ist er so mitten unter den von ihm erlegten Feinden als Sieger stehend, abgebildet, über seinem Haupte die Worte:

Pugna pro Patria!




Herzog Magnus aber, dessen mächtigste Verbündete theils durch den Tod auf den Schlachtfeldern hingerafft worden waren, theils aber auch durch die über ihn und alle mit ihm Verbündete ausgesprochene Reichsacht sich von ihm zurückgezogen, hatte seit der Schleifung der Lauenburg bei Hannover nach und nach den größten Theil seiner festesten Burgen verloren, und irrte oft, wenn die Thore seiner Städte ihm verschlossen blieben, obdachlos an der Spitze seiner gefürchteten plündernden und brennenden Reiterhaufen von Ort zu Ort, von Land zu Land.

Aus persönlicher Zuneigung überließ Herzog Albert von Sachsen der Gemahlin und den Kindern des flüchtigen Herzogs das Schloß und die Stadt Celle. Albert selbst aber blieb in beständiger Fehde mit Magnus Torquatus verwickelt, den es oft in toller Wagniß drängte, sich seinen Feinden entgegen zu werfen und die verlornen Lande wieder an sich zu reißen. Das Kriegsglück, welches ihn für immer verlassen zu haben schien, war bei mehreren seiner letzten Streifzüge ihm wieder günstig gewesen und hatte dem wilden Kriegsfürsten reiche Beute und frische Kriegsvölker zugeführt; dies gnügte ihm und seinen beutesüchtigen Schaaren, um kühner wieder in größere Fehden sich einzulassen. Der Grund zu einer solchen fand sich bald, denn als seines Bruders Wittwe sich an den Grafen von Schauenburg vermählte, überfiel er mit seinen Reitern eine Abtheilung schaumburgischer Krieger, welche den Fuhrleuten zur Bedeckung dienten, auf deren Wagen der Schmuck und das Hausgeräth der neuvermählten Wittwe nach der Schaumburg gebracht werden sollte, und verweigerte die Herausgabe des Raubes.

Entrüstet über diese Frechheit und bestürmt von den Klagen seiner Gemahlin über den Verlust ihres Vermögens, verband sich Graf Schauenburg mit dem Herzog Albert von Sachsen und rückte mit vereinigter Streitmacht dem Herzog Magnus entgegen, der mit seinen Schaaren schon


  1. Durch die Vermählung des Herzogs Friedrich, Sohn des Magnus Torquatus, mit Anna, des Churfürsten Wenzeslaus Tochter, im Jahre 1386, kam das Fürstenthum Lüneburg wieder an die Herzöge von Braunschweig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 231. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_231.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)
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