verschiedene: Die Gartenlaube (1864) | |
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zur Mitte, wo die schwarze Farbe rein abgezirkelt aufhört; ein Haarbreit darüber zieht sich ein ganz schmaler schwarzer Ring um die Mitte der Perle, und der obere Theil ist völlig weiß. Man kann nichts Schöneres sehen als dies unschätzbare Juwel.“
„Und wer ist der Glückliche, der diesen einzigen Schatz besitzt?“ fragte die Marchesa.
„Seine Majestät der König von Frankreich,“ versetzte Kaunitz. „Ich habe die Perle gesehen, als ich zuletzt in Paris war, im Schatze des Königs.“
„In der That?“ fragte der Baron von Breteuil. „Ich muß bekennen, daß ich sie nie gesehen habe. Sahst Du sie je, Aimée,“ wandte er sich zu seiner Verwandten.
„Niemals, in der That,“ versetzte diese, „aber ich meine davon reden gehört zu haben.“
„Es ist eben ein neuer Beweis, wie Fremde an den Orten, die sie besuchen, immer mehr sehen als die Einheimischen!“ bemerkte der Baron von Breteuil.
„So vergessen Sie ja nicht, sie sich zeigen zu lassen, wenn Sie nach Paris heimkehren – sie ist in der That sehr schön,“ sagte Kaunitz.
„Und wie ist sie gefaßt?“
„Einfach als Tuchnadel.“
„Es muß einen großen Werth haben, dies Bijou, um das der allerchristlichste König zu beneiden ist,“ sagte die Marchesa mit einem leisen Seufzer der Begehrlichkeit; denn die Marchesa liebte leidenschaftlich Schmuck und Kleinode.
„Freilich, weil es einzig ist, ist es gar nicht zu schätzen, obwohl, was den allerchristlichsten König angeht, es fraglich bleibt, ob er selber um dieß Besitzthum weiß!“ fiel der Baron von Breteuil ein. „Wir haben so viel Derartiges im Kronschatze … wer kann wissen, was Alles da ist! Und ich für mein Theil muß gestehen, daß ich eine ganz weiße Perle von reinster Farbe einem solchen Naturspiel vorziehen würde.“
„Aber bedenken Sie, Baron, daß sie einzig ist, daß, wer sie besitzt, ein Kleinod hat, welches Niemand auf der Welt mit ihm theilt.“
„Und erhöht das die Freude an einem Besitzthum, meine gnädigste Marchesa?“ sagte Traun hier lächelnd.
„Nun gewiß,“ antwortete die Marchesa, „was man voraus hat, was man allein besitzt, was beneidet macht, hat doch mehr Werth als das, was Alle haben!“
„Freilich, die Frauen denken so,“ entgegnete Traun.
„Und mit Recht,“ fiel der Baron von Breteuil ein, „man schätzt den Menschen nach dem, was er vor Andern voraus hat.“
„Ich meine mehr nach dem, was er mit guten Menschen gemein hat,“ warf Graf Traun ein.
„Sie sind ein Philosoph, Graf Traun,“ sagte hier der König spöttisch … „denkt Ihr Attaché, Graf Kaunitz, auch so geläutert?“
„Majestät,“ versetzte Kaunitz, „sobald ich vor andern Sterblichen so viel voraus haben werde, wie Seine Excellenz der erlauchte Chef meiner Legation, der berühmte Feldherr Graf Traun, werde ich vielleicht einverstanden mit ihm sein. Bis dahin bin ich der Ansicht des Herrn Barons von Breteuil …“
„Und der meinigen, Graf Kaunitz,“ fiel die Marchesa ein, „ich danke Ihnen!“
„Nicht ganz der Ihrigen,“ fuhr Kaunitz fort. „Frauen wie die Marchesa von San Damiano erhielten von der Natur so viel voraus, durch das, was sie sind, daß sie die Auszeichnung nicht durch das, was sie haben, zu suchen brauchen!“
„Nun, wenn das ist,“ versetzte die Marchesa geschmeichelt und mit einer koketten Bewegung des Kopfes, „so will ich auch nicht mehr suchen eine schwarz-weiße Perle voraus zu haben … ich danke Ihnen für den Trost, den Sie mir geben, Graf Kaunitz; und darum reden wir nicht länger von der schwarz-weißen Perle.“
Als nach einer Weile der König die Tafel aufgehoben hatte und gleich darauf sich in seine Gemächer zurückzog, nahm Kaunitz eine Gelegenheit wahr, sich dem Baron von Breteuil zu nähern.
„Dürfte ich Sie um eine kleine Gefälligkeit bitten, Excellenz?“ sagte er.
