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Seite:Die Gartenlaube (1864) 420.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

die Liebe als einen furor insanis, eine Wuth, eine Krankheit dar, wie eine Art Strafe der Venus, die, wie die Phädra klagt, ‚das innerste Mark ergreifend‘, ihre Verwüstungen anrichtet. Italiener in meinem ganzen Sein und Empfinden, hatte ich keine Ruhe, bis ich nach wenigen Monaten schon mit Nazarena, so hieß meine Geliebte, den kirchlichen Segen als Gatte erhielt.

Die Brüder, freie, aber arme Bauern, die nur einem Kloster einen mäßigen Zins entrichteten, waren mit der Partie nicht einverstanden, schmollten deshalb mit ihrem älteren Bruder, dem Geistlichen, und stellten sich erst zufrieden, als sie sich überzeugt hatten, daß ich nicht, wie der gesammte sicilische Adel, meine Aecker verpachtet hatte, sondern einen guten Theil derselben selbst bewirthschaftete, also gewissermaßen zu ihrem Stande gehörte.

Noch heute bebt jeder Nerv in mir, wenn ich an jene seligen ersten Monate meiner Ehe zurückdenke. Ich unterrichtete meine Nazarena. Frauen lernen zumeist mit dem Herzen. Sie haben Alles durch die Liebe, und ich war erstaunt, wie meine Gattin dasjenige, was ich ihr aus unsern Dichtern vorlas, schon in sich trug und ein Verständniß dafür gar nicht erst zu erschließen war. Das Kind wuchs in meinen Händen geistig und körperlich zu einer freien, edlen, hohen Gestalt empor; wie vom Kusse des Frühlings die Erde befruchtet schwillt und sprießt, so drängte sich in ihr geistige Blüthe auf Blüthe, körperlicher Reiz auf Reiz üppig hervor zu blendender und doch erwärmender Gluth und Pracht. Der Böse versucht uns gebrechliche Menschen in vielen Gestalten und auf mannigfachen Wegen, aber in keiner Weise leichter und gefährlicher, als durch die Eitelkeit. Es ließ mir keine Ruhe, ich mußte meinen Reichthum der Welt zeigen. Ich gab meine Güter in Pacht und verließ mit Nazarena die Insel, durchreiste mit ihr alle Residenzen Italiens, sog mit Entzücken die Huldigungen ein, die man ihr darbrachte, schwelgte in dem Neide derer, die sie bewunderten, setzte schließlich Paris in Aufruhr und verließ es erst, als ich zum ersten Male vernahm, daß ich nicht aus meiner Persönlichkeit heraus, sondern als Mann der schönen Frau bezeichnet wurde. Es war eine deutsche Baronin, die mich darüber in’s Klare brachte, eine Wienerin, die durch ihren Gatten der kaiserlichen Gesandtschaft angehörte. Sie war in Allem ein Seitenstück zu Nazarena, wenn man den Norden neben dem Süden darstellen will. Groß, schlank, blendend weiß, blond sah sie aus veilchenblauen Augen bald schmachtend, bald feurig, bald himmlisch unschuldig, bald so klug, daß ihr Blick bis in die Tiefen des Herzens ging. Es war die klügste Person, die mir in meinem Leben begegnet ist, und, fußend auf mein entzündliches Herz und die Vorliebe, die wir Südländer, schon des Gegensatzes wegen, für die Blondinen und das Schmachtende ihres ganzen Wesens haben, hinter dem sich freilich die heißeste Gluth verbirgt, schien sie es sich zur Aufgabe gemacht zu haben, die grandiose Sicilianerin vor den Augen aller Welt in ihrem heiligsten Besitzthum auszustechen und den Streit, der sich über die Vorzüge der beiden schönen Frauen in der Gesellschaft entsponnen hatte, praktisch zu lösen.

Glücklicher Weise, kann ich sagen, starb ihr Mann, und sie verließ Paris, um nach Wien zurückzukehren, als sie ihres Sieges schon halb sicher war. Die harmlose Nazarena hatte in ihrer Munterkeit und Reinheit keine Ahnungen von den inneren Schwankungen ihres Gatten, ja sie, der es gar nicht einfiel, geistig mit der hochgebildeten Baronin zu rivalisiren, freute sich unserer Unterhaltungen und ermunterte noch dazu, stolz auf ihren Mann und die Gewandtheit, die er entwickelte.

Mit der Abreise der Baronin trat meine Gattin immer mehr in den Vordergrund, und damit auch immer deutlicher der Umstand hervor, auf den jene mich aufmerksam gemacht hatte; ich war der Mann der schönen Gräfin so lange, bis ich eines Tages mit ihr nach einem der berühmtesten deutschen Bäder aufbrach und, wieder zu mir gekommen, ernstlich beschloß, ganz meiner Gattin zu leben.

