Verschiedene: Die Gartenlaube (1853) | |
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dort seinen Hof hielt. Die Sonne scheint kaum Ein Mal ihre Bahn vollendet zu haben seit jenen Tagen, wo der heitere und gottlose Edward IV. und sein verschlagener Bruder mit ihren lustigen Höflingen innerhalb der Wälle festmahlten und jubelten, welche jetzt schweigend und im rauhen Festkleide des hohen Alters dastehen. Doch hier ist keine Zeit für romantische Träumereien, fort geht’s auf unserem Wege und bald sind wir in den klassischen Gefilden von Stratford. Die Stadt unterscheidet sich ihrer äußern Erscheinung nach durch Nichts von einer ganz gewöhnlichen Provinzialstadt. Wir stiegen in dem ersten Gasthofe ab und nachdem wir pflichtgemäß unserer Wirthin sorgfältig auf’s Gewissen gebunden hatten, gegen unsere Zurückkunft ja einige gute Rumpsteaks etc. etc. well done in Bereitschaft zu halten, ging’s per pedes apostolorum weiter auf unserer Pilgerfahrt. Das erste Gebäude, welches unsere Aufmerksamkeit auf sich zog, war die Stadthalle, die durchaus keine architektonische Prätensionen zu machen hat, jedoch den Reisenden für einen Augenblick fesselt, weil er an der Außenseite in einer Nische eine Statue des unsterblichen Dichters bemerkt, welche, wie man ihn unterrichtet, von David Garrick geschenkt ist. In einem großen Saale des Gebäudes in dem die häufigen Stadtbälle – für welche, als uns unsere Führerin informirte, Stratford weit berühmt ist – statt zu finden pflegen, befindet sich ein Portraits Garrick’s von Gainsborough und ein anderes von Shakspeare, gemalt von Wilson. Wir erkundigten uns hierauf nach dem Orte, in welchem der Barde lebte und starb. Das Haus wurde leider von einem Vandalen – Francis Gastrell – bis zum Grunde gänzlich verwüstet, sein Name, wir hoffen, wird wie ein zweiter Ephialtes schmachvollen Andenkens der Nachwelt für alle Zeiten aufbewahrt werden. Wir gingen dann zu der Kirche, welche die letzten irdischen Ueberreste des großen Dichters in sich schließt. Dieses Gebäude ist eine Structur von bedeutender Ausdehnung und ungewöhnlicher Schönheit. Der Eingang zur Kirche ist durch eine schöne Lindenallee verziert.
Das Innere scheint vor nicht allzu langer Zeit restaurirt zu sein und zwar in einer Weise restaurirt, daß den Beschauer – wunderbar genug – die Ausbesserung nicht gereuet. Wenn wir mit dem Gesichte dem Altare zugekehrt stehen, so befindet sich zu unserer linken Seite das Denkmal, welches in stummer und andächtiger Betrachtung während Jahrhunderte von den wechselnden Geschlechtern angestaunt worden. Wo sind die Tausende und Abertausende, welche vor uns an dieser heiligen Stätte in tiefer Bewunderung gestanden? Wo ist das Resultat ihres Denkens? Welches die Frucht ihrer Handlungen?
Das Denkmal ist von Gerard Johnson – einem Holländer von Geburt - mit bedeutender Sorgfalt ausgeführt und war anfänglich mit Farben angestrichen, um so den Barden mehr in seiner natürlichen Erscheinung darzustellen. Malone jedoch, nicht zufrieden gestellt mit der empfindlichen Beleidigung, welche er dem Dichter durch die Herausgabe seiner Werke zugefügt hatte, fühlte sich höchst eigenmächtig bewogen, die ursprüngliche Farbe abzukratzen, und das Ganze mit einem Nichts sagenden Weiß zu übertünchen. In seinem ursprünglichen Zustande bot das Denkmal folgende Erscheinung dar: Die Augen waren von einem hellen Nußbraun; der Anzug bestand aus einem Scharlach-Kamisole, über welches ein weites schwarzes Gewand ohne Aermel lose hingeworfen war. –
Wenige Fuß von der Wand sind die Ueberreste von William Shakspeare; an seiner Seite liegt seine Gattin Anne Hathaway, und nahe dabei schläft seine Tochter verehelichte Hall, von der man sagt, daß sie einen guten Theil von ihres Vaters Genius besessen habe. In demselben Theile der Kirche befindet sich auch die Gruft der Combe’schen Familie. Auf einem ansehnlichen Monumente liegt in voller Lebensgröße das Ebenbild des Sir John Combe, der treue und würdige Freund unsers großen Dichters. Wir sehen uns noch einmal flüchtig das Ganze an, blättern zwei oder drei Minuten in den ungeheuern Folianten, in welche die Besucher ihre Namen einzutragen
Verschiedene: Die Gartenlaube (1853). Leipzig: Ernst Keil, 1853, Seite 236. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1853)_236.jpg&oldid=- (Version vom 12.4.2020)