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Seite:Die Gartenlaube (1865) 530.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865)

zwangst zu fliehen und mich dann nach meiner Wohnung geleitetest. Am andern Tage kamst Du zu uns und frugst, ob mir der Schreck nicht geschadet hätte. Und als Du erfuhrst, daß mein Vater ein Freund des Deinigen gewesen, daß er, ein tüchtiger Gelehrter, zu früh gestorben und seine Wittwe und Tochter in nicht glänzenden Verhältnissen zurückgelassen hatte, daß Beide in stiller Zurückgezogenheit lebten: wie freundlich batest Du unsere Einsamkeit zuweilen durch Deinen Besuch unterbrechen zu dürfen! Mein lieber, lieber Konrad, Du warst mir, als ich Dich zuerst sah, wie ein rettender Engel erschienen, und so oft Du nun wieder kamst, begrüßte ich Dich mit derselben Freude. Warst Du doch der einzige Freund zweier einsamen Frauen, und der einzige Lichtblick in ihrem Leben waren Deine Besuche. Als ich dann merkte, daß Du öfter und öfter kamst und daß Du anfingst mich zu lieben – ach Konrad, welche Seligkeit mich damals erfüllte, kannst Du nicht glauben. Sieh, mein Freund, an diesen freundlichen Bildern ergötzte ich mich in meiner Einsamkeit und werde mich daran ergötzen, so lange wir getrennt sind, denn an sie zu denken, sie mir immer und immer wieder auszumalen, werde ich nicht müde. – Doch ich habe wohl schon zu viel geschrieben und es ist Zeit, daß ich aufhöre. Meine gute Mutter läßt Deine Grüße herzlichst erwidern.

So lebe denn wohl, mein lieber, lieber Freund, und denke zuweilen an Dein treues Mädchen

Amalie.




Konrad an Amalie.
Mein liebes, gutes, mein herziges Mädchen!

Dank, tausend Dank für Deinen lieben Brief. Ich will Dir nur gestehen, daß meine Stimmung, als ich Dir zum ersten Male von hier schrieb, eine recht gedrückte war und daß ich einen gewissen Unmuth nicht bekämpfen konnte. Dein Schreiben hat mich merkwürdig belebt. Weiß ich doch, daß Du, mein Mädchen, mir lebst und mein gedenkst in treuer Liebe und daß Deine Wünsche und Gedanken mich umschweben. Ja, mein süßes Kind, auch ich rufe mir die Bilder der Vergangenheit in’s Gedächtniß zurück und oft des Abends in stiller Stunde schlage ich mir die Gedanken an meine Rechtsfälle aus dem Kopfe und träume halb wachend von Dir. Sind es doch schöne Träume! Wie ich Dich von Tage zu Tage lieber gewann, wie ich Dich dann fragte, ob Du mich lieben könntest, und Du mit verschämten Wangen ein leises Ja antwortetest und doch gleich Dein liebes Auge aufschlugst und mich so treu anblicktest, daß ich meinte in den Himmel zu schauen! Deine gute Mutter schüttelte anfangs den Kopf und meinte: es schlüge nie gut aus, wenn ein Mädchen einen Studenten liebe, es dauere gar zu lange, ehe ein solches Verhältniß zu einem gedeihlichen Ende kommen könne, und mittlerweile gingen meistens Liebe und Treue verloren. Sie mag Recht haben, daß oft flüchtige Neigung zwei junge Leute zusammenführt, die dann nicht aushält im Kampfe des Lebens, und daß solche Verhältnisse sich öfter lösen, als bestehen. Uns aber, meine süße Amalie, führte ja keine flüchtige Neigung zusammen, nein die innigste, wahrste Liebe war es, die uns verband. Und so ist es vielleicht gut, daß wir uns trennen mußten. Wir haben eine Prüfungszeit gewonnen. Könnten wir aufhören uns zu lieben, nun, so wäre zwischen uns nur eine vorübergehende Neigung gewesen und es wäre kein Schade, wenn diese durch die Zeit sich verflüchtigte. Dauert aber unsere Liebe über die Trennung hinaus, so hat sie sich bewährt und ist uns ein sicheres Pfand unseres ganzen Lebensglücks. Sieh, mein süßes Herz, so meint es das Schicksal doch eigentlich gut mit uns. Zuweilen hat mich auch die Unzufriedenheit beschlichen, daß ich arm bin, daß mein Vermögen gerade so groß, oder richtiger gesagt, gerade so klein war, daß ich zur Noth meine Studien beendigen konnte. Zuweilen habe ich auch gewünscht reich zu sein. nur um Dich schmücken zu können mit dem, was das Leben Schönes bietet. Aber ich war undankbar. Das Geschick versagte mir irdische Güter und gab mir dagegen Dich mit Deinem schönen, edlen Herzen. Für welchen Haufen von Gold möchte ich denn Dich vertauschen? O wie lebhaft trittst Du mir jetzt vor die Seele! Ich sehe Dich leibhaftig vor mir. Da sitzest Du in Deinem Lehnstuhl, Deine Arbeit ruht Dir im Schooße, Du wendest das Auge träumerisch gen Himmel, wo eben die scheidende Sonne den Saum der Wolken vergoldet, und Dein Gedanke weilt bei mir. So ist es. so muß es sein, jetzt eben sein. – – Bis hierbei hatte ich geschrieben, als mich der Gedanke an Dich so übermannte, daß ich die Feder wegwarf und hinauslief in’s Freie. Da, beim Anblick der scheidenden Sonne, als der glühende Purpur der Wolken den Abendhimmel erfüllte, als das herrliche Farbenspiel in ruhigem Wechsel erschien, meinte ich die Zukunft vor mir zu sehen, so rosig und golden wie der Himmel, und es war mir, als grüße mich Dein liebes Auge von da oben, und ich blieb stehen und lauschte, als müsse ich Deine süße Stimme vernehmen. Dann kehrte ich langsam heim und nun schließe ich diesen Brief mit einem herzlichen „Gute Nacht“. Schlafe ruhig und träume süß. Wenn der Gott des Traumes mir günstig ist, dann träume von

Deinem treuen  
Konrad.