Da faßte mich ein anderer Dämon: das Spiel.“

Das Gesicht des Mannes veränderte sich, ein Zug der Selbstverachtung flog darüber hin. „Lassen Sie mich kurz sein,“ fuhr er fort. „O Gott! wenn in dies kranke, gequälte Gehirn,“ rief er aus, „die Erinnerung daran zurückkehrt, wie ich Tausende auf Tausende verlor, wie ich spät Nachts, die bittersten Vorwürfe im Herzen, zur Frau zurückkehrte, wie sie dann wie ein Kind mich empfing, immer freudig, immer freundlich, wie sie sogar, als gälte es, mir eine herzliche Freude machen, alle Juwelen, die ich ihr geschenkt, hergab, um sie zu verkaufen und – o Gott! – zu verspielen.“

Der alte Herr litt sichtbar. Ich faßte seine Hand und sagte ihm einige beruhigende, aus seiner damaligen Jugend und Unerfahrenheit hergenommene entschuldigende Worte. Aber er zog seine Hand aus der meinigen, als wäre er der Berührung nicht werth, und rief schmerzlich: „Wenn ich jetzt auf meinem harten Lager zuweilen in heißem Gebet auf einen Augenblick Vergebung zu finden hoffe, dann tritt mir dies freundliche, liebevolle Gesicht mit den Juwelen entgegen, und ich bin vernichtet!“

„Ich hatte,“ fuhr er nach einer Pause fort, „meine Besitzungen verkaufen lassen müssen und noch so viel gerettet, daß ich einige Jahre bescheiden leben und vielleicht im Staatsdienst Anstellung und Unterhalt finden konnte. In höchster Verzweiflung entdeckte ich dies Alles meiner Frau. Da brach sie in lauten Jubel aus: ,Wir gehen also wieder nach Sicilien, in mein Vaterland, es wird sich doch eine Hütte für uns erwerben lassen; ich arbeite für Dich,‘ rief sie freudestrahlend, und indem sie mich halb verschämt mit dem schönsten Geständniß überraschte und mir in die Arme fiel, ,ich arbeite für ein Drittes! “

„Gott sei Dank!“ rief ich aus beklommener Brust, „Sie sind gerettet!“

„Auch ich glaubte es damals,“ fuhr er fort. „Mir lebte ein weitläufiger, aber wohlwollender Verwandter in einer der kleinen deutschen Residenzen als Gesandter. Er war der Mann, mich zu den diplomatischen Studien, von denen ich eine Zukunft erwartete, anzuleiten. Ich zog zu ihm und begann nach seinem Rathe in stiller Eingezogenheit die Lücken meines Wissens auszufüllen. Unglücklicher Weise wurde er schon nach wenigen Monaten zurückberufen, und nun nahm sich meiner vorzugsweise ein sehr unterrichteter Mann, ein französischer Gesandtsschaftssecretair, an, dem aus natürlicher Dankbarkeit auch meine Frau mit mehr Vertrauen als anderen Männern begegnete. Leider hatte das herrliche Kind eine große Freude an Überraschungen, und da in dem jungen Mann ein vortrefflicher Zeichner von uns erkannt war und sie bemerkt hatte, daß ich an seinen Zeichnungen großes Gefallen fand, war es ihr, wie ich dies gleich sagen will, obgleich ich erst nach Jahren darüber in’s Klare gelangte, in den Sinn gekommen, sich von ihm heimlich unterrichten zu lassen und mich dann mit ihren Werken, sobald sie nur einige Vollendung erlangt hätten, zu überraschen.

(Schluß folgt.)




Ein Besuch beim Altmeister Goethe in Weimar.
Von Ernst Förster.

Im Sommer 1824 war ich mit meinem Freunde Carl Hermann in Bonn beschäftigt, die Aula der Universität nach den Cartons von Cornelius in Fresco auszumalen. Es war die Zeit der Demagogenriecherei, welche die preußischen Gefängnisse bevölkerte. So wurde denn auch ich eines schönen Vormittags vom Malgerüste weg auf die Polizeidirection citirt und von da hinter Schloß und Riegel gebracht, weil ich, zu meiner nicht geringen Ueberraschung, Mitglied eines geheimen, hochverräterischen Bundes sein sollte. Einer der in Köpenik sitzenden Gefangenen, hieß es, habe mich denuncirt. Zum Glück konnte ich meine völlige Unschuld an dem mir angesonnenen Vergehen den Universitätsautoritäten alsbald darthun, so daß es dem berühmten Niebuhr in Verbindung mit dem Universitätscurator, Geh. Rath Rehfues, gelang, meine Befreiung beim königlichen Landrathe auszuwirken.

Meine Gefangenschaft war also eine sehr kurze, sollte mir aber auch anderweit zu Gute kommen. Als ich, schon am andern Morgen, wieder vor meiner nassen Kalkwand saß, empfing ich viele Besuche von Freunden und Fremden, unter andern auch von dem Professor d’Alton, dem geistvollen Kunsthistoriker. Ihm verdankte ich, als ich Bonn im Herbste 1825 verließ, um Cornelius nach

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 420. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_420.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)
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