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Seite:Die Gartenlaube (1866) 014.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

dem Faden, der wie die Sehne eines Bogens an einem Haselstäbchen ausgespannt ist. Willst Du kosten? Gieb dem Alten einige Kreuzer.

„Da, Alter, gieb mir ein Stück.“

Er reicht Dir ein Stück, Du beißest hinein und versuchst davon zu schlucken. Ja, lieber Freund, das ist keine Polenta, wie sie an der Table d’hôte zu Verona oder Mailand mit einer Garnitur von Wachteln oder Lerchen servirt wird. Unsere Arbeiter rühren Maismehl mit Wasser zu einem zähen Brei, streuen Salz darein und kochen den Teig; das ist ihr Frühstück, Mittagsmahl und Abendessen! Nur diese außerordentliche Mäßigkeit macht es den armen Leuten möglich, von den zehn bis fünfzehn Silbergroschen, die sie als täglichen Lohn erhalten, noch etwas zu ersparen. Diese Mäßigkeit ist es aber auch, welche ihnen an der Etsch im Kampf gegen das Deutschthum das Uebergewicht verleiht, so daß dasselbe immer weiter gegen Norden zurückgedrängt wird. Ein Gütchen auf welchem ein deutscher Bauer nicht mehr fortkommt, nährt noch immer zwei bis drei welsche Familien ganz gut. Dabei unterstützt diese die Kirche, denn Südtirol zählt zur Diöcese Trient; was kümmert sich Rom um das deutsche Volk, das ohnehin die Reformation erfunden und einen Goethe, Schiller und Lessing hervorgebracht, lauter Leute, die nicht zur Messe gingen und keinen Peterspfennig zahlten!

Mittlerweile sind wir an den Brenner selbst gekommen über dessen Paß der Eisenweg gebahnt wird. Es ist allmählich, Abend geworden. Rosige Wölkchen spiegeln sich in dem düsteren See, der den Eingang des Passes verengt aus der dämmerigen Tiefe klimmt die Straße empor. Wie viele Wanderer sind darüber hingeschritten! Dort kräuseln sich Nebel zwischen den Tannen, oder sind es vielleicht die Schatten derer, die vor uns diesen Weg traten? Zuerst schweben in faltigen Gewändern Etrusker vorüber, dann die römischen Legionen im schweren Tactschritt, ihnen folgt der römische Architekt und baut Städte und Castelle, daran schließt sich der Kaufmann mit seiner bunten Waare. Plötzlich ändert sich die Scene: mit breiten Schilden, ungeheuer an Gestalt und Aussehen, kommen die Germanen und ergießen sich im wüsten Schwall der Völkerwanderung über die blühenden Gefilde Italias, Alles verödet und fällt in Wildniß zurück, durch welche hie und da ein Mönch schleicht, um den zerstreuten Barbaren das Evangelium zu predigen. Nach Jahrhunderten beginnen die Römerzüge, wir schauen in Stahl gepanzert die herrlichen Gestalten der deutschen Kaiser. Nach den römisch-deutschen Kaisern zog ein Kaiser im Reich der Geister, zog ein Goethe mit dem Hammer des Geognosten diesen Weg, dann der Anderl von Passeier mit seinen Schützen, dann die Franzosen. Es ist eine uralte Weltstraße, auf der unser Fuß dahinschreitet! Möge die Eisenbahn, was geschichtliche Zwietracht geschieden, fest aneinanderketten, daß der Deutsche und der Italiener, die vor allen Völkern aufeinander gewiesen sind, sich mehr und mehr verstehen, sich innig lieben und verbrüdern!

Kühl bläst der Wind hier auf der Jochhöhe, es fällt der Thau, suchen wir im Posthause Unterkunft, wo bald Niemand mehr einkehren wird. Mit dem Morgen eilen wir nach Sterzing hinunter. Es geht sehr steil hinab, die Eisenbahn muß einen Bogen machen, dessen Radius fast eine Meile beträgt, um den jähen Abstieg zu überwinden. Die Landschaft ist hier entzückend, überwältigend, im größten Alpenstyle. Östlich von dem alten grauen Städtchen dehnen sich bunte, üppige Wiesen. Nun, da stellen sich dem Bau doch keine Hindernisse entgegen? Betritt diese Wiesen, dein Fuß versinkt im Wasser, Tümpel mit schleimigen Algen glotzen dich unheimlich an, als wollte die Natur der Bahn den Weg versperren. Hier versinkt der Schotter im weichen Boden, nur mühsam gelingt es, den Damm zu erhöhen, Tausende von fleißigen Welschen führen Steine herbei, welche der Sumpf verschlingt, und füllen dann selbst siech das Spital. Wir stehen vor dem berühmten oder berüchtigten Sterzingermoose, auf welches die ungalante Volkssage alle alten Jungfern verbannt. Auf dem Wege liegen Stücke eines schneeweißen herrlichen Marmors; wie kann man das kostbare Material aus Carrara zu Wächterhäuschen verschwenden! ruft wohl Mancher. Dort in Ratschinges erhebt sich ein ganzer Berg – er sieht wie angeschneit aus – ein Berg von weißem Marmor, aus dem man Wälder von Bildsäulen meißeln und ganze Städte bauen könnte. Hier ist er ein werthloser Stein, wie jeder andere; hoffen wir auch dabei das Beste von der Eisenbahn, welche die prächtigen Blöcke nach Norden führen soll.

