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Seite:Die Gartenlaube (1864) 421.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1864)

Ein Besuch bei Goethe.
Originalzeichnung von Eugen Neureuther.

München zu folgen, und meinen Weg über Weimar wählte, was mir unschätzbar war – einen Empfehlungsbrief an Goethe. Das Gefühl, das mich einst nach der Schweiz und nach den Tyroler Alpen gezogen, durchdrang und durchzitterte mich mit ungleich heftigern Schlägen des Herzens, als ich das Papier in meiner Hand hatte, das mir den Weg öffnete zu der höchsten Geisteshöhe unserer Nation und Zeit. Denn ich gestehe, daß vor meinen Augen ein Mann, der mit solcher Uebermacht auf alle Kreise des Lebens und alle bedeutsamen Bestrebungen eingewirkt, mit einem mythologischen Zauber umgeben und mir stets unnahbar erschienen war. Obschon ich, meiner Gewohnheit gemäß, zu Fuß den Rhein hinauf durch Hessen und Thüringen wanderte und nicht mit Windeseile den Weg zurücklegte, war es mir doch, als hätt’ ich Flügel an den Fersen.

Am 5. November kam ich in Weimar an, meldete mich am 6. früh schriftlich und mit Übersendung des d’Alton’schen Briefes bei Goethe und erhielt die Einladung, um 12 Uhr bei ihm zu sein. Ich nahm eine von mir gefertigte Zeichnung nach dem Frescogemälde der Theologie, das ich mit Hermann und einem andern Schüler von Cornelius ausgeführt, zu mir und ging über die geweihete Schwelle.

Mit einer namenlosen Empfindung, gemischt aus höchster Freude und hochgesteigerter Angst, die selbst durch das „Salve“ des Eingangs nur wenig gemindert wurde, trat ich in das große

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 421. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_421.jpg&oldid=- (Version vom 7.7.2021)
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