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Seite:Die Gartenlaube (1859) 491.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859)

mit Ben darüber, ohne mir etwas davon zu sagen, um mich nicht ängstlich zu machen. Wie mir Harry gestand, war er in Zweifel gewesen, ob er umkehren oder Ben zurückschicken sollte, einige Gefährten zu holen.

„Dachte’s wohl!“ hatte Ben gesagt. „Muß Einen für sich haben dann wird’s schon gehen,“ hatte er hinzufügt, „es ist gute Art.“

Um Mittag machten wir Halt. Noch lebten wir von unsern Vorräthen und dachten an keine Jagd, nur ich konnte sie nicht erwarten. Alle Müdigkeit war verschwunden, ich fühlte, daß ich schon Gewalt über mein Pferd erhielt. Es war ein prächtiges, edles Pferd. Schlank und fein gebaut, konnte es seinen englischen Stamm nicht verleugnen, und zeigte auch die Klugheit dieser edlen Rasse. Ich fütterte es selbst mit meinem Brodte, und ich hatte seine Liebe später so gewonnen, daß es meine anfängliche Ungeschicklichkeit ganz vergaß. Tag für Tag zu Pferde ist die beste Reiterschule, und ich wurde bald mit meinem Pferde eins. Von den Gefahren, welche mir droheten, hatte ich keine Ahnung. Endlos lag freilich die Prairie vor uns, ein Grasmeer im eigentlichsten Sinne des Wortes, denn Welle auf Welle reihte sich der Boden an einander. Diese Prairie heißt besonders die trockene oder wellige Prairie und ist Meeresboden, oder vielmehr der Grund eines Sees gewesen, dessen Abflüsse der Kansas und Arkansas bilden, auch wohl noch der Red-River. Der Arkansas hat sich sein Bett deutlich durch das Ozark-Gebirge gegraben, wie ich deutlich auf unserem Wege von Fort Smith nach Fort Gibson erkennen konnte. Zwischen 2 bis 10 Fuß schwankten die Bodenerhebungen, waren aber unmerklicher, da auf den Höhen das Gras 2 Fuß, in den Gründen fast 2 Ellen hoch stand. Außer dem Arkansas hatten wir noch kein Wasser wieder gesehen. Unseren Pferden merkten wir es an, daß ihnen die wenigen Tropfen, welche sie von unserem Vorrathe erhielten, nicht genügten, aber es ging vorwärts bis in die Nacht hinein. Endlich machten wir Halt an einem kleinen Flüßchen, unter den Bäumen an seinem Ufer loderte unser Feuer lustig auf, und ich fühlte die Anstrengungen des Rittes so sehr, daß ich mir kaum Zeit nahm, etwas zu essen, und dann, in meine Decke gehüllt, bald in tiefen Schlaf versank. Ich erwachte ziemlich spät und war verwundert, daß noch keine Anstalt zum Aufbruche gemacht wurde.

Harry scherzte über meine Jagdlust, und nach Rücksprache mit Ben wurde beschlossen, die erste Büffeljagd zu machen. Ich sollte mich mehr als Zuschauer verhalten. Ungern that ich es, aber ich erkannte das Vernünftige des Vorschlages. Wir ließen alle unsere überflüssigen Sachen am Orte unsers Nachtlagers und ritten thalaufwärts. Bald sahen wir einen Büffel in einiger Entfernung weiden. Die starken Büffelstiere lieben die Einsamkeit, sind aber durch ihre Wildheit um so gefährlicher, und durch ihre Schlauheit um so geschützter vor Angriffen. Ben und Harry machten ihren Angriffsplan, und ich erhielt den Auftrag, den Büffel immer im Gesichte zu behalten, dann verschwanden sie in der Prairie.

