verschiedene: Die Gartenlaube (1865) | |
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Auch ein Festwort!
Wir bitten alle Leser der Gartenlaube, den nachstehenden Artikel nicht zu überschlagen, weil sie vielleicht etwas rein Technisches oder bereits mehrfach Besprochenes darin zu finden fürchten, sondern, wenn sie patriotischen Herzens sind, das Schicksal eines deutschen Mannes und einer deutschen Ehrensache an dieses Herz pochen zu lassen, damit es für Beide zu Theilnahme und That erwärme.
Die Hoffnung, daß die deutsche Erfindung der unterseeischen Schifffahrt vom Staate Preußen ausgeführt werde, ist nicht in Erfüllung gegangen; das verheißungsvolle Wort des königl. Kriegs- und Marine-Ministers, das er am 2. November 1864 an den Verfasser dieses Artikels gerichtet: „Uebrigens verkenne ich die in Ihrem gefälligen Schreiben hervorgehobene Wichtigkeit der Erfindungen des Herrn Bauer für das Marinewesen keineswegs, beabsichtige vielmehr von denselben für die preußische Marine denjenigen Gebrauch zu machen, der sich nach eingehender Prüfung als nützlich erweisen wird, und zweifle nicht über die dazu erforderlichen Fonds seiner Zeit verfügen zu können“ – ist ohne Folge geblieben – trotz der einstimmig günstigen Urtheile, welche sowohl die Fachmännercommissionen in Leipzig, Dresden und Breslau, als die vom Kriegs- und Marine-Ministerium aufgestellten Prüfungskommissionen in Berlin und Danzig über dieselben aussprachen. Wieder ist ein Jahr verloren für die Erfindung und für den Erfinder, dessen Gesundheit sogar unter den fortgesetzt niederdrückenden Erfahrungen zu leiden beginnt.
Von ministerieller Seite wurde allerdings im Landtage auf eine Interpellation hinsichtlich der Bauer’schen Erfindung erklärt, daß sie nicht zurückgewiesen sei. So ist es auch wörtlich; sachlich ist es so: Zu den Commissionssitzungen zur Prüfung der Erfindung, namentlich des Küstenbranders, der neuen für denselben bestimmten Motionsmaschine und eines rückstoßfreien Geschützes, waren vorn Kriegs- und Marine-Ministerium nur Officiere von der Marine, der Artillerie und dem Genie beordert, nicht auch die Herren Marine-Räthe. Den Officieren, welchen Bauer mündlich Vortrag hielt und Zeichnungen und Modelle erklärte, war nicht nur Alles klar, sie gestanden als ebenso hochgebildete wie redliche Männer ihr freudiges Erstaunen über die Sinnigkeit, Großartigkeit und Wichtigkeit der Erfindung ein und empfahlen der Regierung zunächst die Erprobung des Geschützes und der Maschine, deren Kosten sie zu nicht ganz fünftausend Thalern veranschlagten. Bauers unterseeisches Schiff selbst bedarf keiner Erprobung mehr, es ist hinlänglich erprobt hinsichtlich seiner Fähigkeit, beliebig zu sinken, zu steigen, zu wenden und zu incliniren; nur die Fortbewegung durch Menschenkraft war ungenügend, und diese sollte eben durch die neue Motionsmaschine zu einer selbst die Dampfkraft übersteigenden Vervollkommnung gebracht werden. So verhielten sich die Officiere zu der Erfindung. Anders die Herren Marine-Räthe, welche dieselbe nach dem Referat der Commission und der schriftlichen Darstellung Bauer’s prüften. Sie vermißten an der Erklärung der Erfindung Verständlichkeit und Präcision, fanden darin zu viel Problematisches und verlangten von Bauer eine wissenschaftlichere Darstellung. Man kann dieses Verlangen vom Standpunkt gewissenhafter Staatsdiener gerechtfertigt finden. Allein Bauer, der geniale Erfinder, ist ein Mann der Ausführung, der That, kein Mann, von dem man, trotz seines reichen, schwer errungenen Wissens, die Ausarbeitung streng wissenschaftlicher Abhandlungen verlangen sollte. Dazu fehlt es doch in Preußen nicht an Gelehrten, die man hätte beauftragen können, sich mit dem Erfinder zu diesem Behufe in Verbindung zu setzen. Statt dessen überließ man ihm diese Sorge allein, während man ihm zugleich die Remuneration, mit welcher man ihn einige Monate unterstützt hatte, und damit die Mittel entzog, eine solche, wegen dazu nothwendiger Experimente und zahlreicher Berechnungen sehr zeitraubende Arbeit auf eigene Faust durchzuführen, ohne wieder auf die dort so sehr mißliebige nationale Unterstützung angewiesen zu sein. – Von einer solchen Behörde konnte Bauer für die Ausführung der Submarine nichts mehr hoffen.
Desto mehr aber von dem Volke dieses Staats, mit dessen Geldbeutel die Erfindung in innigster Beziehung steht.
