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Seite:Die Gartenlaube (1866) 044.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

gegeben, weitere Versuche hierin zu machen; auf seiner Reise durch Frankreich habe derselbe die Herzogin von Orleans besucht.“ Auch aus Frankreich wurde an Ludlow berichtet, „der König von England habe an den von Frankreich geschrieben, er werde sich niemals in Sicherheit glauben, so lange die Hauptverräther am Leben seien, und ihn daher ersucht, daß er ihm behilflich sein möchte, Jene, die sich über das Meer, und besonders die, welche sich in die Schweiz geflüchtet haben, verhaften oder tödten zu lassen.“ Als sich dann einer der Meuchelmörder nach Morges am Genfersee wagte, ließ ihn der Berner Landvogt verhaften und in dem bekannten Schlosse Chillon verwahren. Am Neujahrstage 1664 wurde er dort in Gegenwart der dazu eingeladenen Bedrohten verhört und bekannte, daß sich die beiden savoyardischen Edelleute de la Broette und du Fargis unter der in Vevey gelandeten Bande befunden hätten und daß einer der von ihnen gedungenen Schiffer die Weidenbänder der Kähne durchschnitten habe, um jede Verfolgung der nach gelungener That Fliehenden unmöglich zu machen.

Von den Gönnern der englischen Flüchtlinge in Bern hierauf gewarnt, das gefährlich gelegene Vevey zu verlassen, wo Ludlow hartnäckig blieb, siedelte dessen Freund und Schicksalsgenosse Lisle nach Lausanne über und rannte in sein Verhängniß. Nachdem er erst wenige Tage dort geweilt, verfügte er sich eines Morgens nach der Kirche St. François. Eben wollte er eintreten, als ihn auf der Schwelle der Dolch des auf ihn lauernden Banditen in’s treue Herz traf und ihn sogleich todt niederstreckte. Mit dem Rufe: „Es lebe der König!“ entfloh der Mörder. Ungeachtet des Preises von dreihundert Pfund Sterling, den die Berner Regierung auf seinen Kopf setzte (derselben Summe, die von der englischen Regierung auf Ludlow’s Kopf gesetzt war), konnte man seiner nicht habhaft werden. Dafür wurde ein anderer der Bande ergriffen und in Yverdon enthauptet.

Von da an lebte Ludlow unbelästigt in Vevey. Mit inniger Freude vernahm. der gesinnungstüchtige Patriot, wie im Jahre 1688 der letzte in England regierende Stuart, Jakob der Zweite, mit seinem Volke in unheilbaren Widerspruch gerathen, verdienter Weise gestürzt wurde. Von dem siegreichen Nachfolger (zugleich Schwiegersohn und Neffen) desselben, Wilhelm dem Dritten von Oranien, hoffte der Verbannte Gerechtigkeit und kehrte in sein inniggeliebtes England zurück; achtundsechszig Lebensjahre hatten bereits sein Haupt gebleicht, neunundzwanzig Jahre Verbannung seine Kräfte erschöpft, aber noch schwärmte sein Herz jugendlich für die Göttin seiner Träume, die Freiheit. Doch, er rechnete umsonst auf Fürstengunst für einen – Demokraten. Es wurde gegen ihn intriguirt, und Eduard Seymour, ein Hauptbeförderer der Revolution zu Gunsten König Wilhelm’s, übergab diesem eine Zuschrift der Kammer der Gemeinen, worin die Verhaftung des „Königsmörders“ Ludlow verlangt wurde. Schmerzlich enttäuscht und mit gebrochenem Herzen mußte der siebenzigjährige verfolgte Patriot zum zweiten Male dem Vaterlande den Rücken wenden und gelangte nach mannigfachen Mühen und Gefahren wieder in sein treues Vevey. Nicht lange überlebte er seine Enttäuschung. Im Jahre 1693 empfing die dortige Kirche St. Martin seine müden Gebeine, benetzt von den Thränen seiner im Elende treu ausharrenden Gattin Elisabeth Oldsworth und seiner treuen Freunde vom Genfersee. Seine ehrenvolle Grabschrift ist noch heute zu sehen. Eine über der Thür seines Wohnhauses angebrachte Inschrift dagegen wurde im Jahre 1821 von einer fanatischen monarchischen Engländerin, welche das Haus kaufte, vernichtet. Ludlow’s im Exile verfaßte und der Regierung von Bern gewidmete Memoiren in drei Bänden erschienen bald nach seinem Tode zu Vevey im Druck.