Konrad an Amalie.
Mein süßes Leben!

Heute sind es zwei Jahre, daß ich von Dir wegreiste, zwei Jahre, in denen ich Dich nicht geseben, den Ton Deiner Stimme nicht gehört habe. Wenn ich zurückblicke auf diese lange Zeit, so möchte ich die Frage an das Schicksal richten: warum sind diese Jahre für mein Glück verloren gewesen? Ist denn das Menschenleben so lang, daß man zwei Jahre davon ohne weiteres entbehren kann? Wie doch der Mensch so seltsam ist! Habe ich nicht früher gemeint, die lange Trennung sei ein freundliches Geschick, durch welche unsere Liebe sich stählen solle in Sehnsucht und Entbehren? So wechselt der Mensch seine Stimmungen. Eins nur wechselt nicht, unsere Liebe, Amalie. Sie trotzt der Zeit und erhält sich frisch und lebendig. Und doch beschlich mich der Unmuth, als ich nachrechnete und fand zwei Jahre Trennung. Nicht meinetwegen, Amalie, ich bin ein Mann und muß tragen und kämpfen können! Aber Deinetwegen. Dein Leben ist so einförmig, Dir spinnt sich ein Tag ab wie der andere, keine Abwechslung, keine Zerstreuung, keine Freude tritt an Dich heran. Wahrhaftig, wenn ich zuweilen eine Einladung erhalte, die ich nicht ablehnen kann, so ist mir als beginge ich ein Unrecht, daß ich einige Stunden in Gesellschaft verbringe, während ich Dich einsam zu Hause weiß. Oft habe ich mir schon vorgenommen, mich ganz zurückzuziehen, aber ich darf es nicht. Abgesehen davon, daß ich Manchen vor den Kopf stoßen würde, der mir wohl will, so hasse ich nichts so sehr, als den Schein eines Sonderlings. Aber ich kann Dir versichern, wenn ich mich der Gesellschaft auch einmal hingebe, wenn das Gespräch mich anregt und ich lebhaft Theil nehme, so fällst Du mir plötzlich ein in Deinem einsamen Stübchen und mir wird so weh um’s Herz, daß ich aufspringen und hinauslaufen möchte. Wie, wirst Du sagen, klagst Du? Ach ja, ich klage, laß mich einmal klagen. Daß mir die Trennung schmerzlich, warum soll ich es nicht gestehen? Wo ist denn geschrieben, daß man stumm und ruhig Alles ertragen müsse, daß man seinem Schmerze nicht Worte geben dürfe? Und warum soll ich Dir es verbergen, daß meine Sehnsucht nach Dir täglich größer wird und ich es kaum noch überwinde von Dir getrennt zu sein? Mir sind schon manches Mal tolle Gedanken durch den Kopf geschossen. Wegwerfen wollte ich meine Studien, eine andere Laufbahn anfangen, die mich rascher zum Ziele, zu Dir führt. Jahre lang muß man lernen und sich vorbereiten, will man dem Staate dienen, und wie spät und wie karg lohnt dieser unsere Dienste! Wird denn in der Welt nicht endlich einmal das wahre Verdienst belohnt? Denke an Dich selbst. Dein Vater war Gelehrter, der unendlich viel Gutes gewirkt hat, und wie ist er belohnt worden? Eine karge Pension schützt Dich und Deine Mutter eben vor dem Hungertode und der Fleiß Deiner Hände darf nie ermüden, soll Deine Mutter nicht die kleinen, gewohnten Bequemlichkeiten entbehren. Mein Vater war ein tüchtiger Arzt, der Trost und Hülfe an manches Krankenbett gebracht, der mancher Familie den Vater, mancher Mutter ihr Kind gerettet hat. Und was ward ihm zum Lohne? Ich, sein Sohn, habe mich kärglich durch’s Leben schlagen müssen und muß zu meinem geliebten Mädchen immer und immer wieder sagen: warte, warte, noch habe ich kein Haus, in das ich Dich führen, noch keinen Tisch, den ich für Dich decken kann. Und wenn ich dann sehen muß, wie leicht es Andern – doch es sei genug. Ich will Dich nicht ermüden mit meinen Klagen. Ach, ich knirsche mit den Zähnen, daß ich nach zwei Jahren keinen bessern Gruß für Dich habe, als: warte, warte. Deine schöne Jugendzeit verrinnt im Harren auf mich und zuletzt – –? Fast

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verschiedene: Die Gartenlaube (1865). Ernst Keil, Leipzig 1865, Seite 530. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1865)_530.jpg&oldid=- (Version vom 10.12.2022)
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