Bald verengt sich das Thal wieder zur waldigen Schlucht; wo der Fluß Platz ließ, sind Wiesen und Einödhöfe. Das Gehänge ist mit Granittrümmern überstreut, wie von einer Titanenschlacht. Nur mit Trauer betritt der Deutsche die „Sachsenklemme“ bei Oberau. Hier wälzten 1809 die Schützen Steinlawinen auf die unglücklichen Sachsen, welche als Rheinbündler im Troß des modernen Attila fochten. Brixen erheitert den Blick eben auch nicht, die Gegend ist zwar freundlich, aber unaufhörlich klingen die Glocken, junge Priester in allerlei Gewändern und alte Betschwestern mit gekniffenen Gesichtern und spitzem Kinn huschen an dir vorüber; ja, du bist zu Brixen, dem Sitz des Bischofs, des Bischofs Gaßner, der die Anträge auf Ausschließung der Protestanten stellte. Und doch war früher fast ganz Tirol schon protestantisch, die Ketzer wurden aber durch Blut und Flammen in den Schooß der katholischen Kirche zurückgeführt. Zu Brixen fielen in wenigen Wochen siebenundvierzig Köpfe unter dem Beile des Henkers. Das ist die jungfräuliche Glaubenseinheit, für welche alttirolische Fanatiker schwärmen!

Wir schreiten durch das herrliche Thal der Eisak vorwärts. Das enge Städtchen Klausen mit seinen Capuzinern lockt uns nicht, und hinter Klausen verengen sich die berüchtigten Schluchten des Kuntnerweges. Mit rasendem Ungestüm zwängt sich der Fluß durch die Porphyrblöcke, die Flanken des Berges sind aus großen Steinbrocken, welche die üppige Vegetation des Südens trügerisch umzieht, zusammengesetzt, der Regen löst die Fugen und überschüttet die Straße mit Geröll und Trümmern. Weil hier nirgends fester Fels ansteht, durch welchen man Stollen und Tunnels schlagen könnte, so stößt der Bau der Eisenbahn auf fast unbezwingliche Hindernisse und muß oft über das Bett des Flusses gelegt werden. An den schauerlichen Abgründen kleben die Gerüste, auf den Steinblöcken hocken rittlings die braven Welschen und bohren die Mine, die manchmal sie sammt dem Steine in die Luft schleudert. Dennoch sind sie guten Muthes und von rastloser Rührigkeit.

Bald braust der Dampfzug durch diese Schluchten, kein Mensch denkt an die heroische Anstrengung, die es brauchte, ihm den Weg zu brechen, und wer mag sich dann an die zahlreichen Opfer erinnern, welche ohne Kreuz und Grabstein auf dem Friedhöfe von Botzen modern?

Doch wir wollen nicht mit traurigen Worten vom Leser scheiden, wir rufen ihm eine herzliche Einladung nach Tirol zu. Wenn auch die Glaubenseinheitler manchmal wie Uhus dreinschauen, sind sie doch nicht so schlimm, selbst nicht der grimmige Richler und der dicke Scharmer; – den Freunden in Tirol, welchen wir so manche Mittheilung für diesen Aufsatz schulden, Handschlag und Gruß!

L. M.




Blätter und Blüthen.


Coburgische Erinnerungen an König Leopold von Belgien. Es war ein Sonntagmorgen im September 1826, der mir, als die Nachricht von dem Tode des Königs Leopold kam, wieder frisch vor die Seele trat. Der „Prinz Leopold“ (auf echt coburgisch: Prinz Lehpold) war damals auf Besuch in der Heimath und wohnte in seinem reizenden Landschlößchen Füllbach, das etwa eine halbe Meile südlich von Coburg im Itzgrund liegt. An die Anwesenheit dieses ganz besonderen Lieblings des Coburger Völkchens knüpfte meine Mutter einen kühnen Plan für mein Fortkommen in der Welt. Ich war schon fast ein halbes Jahr „aus der Schule“, und noch wußten weder meine Eltern noch ich, was aus mir werden solle. Meine Mutter hätte mich am allerliebsten einst als Prediger auf der Kanzel gesehen. Aber das Geld für die Bücher und der Eintritts-Louisd’or für das Gymnasium – das waren für die Verhältnisse meiner Eltern unerschwingliche Summen. Da meinten nun Beide, daß, wer ein Dienstchen beim Prinzen Leopold bekomme, sein Glück am besten gemacht habe. Da mein Vater wegen seiner dienstlichen Stellung als Hofmusikus nicht persönlich beim Prinzen für mich bitten zu dürfen glaubte, so gingen die Mutter und ich allein an das große Werk. Ich mußte ein „sehr schönes Schreiben“ entwerfen, und da ich im Schönschreiben geschickt war und auch meinen Aufsatz herzustellen verstand, so bauten meine Eltern schon auf dieses „Schreiben“ allein nicht geringe Hoffnungen.

Im besten Staat machten wir, meine Mutter und ich, an jenem

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 14. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_014.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)
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