verschiedene: Die Gartenlaube (1865) | |
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No. 31. | 1865. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen.
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(Schluß.)
Der Zucker-Toni war schon über vierzehn Tage im Grabe. Die Krankheil, an welcher er so plötzlich gestorben war, hatte der Chirurg Weißbart, der die Todtenschau im Namen des Gerichtes vorgenommen, als Nervenschlag bezeichnet. Dieser Todesfall war aber gegen alle Erwartung ohne die Folgen geblieben, auf welche Leonhard so siegesgewiß gerechnet und welche der Stegwirth als seinen Untergang gefürchtet hatte.
Die alle Muhme nämlich, welcher das ganze Erbe des kleinen Knaben anheimgefallen, war durch allerhand Vorkommnisse im Schooße ihrer Familie plötzlich gehindert, das Stegwirthshaus, ihrem Wunsche gemäß, zu übernehmen, und hatte deshalb gleich am Begräbnißtage dem Stegwirth aus eigenem Antrieb den Vorschlag gemacht, das ganze Besitzthum unter sehr billigen Bedingungen käuflich an sich zu bringen. Der Haufen der Sparpfennige, welche der Stegwirth seit zwei Jahren erübrigt hatte, war nicht groß und hätte bei weitem nicht hingereicht, den Kauf zu realisiren, wenn der Stegbauer, sonst nicht eben als hochherzig bekannt, seinen Säckel nicht aufgethan und tief hineingegriffen hätte, um sich seinen Schwiegersohn zu erhalten.
So war der Stegwirth durch ein Unglück, vor dem er Tag und Nacht gezittert, aus einem provisorischen Dasein herausgekommen und ein unabsetzbarer Besitzer geworden. Da aber hatte er auch nicht mehr länger gesäumt, Hochzeit zu machen, um dem tückischen Schicksal keine Zeit mehr zu lassen, ihm von irgend einer Seite ein neues Hinderniß der Arrondirung auf den Weg zu wälzen. Am nächstfolgenden Sonntag nach dem Himmelfahrtsfeste ging schon die kirchliche Trauung des Stegwirths und Brigitta’s vor sich. Ein großartiges Hochzeitsmahl schloß sich derselben unmittelbar an, zu welchem der Bräutigam die zahlreiche Verwandtschaft und mit einer sein Geschäft berücksichtigenden Noblesse alle ansehnlichen Stammgäste und Kunden eingeladen hatte.
Im Gebirge sind Hochzeiten allgemeine Volksfeste, an welchen sich alle Welt von nah und fern zu betheiligen pflegt. Je angesehener das Brautpaar ist, desto größer der Zudrang. An dem heutigen Tage war daher eine solche Menschenmasse zusammengeströmt, wie man es bei einer gleichen Veranlassung seit Jahren nicht mehr gesehen hatte. Das Wirthshaus und alle Plätze im Freien waren von Gästen vollgepfropft, von welchen die Mehrzahl den Tanz, diesen Glanz- und Gipfelpunkt eines solchen Festes, ungeduldig erwartete.
Der Abend war schon da, als die Musik nach beendigter Tafel endlich beginnen durfte. Es wurde auf drei verschiedenen Plätzen getanzt, im Vorhause, im kleinen Saal, die im oberen Stockwerk gelegen waren, und unten zu ebener Erde in einem sehr geräumigen Local, welches auch den Namen seiner ursprünglichen Bestimmung, der Hochzeitssaal, führte. Es verstand sich von selbst, daß sich in diesem letzteren das Hochzeitspaar und die vornehmere Welt beim Tanz belustigte und herumtummelte.
Der Stegwirth war äußerst lustig, voll einer ausgelassenen Freude, welche man gar nie an ihm gekannt hatte und die beinahe mit der frischen Trauer, welche er im Herzen trug, nicht so recht vereinbar schien. Auch Brigitta war von einer außerordentlichen Fröhlichkeit und konnte die Ausbrüche ihrer Freude kaum bändigen, daß sie ihr Ideal erreicht hatte und eine Wirthin geworden war.
Nicht minder lebhaft und fröhlich, als im Tanzsaal, ging es in der anstoßenden Stube her. Hier war großes Geräusch, überlautes Lachen, viel Gezänk, unerträgliche Schwüle und ein undurchdringlicher Tabaksqualm. Um die Hochzeitstafel herum, die in der Mitte stand, waren die zahlreichen Tische von einem gemischten Publicum, meist von Burgsauern, besetzt. Jeder saß da, wo er beim Kommen Platz gefunden hatte.
Nur ein größerer Tisch machte eine Ausnahme. Um diesen saßen die Honoratioren herum, der Herr Pfarrer mit dem Caplan, mehrere Verwaltungsbeamte in fürstlichen Diensten, der Chirurg Weißbart und sogar Grüneisen mit dem unvermeidlichen Corporalstocke. Am Nachbartische befand sich ein vollständig obscures Publicum, bis auf drei Personen, den Dorfmaler Peter Auringer, vulgo Schmierpeter genannt, den alten Balthasar und den Ortskrämer Staubmann.
Auf Mitternacht war es nicht mehr weit. Der alte Balthasar, kein Freund geselliger Unterhaltung, hatte dem Stegwirth die Ehre anthun müssen und es hatte ihn viel Ueberwindung gekostet, so lange auszuharren. Eben war er endlich im Begriffe zu gehen, als ihn ein am Honoratiorentische begonnenes Gespräch von Neuem an seinen Stuhl fesselte.
„Daß aber der Förster noch immer nicht kommt!“ rief der Caplan. „Da geben Sie Acht, da ist Etwas passirt!“
„Jetzt glaub’ ich es selbst,“ versetzte Weißbart. „Der bleibt bei einer Lustbarkeit ohne Ursache nicht aus, am wenigsten heute. Um zwei, drei Uhr sollte er schon zurückgekommen sein. Leicht möglich, daß einem der fremden Herren ein Unglück zugestoßen ist!“
„Nichts leichter!“ sagte der Rentbeamte. „Ich war auf der
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 481. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_481.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)