Die Minuten der Erwartung dehnten sich unendlich, aber doch hatte ich nicht das Gefühl der Vereinsamung, wie an den Ufern des Arkansas. Es lag dies nicht am Sonnenschein, an der Aufmerksamkeit auf den weidenden Büffel und der Anspannung der Nerven durch die Jagdlust – es mochte Alles etwas dazu beitragen, wie der regnerische Tag vielleicht meine Gemütsbewegung gesteigert hatte; die Hauptsache war: ich fühlte mich als ein neuer Mensch. Die ganze Natur sah mich mit andern Augen an, weil ich sie mit andern Augen betrachtete. Ich reflectirte über diese Veränderung in mir, ohne zum Bewußtsein derselben zu kommen, denn meine Aufmerksamkeit ward jetzt ganz von dem Büffel in Anspruch genommen. Er begann unruhig zu werden. Vielleicht war einer der Reiter auf hartem Boden geritten, und er hatte ihn gehört, denn noch sah ich keinen von Beiden. Er schaute sich unruhig um, und schien sich seiner Umgebung vergewissern zu wollen. Meine Aufregung steigerte sich; ich fühlte, daß sie sich meinem edlen Rosse mittheilte. Da sah ich Harry hinter dem Büffel erscheinen. Behutsam näherte er sich; vielleicht bis auf fünfzig Schritte ihm nahe gekommen, indem er sich bis auf den Hals des Pferdes niedergebeugt hatte, sprengte er in vollem Laufe auf das Thier los. Es war in demselben Augenblicke, wo ihn der Büffel bemerkt hatte. Dennoch war dieser überrascht und schien erst unschlüssig, ob er fliehen sollte oder nicht. Da warf er sich plötzlich herum und stürmte fort. Es sah höchst komisch aus, wie diese dunkle Masse sich durch das hohe Gras wälzte, denn von den Beinen sah ich nichts. Harry war ihm zur Seite, und ich bemerkte, wie er sich bemühte, ihm die Richtung seiner Flucht, nach unserm Lager zu, anzugeben. Es gelang. Fast Seite an Seite sprengten sie auf mich zu. Wieder ging es eine Welle hinauf. Mit einem Male überschlug sich der Büffel und kugelte herunter, war aber gleich wieder auf den Beinen, und weiter ging’s! Jetzt sah ich auch Ben von der Seite erscheinen. Harry mit dem Büffelstier war mir ziemlich nahe gekommen, ich konnte sehen, wie er den Lasso schwang, wie der Stier wieder stürzte. Meine Büchse hatte ich schon fertig gemacht. Da sah ich, wie Harry im Sattel wankte, als der Stier sich wieder aufrichtete und fortstürzte. Ich konnte leicht erkennen, daß wider Harrys Willen sich sein Lasso fest verschlungen und ihn mit dem Büffel verbunden hatte. Es blieb ihm nur die Wahl, den Lasso abzuschneiden oder durch die Wucht des riesigen Thieres mit fortgerissen zu werden, wenigstens hatte er jetzt die Herrschaft über dasselbe verloren, da er sich hüten mußte, sein Pferd zu nahe heranzutreiben, daß es nicht in den Lasso verwickelt wurde. So war die Thatsache. Ich aber sah nur, daß etwas nicht in der Ordnung sei, glaubte Harry in Gefahr und sprengte rücksichtslos dem Büffel entgegen. Eben richtete dieser sich von einem neuen Fall auf, als ich mit meinem Pferde fast gerade auf ihn lossprengte. Die blutunterlaufenen Augen des furchtbaren Thieres stierten mich an, mit wilder Wuth wollte es sich auf mich werfen. Mein Pferd wich dem mächtigen Stoße aus, und ich jagte dem Büffel meine Kugel durch das eine Auge in das Gehirn, daß er mitten in seinem Stoße zusammenbrach.

Harry, der wirklich den Lasso abgeschnitten hatte, kam in demselben Augenblicke angesprengt, und Ben folgte ihm. Harry war unzufrieden mit sich; er war Meister in der Kunst, den Lasso zu schwingen, und nur der Mangel an Uebung hatte ihn zu viel Kraft auf den zweiten Wurf verwenden lassen, sodaß er den Lasso sich zu fest umschlingen ließ, als daß er ihn schnell vom Büffel wieder lösen konnte.

Den Büffel mit dem Lasso zu fangen ist unmöglich„ weil dessen riesige Last Roß und Reiter zu Boden stürzt. Unser erlegter Stier wog seine 15 Centner, und eine solche Last vermag ein Lasso nicht zu halten, wohl aber dem Stier die Beine zu umschlingen, ihn zum Fallen zu bringen und so zu ermüden. Die Kunst des Lassowerfens besteht nun darin, den Büffel fallen zu lassen, ohne den Lasso fest zusammenzuziehen. Der auf diese Weise ermüdete Büffel ist leicht zum Schuß zu bringen, und zum Schuß muß er gebracht werden, weil er nur wenige tödtliche Stellen hat, und verwundet bald aus dem Gejagten der Jagende wird. Ein verwundeter Büffelstier ist fürchterlich, wie ich später erfahren sollte.

Harry vergaß seinen Unmuth über die Freude, daß ich das Thier erlegt hatte, und selbst Ben gab seinen Beifall zu erkennen. Sein erstes Geschäft war, den Stier abzuhäuten. Harry brachte seinen Lasso wieder in Ordnung, und ich wurde nach dem Lager geschickt, um einige Stricke zu holen, an denen wir Streifen von Büffelfleisch trocknen wollten. Ich ritt eiligst davon. Aber obgleich ich nur einige Minuten nach dem Lager hatte, war ich doch schon eine halbe Stunde geritten, ohne dasselbe erreicht zu haben. Hatte ich vorher auf keinen Weg geachtet, mir nur die Richtung gemerkt, so sah ich mich nun nach einem Wege um. Hin und her, die Kreuz und Quer liefen Spuren durch das Gras; aber welche in die Prairie, welche aus derselben führten, das wußte ich nicht. Ich sah mich um, ob ich nicht irgend ein Zeichen entdecken könnte – ich war verirrt! Das Einfachste wäre gewesen, wenn ich meine Büchse abgeschossen hätte, aber ich konnte berechnen, daß ich mindestens einige Meilen von meinen Gefährten mich entfernt hatte. Das Thörichtste wäre gewesen, wenn ich auf’s Gerathewohl hätte weiter reiten wollen. Ich sah nach meiner Uhr; es war neun Uhr. Vermittelst meines Kompasses ward es mir leicht, die Himmelsgegend zu bestimmen. Zum Glück erinnerte ich mich daran, nach welcher Seite der Schatten von Harry’s Pferde gefallen war und der meines Pferdes, als ich den Büffel beobachtete. Südlich von unserm Lager lag der Stier, ich war zu weit östlich geritten, Mußte also südwestlich zurückreiten. Mit dem Kompaß in der Hand wollte ich mich auf den Rückweg begeben, und als ich auf der Höhe einer Welle noch einmal umschaute, bemerkte ich hinter mir einen Reiter. Ich lud meine Büchse und erwartete seine Ankunft. Er mußte mich schon bemerkt haben, und trabte gerade auf mich zu. Eine wunderliche Figur bildete der Reiter. Ein langer, hagerer Mann, saß

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1859). Leipzig: Ernst Keil, 1859, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1859)_491.jpg&oldid=- (Version vom 23.11.2023)
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