Verschiedene: Die Gartenlaube (1863) | |
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eine diese Kundschafterinnen an unseren Oberst heran. „Dort bei der Farm liegt ein Soldat Eures Regiments erschossen. Der Farmer wird so eben deshalb dem Obergeneral vorgeführt.“ Fort brauste das Mannweib. Bald umstanden wir die Leiche. Es war Reich. Durch die Brust hindurch, unter dem Schulterblatt wieder heraus, war die tödtliche Kugel gegangen. Der Oberst strich sich den Bart: „verdammter Proviantmeister! – braver Soldat! – begrabt ihn in Ehren, den armen lustigen Burschen!“
Unter einer uralten Ceder wölbte sich bald der Hügel über den so jungen Sohn der Mutter, die früh oder spät alle ihre Kinder in ihrem Schooße sammelt. Die dreimalige Ehrensalve war verklungen. Traurig, manches Auge naß, traten wir, Todtengräber und Geleit, den Rückmarsch zum Gros des Regiments an. – Heute mir, morgen Dir!
Vor dem Obergeneral hatte der Farmer zur That sich bekannt. „Ich habe mein Eigenthum geschützt – ich habe keinen Soldaten erschossen, nur einen Dieb, wie die Gesetze es gestatten bei Nothwehr dem Bürger der Civilisation – ich war im Recht, gebt mir mein Recht!“ Das war die Rechtfertigung des Angeklagten. – „Macht mit ihm, was Ihr wollt!“ Das war sein Urtheil, dessen Vollstrecknug Fremont seinen Kundschaftern überließ.
Unserm Trauerzuge kam ihre Schaar, von der Farm her, entgegen, wir stumm, sie lärmend; in ihrer Mitte, die Arme auf den Rücken gebunden, verhöhnt, vermaledeit, von rohen Fäusten den wankenden Gang beschleunigt, ein bleicher Mann, neben ihm sein jammerndes, verzweifelndes Weib und seine beiden kleinen laut weinenden Kinder. Der wilde Haufe hatte lange geschwankt und gestritten, endlich sich entschieden. „Begrabt den Hund lebendig!“ Das war die Entscheidung, so theilten sie uns mit. Uns wendete sich das Herz in der Brust. Wir protestirten heftig dagegen. Höhnisches Lachen war ihre Entgegnung. Jubelnd ergriffen sie Hacke und Spaten, mit höllischem Triumphgeschrei begannen sie ihr scheußliches Werk. Angesichts des aufmarschirten Regiments hatten sie sein furchtbares Grab fast fertig. Da stürzte das Weib, während die Kinder den vor Entsetzen stier in die Grube starrenden Vater umklammerten, athemlosen Laufes zu unserem Obersten hin, warf sich auf die Kniee und rang flehend in herzbrechender Wehklage die Hände gegen ihn empor: „Rettet, o rettet, um Gottes Barmherzigkeit – Gnade! Gnade!“ Gott erbarmte sich ihrer Qual – eine tiefe Ohnmacht nahm ihr das Bewußtsein.
„Major Pokorny, ordnen Sie die Angelegenheit!“ befahl Oberst Wutschel.
In weiten Bogensätzen trug sein Roß den Major mitten in den Schwarm der Kundschafter, mit denen wir noch vergeblich capitulirten. „Was soll hier werden?“ herrschte er sie an.
Mit militärischem Gruß trat der Sprecher vor: „Dort liegt der begraben, den der Rebell hier erschoß – das hier ist sein Grab.“
„So fertigt ihn schnell ab mit Kugel oder Strick, verlängert seine Strafe nicht mit unnützer Unmenschlichkeit durch diese Vorbereitung, zu der es dann Zeit ist.“
„Hoho, Major! Kugel und Strick ist er nicht werth – lebendig soll er Erde kauen.“
„Solche Barbarei geschieht nicht, so lange mein Arm den Degen führt – ein Soldat mordet nicht und läßt nicht morden.“
„Der Oberbefehlshaber hat ihn uns überlassen – wir thun, was wir wollen.“
„Das nicht, so lange ich es hindern kann.“
Die Bande umringte das fertige Grab, der Sprecher ergriff das unglückliche Opfer an den zusammengeschnürten Händen und riß den Wehrlosen zur Grube.
„Schlagt an!“ tönte das Commandowort des Majors, und niemals schneller flogen unsere Büchsen an die Backe. „Wie ich gesagt, hängt oder erschießt ihn – wo nicht, so ist der Gefangene unter meiner Obhut – Widerstand, und ich lasse feuern!“ donnerte der Major. Die Kundschafter flüsterten unter einander, dann Murren, Geschrei, Flüche. Der Sprecher, ein riesiger Texaner, trat wieder vor: „wenn der verdammte Hund nicht unsere Strafe haben soll, so mag er laufen, wohin er will – mag er Euch selber erschießen!“ Damit schnitt er die Bande des Gefangenen durch und stieß ihn hart zwischen die Schulter. „Lauf zur Hölle!“ brüllte er und schritt hinweg, trotzig lachend in verbissener Wuth. Die Uebrigen folgten. Rasch waren sie im Walde verschwunden.
