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Seite:Die Gartenlaube (1865) 529.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

No. 34. 1865.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.

Wöchentlich 11/2 bis 2 Bogen. Durch alle Buchhandlungen und Postämter vierteljährlich für 15 Ngr. zu beziehen.


Studentenliebe.
Von Roderich Benedix.[1]


Konrad an Amalie.
Mein theures Mädchen!

Nachdem ich in meiner neuen Heimath angekommen bin, ist es mein Erstes Dir zu schreiben. Wie schmerzlich mir die Trennung von Dir geworden, hast Du wohl in den Thränen bemerkt, die ich nicht zurückhalten konnte. Ich schämte mich deren und riß mich rasch von Dir los; jetzt thut mir das Leid, denn auch dem Manne gab die Natur die Eigenschaft zu weinen. Und war denn nicht unsere Trennung eine sehr schmerzliche? Ich habe keine Lustreise angetreten, von der ich bald zurückkehren werde, ich bin hierher gekommen, um mir mein Loos zu gründen, und voraussichtlich werden Jahre vergehen, ehe ich so weit bin, zu sagen: „Komm, Amalie, theile mein Loos, ziehe zu mir in das Haus, das ich uns gebaut habe.“ Das Schicksal theilt seine Gaben verschieden aus. Manchen ebnet es die Wege mit freigebiger Hand, sie brauchen nur zuzugreifen, um Alles zu haben, was ihr Herz begehrt; Anderen weist es einen schweren Weg an, sie müssen mühsam wandern und viele Hindernisse wegräumen, ehe sie zu ihrem Ziele gelangen. Die Ersteren, welche die Welt die Glücklichen nennt, werden vielfach beneidet. Ich kenne solchen Neid nicht. Mir scheint, als hätte man weniger Freude an dem, was man so halb umsonst bekommt, als an dem, was man sich durch eigene Kraft und Mühe erwirbt. Ich meine auch, es müsse sich behaglicher in dem Hause wohnen, das man sich selbst erbaut, als in dem, das man ererbt hat. Ich meine auch, in dem Selbstbewußtsein, daß man Alles seiner eigenen Kraft, seinem eigenen Fleiße verdanke, liege eine Bedingung des wahren Glückes. Und bin ich auch in trauriger Stimmung von Dir geschieden, so bin ich doch nicht niedergedrückt, im Gegentheile fühle ich Muth und Kraft in mir, frisch an die Aufgabe meines Lebens zu gehen. Was meinen Muth und meine Kraft erhöht, ist der Gedanke, daß ich nicht für mich allein arbeite, sondern für Dich mit. Ich kann mir ja meine Zukunft nicht ohne Dich denken. Mit Dir aber erscheint sie mir im rosigsten Lichte. So laß uns denn mit vollem Vertrauen dem entgegensehen, was das Schicksal uns beschieden hat. Unser Glück liegt in uns selbst. Bewahre mir Deine Liebe und Treue, so wie ich nichts Anderes denke, als Dich; und je länger wir auf unsere Vereinigung warten müssen, desto süßer wird sie sein, haben wir sie erreicht. – Vielleicht kommt Dir der Ton meines Briefes etwas kühl und gemessen vor, vielleicht hast Du Klagen über den Schmerz der Trennung, feurige Versicherungen meiner Liebe erwartet. Allein Klagen halte ich für unmännlich, und der Versicherungen bedarfst Du nicht. Wenn Du von meiner Liebe nicht fest überzeugt bist, werden Dir auch die glühendsten Versicherungen diese Ueberzeugung nicht geben. Vielleicht ist meine Liebe darum desto echter und dauernder, je weniger sie leidenschaftlich sich äußert. Ich habe die Bemerkung gemacht, daß die aufloderndste Leidenschaft am raschesten sich abkühlte. Grüße Deine gute Mutter herzlich von mir und laß mich bald wissen, wie es Dir geht.   Mit Herz und Seele

Dein Konrad.


Amalie an Konrad.
Mein geliebter Freund!

Du hast Recht, es bedarf keiner feurigen Versicherung Deinerseits, um mich an Deine Liebe glauben zu lassen. Mein Vertrauen auf Dich ist felsenfest, und wie ich fühle, daß ich Dich nie vergessen kann, so weiß ich auch, daß Du mir treu bleiben wirst.

Ich habe die Ankunft Deines ersten Briefes recht sehnsüchtig erwartet. Obschon wir seit Monaten auf unsere Trennung vorbereitet waren, obschon wir dieselbe oft genug besprochen hatten, so traf mich der Schmerz, Dich auf so lange Zeit entbehren zu müssen, doch recht hart. Der Tag nach Deiner Abreise war ein gar trüber. Von Zeitzu Zeit tropfte eine Thräne auf meine Arbeit und oft sah ich unwillkürlich nach der Thür, als müßtest Du eintreten. Es wollte mir gar nicht zu Sinne, daß Du den ganzen Tag, ach viele, viele Tage nicht kommen würdest. Doch Du hast mir einst gesagt, daß man am besten einen Schmerz ertrüge, wenn man sich von der Nothwendigkeit desselben überzeuge, und an diesem Gedanken habe ich gesucht mich aufzurichten. Freilich wird die Zeit unserer Trennung eine recht traurige für mich sein. Dich beschäftigt und zerstreut Deine Arbeit, Deine Gedanken werden von mir abgezogen; anders ist es bei mir. Meine Arbeit gestattet mir fort und fort an Dich zu denken, und so werde ich meine Sehnsucht nach Dir selbst immer nähren. Doch bin ich nicht undankbar? Ist es nicht schon Glück an Dich denken zu können? Ja, ich will die Erinnerung an die Vergangenheit immer in mir wach rufen und mich an ihr erfreuen. Wie lebhaft steht der Auftritt vor meiner Seele, wie ich Dich kennen lernte, wie Du mir männlich zu Hülfe eiltest, als zwei halbtrunkene Menschen mich anfielen und mir Gefahr drohten, wie Du sie

  1. Mit ausdrücklicher Genehmigung des Verfassers dessen so eben erschienenem „Briefsteller für Liebende“ entnommen, einer Sammlung ganz allerliebster Novelletten in Briefform.
    D. Red.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 529. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_529.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)
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