Es sind von der preußischen Regierung Millionen beansprucht worden zur Anschaffung einer starken Panzerflotte. Haben die Panzerschiffe sich wirklich schon so bewährt, daß eine Verwendung so großer Summen für sie gerechtfertigt ist? Die Stimmen englischer Marineofficiere bestreiten das. Sie sprechen es ohne Vorhalt aus, daß in England die schöne Summe von fünfundsechszig Millionen Pfund für Panzerschiffe verschwendet worden sei. Sie sagen von ihren dermaligen Schiffen selbst, daß sie so geschwind wie die Schweine schwämmen und vortreffliche Taucher seien, nur mit dem Unterschied, daß sie, wenn einmal drunten, nicht wieder heraufkämen. In Frankreich hat man ohne Zweifel dieselben Erfahrungen gemacht, muß jedoch darüber schweigen. Daß man aber in England wie in Frankreich mit der größten Zuvorkommenheit für deutsche Regierungen so viele Panzerschiffe baut, als diese nur wünschen, ist nicht schwer einzusehen, denn je mehr wir für Marinezwecke Summen vergeuden, desto freundlicher sind unsere Nachbarn.
Eben deshalb muß es gerade dem preußischen Volke, dem diese Panzerbeglückung am stärksten droht, vom höchsten Interesse sein, sich von dem Experiment zu überzeugen, daß Bauer mittelst seines rückstoßfreien Geschützes, welches zur Ausrüstung seines unterseeischen Kriegsschiffs, des Küstenbranders, gehört, die stärksten Panzerplatten durchschießt. Mit einer einzigen solchen unterseeisch durchschossenen Panzerplatte in der Hand kann die Volksvertretung dem Staate Millionen ersparen – Millionen, die für das trügerische Wagniß flüssig gemacht werden sollen, während der Bauer’schen Erfindung gegenüber der deutsche Staat der Intelligenz erklärt: „daß er für Experimente kein Geld habe!“
In diesen paar Worten ist ein großes Stück unsres deutschen Jammers ausgedrückt. „Der Staat hat kein Geld für Experimente!“ Was sagt England, Frankreich, Nordamerika, was sagt Italien und Rußland dazu? Wo wäre deren Größe, wenn sie selbst auf solche Weise sich zur ewigen Nachahmung und zum Nachmachen des auswärts Erprobten (und natürlich dann auch zumeist Ausgebeuteten) verurtheilt hätten! – Wer fragt nun noch, was unsere größten Erfindungen erst in’s Ausland getrieben hat und warum gerade darin unsere Abhängigkeit vom Ausland kein Ende findet? Das Dampfschiff, der Telegraph, die Schiffsschraube – wir mußten es als Fremdes zu uns hereinziehen, wo es seinen ersten Ursprung gehabt, und kaum ist die Schnellpresse diesem Schicksal entgangen, und wahrlich nicht durch irgend eine Regierungssorge, sondern einzig und allein durch die deutsche Bürgertüchtigkeit.
An diese appelliren wir auch abermals für unsern Wilhelm Bauer und seine großen und wichtigen Erfindungen. – Und weil es der tüchtige Bürger vor Allem ist, der Wahrheit verlangt und Wahrheit verträgt, so darf unserer Bitte ohne Befürchtung vor nachtheiliger Wirkung das Folgende vorausgehen.
Wenn wir recht klar erkennen wollen, warum Erfinder einen so schweren Stand in Deutschland haben, so müssen wir Vergleiche mit Nationen ziehen, mit denen wir auf gleicher Höhe der Cultur stehen: mit Nordamerika, England und Frankreich. – In den beiden ersten Staaten nimmt die Nation sich sofort jeder großen Erfindung an, in letzterem die Regierung. Dies Alles geschieht rein im nationalen Interesse, aus Einsicht in die kulturhistorische Tragweite großer Erfindungen und kluger Rücksicht aus Vermehrung des Nationalcapitals. Man betrachte die Opfer, welche das Volk der nordamerikanischen Union während seines Bürgerkriegs für neue Erfindungen brachte; sie sind nicht geringer, als die, welche der Krieg selbst kostete, aber sie sind der bleibende und wachsende Segen desselben. Nicht blos neue furchtbare Kriegswaffen schuf der Erfindungsgeist, sondern auch neue Kräfte für die Industrie und Landwirthschaft, die für die ihr durch den Krieg entzogenen Männerarme Maschinen verlangte, mit der auch Kinder und Greise die nothwendige Arbeit vernichten konnten. Wie hoch England in dieser Hinsicht dasteht, braucht man Niemandem zu sagen. Und sinnt man in beiden Staaten zuerst auf die Ausbeute neuer Erfindungen zum eigenen Vortheil, so hat uns Frankreich das Beispiel gegeben, wie der Staat bedeutende Erfindungen an sich kauft, die Erfinder würdig belohnt und den neuen Culturfortschritt, der durch sie errungen ist, durch Veröffentlichung zum Gemeingut der eigenen Nation wie aller anderen zugleich macht. Wir erinnern
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_478.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)