Vor der Front des Regiments stand nach kurzer Weile der Gefangene, umklammert von Weib und Kindern. Durch den Donner der Kanonen tönte die Stimme des Majors weithin schallend:. „Hier, Cameraden, steht der Mann, der Euern armen Proviantmeister erschossen hat. Obergeneral Fremont hat seine Strafe den Kundschaftern überlassen. In gräuelvoller Heidenweise wollten sie ihn lebendig begraben. Ich konnte das nicht dulden. Strick oder Kugel wollten sie nicht gegen ihn gebrauchen – sie haben ihn uns überlassen. Ist Einer unter Euch, der einen Schuß für ihn hat, so trete er vor!“
Wieder stürzte das Weib händeringend und um Gnade jammernd vor dem Pferde des Majors in die Kniee, mit ihr die Kinder.
Tiefste Stille lagerte über dem ganzen Regiment. Keiner trat vor.
Hart an den regungslosen Gefangenen hin, dessen Gesicht der Todesschweiß überperlte, ritt der Major und legte ihm die Hand auf die Schulter. Wohl erst diese Berührung brachte ihm die Sinne zurück – er zuckte zusammen. Das Blut strömte aus dem erbebenden Herzen wieder belebend durch seine Glieder, denn er hörte den Major sagen. „Ihr seid frei, Mann! hier findet sich kein Henker für Euch – geht – Gott vergebe Euch!“
„Hurrah! Hoch Major Pokorny!“ Die Stimme des Regiments übertönte mächtig hallend das Getöse der sich näher wälzenden Schlacht.
Als das achte Regiment unter siegahnendem Zujauchzen der Bevölkerung aus New-York ausrückte, erregte vor Allen ein Mann durch seine äußere Erscheinung fast bacchantischen Donnerjubel. Nicht gerade seine eigene Person zog Aller Blicke auf sich, er hatte wenig an sich, das dazu geeignet gewesen wäre; was ihn so hervorstechen ließ, war das, was er unter sich hatte, ein feuriger, glänzend schwarzer Hengst von edelstem Blut. Bäumen und furchtbare Sprünge und Sätze – so bewegte das prächtige Thier sich vorwärts. Alle seine Raserei aber konnte den marmorfesten Sitz seines Reiters nicht erschüttern, ließ dessen düsteres Auge nicht höher leuchten, veränderte keine Miene dieses finstern Bronzegesichts – wohin er wollte, gerade dahin sprang das schäumende gebändigte unbändige Roß; zornsprühend mußte es gehorchen dem Zugel in dieser Faust von Stahl. Der Name dieses Reiters, obschon nicht sein eigentlicher, charakterisirte dem deutschen Ohre schon diesen ehernen Mann: den Oberstlieutenant Stahel. Durch Sümpfe und Wälder, über die weiten Pußten seines Heimathlandes, durch die Brandungswogen der Schlachten hatte er bereits sein Roß getummelt, als der Magyar dem Habsburger den Handschuh hinwarf. So unerschütterlich fest aber, wie Stahel im Sattel saß, eben so fest saß in ihm selbst ein Leiden, so oft belächelt und bespöttelt, und dennoch eins der furchtbarsten Plagen des menschlichen Geschlechts: die Harpyie der Hypochondrie. „Post equitem sedet atra cura!“ Deshalb war er stets finster, in sich gekehrt, wortkarg, zum Zorn geneigt, kleinlich peinlich auch gegen kleinste Dienstversehen. Diese waren aber besonders häufig beim achten Regiment. Deutsche Freiwillige, mit wenigen Ausnahmen Repräsentanten der Intelligenz ihres Mutterlandes, nach dessen öfters noch nicht ganz klaren Begriffen nach Freiheit strebend, viele alte Volkskämpfer, fügten sie sich wohl willig und im Bedeutenden der nothwendigen militärischen Disciplin, achteten aber für unnütz, Soldatenzuchtjoch zu tragen. So oft Stahel und so gern er ihnen das Letztere auflegen wollte, es gelang ihm nicht, nicht einmal so weit, daß es nöthig gewesen wäre, es wieder abzuschütteln. Er war daher in fortwährendem Aerger über das zuchtlose Regiment, obschon er wieder mit Stolz und Begeisterung dessen sich bald und oft bewährende Tapferkeit pries. Sein Aerger, seine Hypochondrie blieb aber immer sein Sieger, und er rächte sich für diesen Aerger an dem Achten, wo er nur konnte, auch noch, als er, vom Obersten zum Brigadegeneral vorgerückt, nicht mehr so häufig in tägliche directeste Berührung mit ihm kam. Er hielt uns fortwährend in Athem. Wenn andere Regimenter Ruhe hatten, wir mußten gewiß Schanzen bauen oder exerciren. Wir waren Arrièregarde oder Avantgarde, gleichviel, Abends beim Lagern mußten wir die Vorposten beziehen. Der Deutsche verträgt Viel, er ist das so gewohnt, seine Geduld ist sprüchwörtlich, er macht aus der Noth eine Tugend, allem er ist eben so – erfinderisch.
Im October 1862 lag Stahel’s Brigade, das Achte darunter, bei Centreville, wir natürlich auf Vorposten. Wir waren abgelöst
Verschiedene: Die Gartenlaube (1863). Leipzig: Ernst Keil, 1863, Seite 746. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1863)_746.jpg&oldid=- (Version vom 6.10.2024)