„Und welche, lieber Graf? verfügen Sie über mich.“
„Ich habe einen Brief an meinen Schneider in Paris geschrieben, würden Sie erlauben, daß ich ihn dem Courier mitgebe, welchen Sie diese Nacht nach Paris absenden werden? Ich werde ihn ungesiegelt lassen, damit Sie sehen, er enthält keine Staatsgeheimnisse …“
„Dem Courier, den ich absenden werde?“
„Nun ja – noch diese Nacht! Verstellen Sie sich nicht, Excellenz!“
„Aber ich denke nicht daran. Woraus schließen Sie…“
„Daraus, daß Baron von Breteuil ein viel zu galanter Mann ist, die glänzende Gelegenheit vorübergehen zu lassen, welche ihm geboten wird, der Marquise von San Damiano den Hof zu machen. Halten Sie mich für einen so schlechten Diplomaten, um nicht bemerkt zu haben, wie sehr Ihnen die schöne Marchesa entgegenkommt, und um nicht den Verdacht zu haben, daß, wenn sie heute die Rede auf die berühmte Perle brachte … aber mein Gott, Sie verstehen mich ja, Excellenz!“
„Ich verstehe Sie durchaus nicht, Herr Graf!“
„Glauben Sie, die Marquise, welche sich auf Edelsteine und Schmuck wie ein Juwelier versteht, wüßte nicht, wo dies einzige Kleinod sich befindet? In der That, ich gratulire Ihnen, Herr Baron. Sie machen Riesenschritte an diesem Hofe, während man uns, fürchte ich, im Stillen für ein paar deutsche Professoren ansieht, die reden, ohne weiterzukommen.“
Der Baron lächelte geschmeichelt.
„Sie irren in Ihren Voraussetzungen, Graf Kaunitz,“ sagte er, „aber da das Schicksal will, daß wir hier Gegner sind, ist es nicht mein Interesse, Ihnen Ihre Irrthümer auszureden.“
„Und mein Brief?“
„Lassen Sie ihn immerhin in meiner Wohnung abgeben – wenn er bis zu meiner nächsten Couriersendung warten kann, das heißt eine ziemliche Anzahl Tage!“
„Ich danke für die Erlaubniß und bin über die schnelle Beförderung meines Briefes ganz beruhigt,“ versetzte lächelnd Graf Kaunitz und zog sich vom Baron Breteuil zurück, um draußen auf dem Corridor den Grafen Traun einzuholen.
„Excellenz,“ flüsterte er diesem zu, „ich bitte Sie, Befehle zu geben, daß sich sofort ein Courier bereit macht, nach Wien abzugehen.“
„Und wozu, lieber Kaunitz?“
„Um die schwarz-weiße Perle zu holen.“
„Die in Versailles ist … oder im Kronschatze zu Paris?“
„Es ist weder in Paris noch in Versailles eine solche; die einzige, welche existirt, ist im Schatze unserer Königin in Wien!“
„In Wien?“
„Pst! sprechen Sie nicht so laut, die Wände könnten Ohren haben.“
„Aber weshalb …“
„Lassen Sie mich machen, Excellenz … ich werde sofort die Depesche entwerfen, worin ich um diese Perle für unsere Zwecke bitte, und dann werde ich Eure Excellenz um Ihre Unterschrift ersuchen. Ich bitte nur, daß der Courier in aller Stille abgehe, während ich schon dafür sorgen werde, daß man erfährt, wie Baron Breteuil noch in dieser Nacht einen Courier nach Paris abgesandt habe, um sie holen zu lassen.“
„Ah, ich sehe, Sie wollen den Gedanken, den ich vorhin aussprach, verfolgen …“
„In der That,“ entgegnete Kaunitz, „der Baron von Breteuil malt sich schon den glücklichen Augenblick aus, wo er sich durch sie ruinirt …“
„Nun, Glück auf, ich werde für den Courier sorgen!“ erwiderte lächelnd Traun.
Der Sturm von Düppel stand bevor. Wir hatten die vielgenannte Büffelkoppel erreicht. Hier verließen wir die nicht minder oft erwähnte Sonderburger Chaussee und bogen rechts nach dem Wenningbunde ab, um bald vor einem wahren Chaos von Batterien und Blockhäusern, Magazinen und Feldküchen, kriegerischen Erdarbeiten und Belagerungsanstalten zu stehen, „Hier haben wir die Tranchéen,“ sagte ein uns geleitender preußischer Officier. Als er meine verblüffte Miene sah, fuhr er
verschiedene: Die Gartenlaube (1864). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1864, Seite 452. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1864)_452.jpg&oldid=- (Version vom 4.6.2023)