Indessen hatte die Nemesis nicht versäumt, die Stuarts zu treffen. Der Enkel des gestürzten Jakob, Eduard, welcher sein Exil, das er in Frankreich zubrachte, zu verändern wünschte, wurde von der französischen Regierung, derselben, welche das Asyl der Republikaner in der Schweiz angefochten hatte, im Jahre 1748 an die Regierung von Freiburg im wärmsten Tone und angelegentlich zur Gewährung eines Asyls empfohlen. Der Canton Freiburg, dessen Hauptstadt, wie die gleichnamige im Breisgaue, und wie später Bern, den Herzogen von Zähringen, welche damals beinahe die ganze heutige Schweiz beherrschten, ihren Ursprung verdankte, war von dem Gebiete Berns auf allen Seiten umgeben. Die Verfassung war derjenigen der letztgenannten Stadt ähnlich, oder vielmehr eine Carricatur von ihr; denn die regierenden Familien thaten nicht nur nichts für geistige Ausbildung ihrer Unterthanen, sondern sogen diese auf die unverschämteste Weise aus und reizten sie auch gegen das Ende des Jahrhunderts hin zu einem blutigen Aufstande.

Kaum hatte der englische Gesandte in der Schweiz, Furenby, vernommen, daß sein französischer College den Sohn des englischen Kronprätendenten in Freiburg unterzubringen suchte, ja daß die Regierung des letztern den fürstlichen Flüchtling „königliche Hoheit“ titulirte, so beschwerte er sich bei dieser Regierung schriftlich und verwahrte sich gegen den Aufenthalt „dieses jungen Menschen“ in der Schweiz und gegen die Aufnahme eines „den britischen Unterthanen verhaßten und durch Großbritanniens Gesetze geächteten“ Geschlechtes. Auf den langen und breiten Brief des Gesandten, aus dem wir nur wenige Sätze anführten, erwiderte aber die Regierung von Freiburg, trotz ihres kleinen Gebietes und trotz ihrer politischen Corruption, kurz und bündig folgende Zeilen: „Monsieur! Der Brief, den Sie unterm 8. dieses Monats, unserem Kleinen und Großen Rathe zu schreiben sich die Mühe gaben, schien uns in seinen Ausdrücken so wenig angemessen und gegen einen selbstherrlichen Staat so wenig schicklich, daß wir ihn nicht beantworten zu sollen glauben, um so mehr, als die Art und Weise, wie dieser Brief sich ausdrückt, uns gar nicht bewegen kann, Sie, Monsieur, über die Verfassung unseres Staates und seine Souveränetät zu berathen. Ihre dienstwilligsten Schultheiß, Klein und Großer Rath der Stadt und Republik Freiburg.“ (Datum 10. Sept. 1748.)

So wahrte selbst in der verstocktesten Aristokratenzeit die kleine Schweiz ihr Asylrecht gegen die mächtigsten Reiche zu Land und zur See, und zwar zu Gunsten von Flüchtlingen der verschiedensten Parteien. Und wir sind überzeugt, wenn heute das riesige Rußland gegen das Asyl der zahlreich in unsern Städten Zuflucht suchenden Polen einschreiten wollte, es erhielte denselben Bescheid. Möge aber einst eine Zeit erscheinen, in welcher Freiheit und Recht überall so herrschend geworden sind, daß es weder Flüchtlinge, noch Exile mehr giebt und daß dann auch folgerichtig keine Asyle mehr nöthig sind!

Otto Henne-Am Rhyn.




Ein Kleinod der Romantik.


„In einem tiefen, grünen Thal
Steigt auf ein Fels als wie ein Strahl.
Drauf schaut das Schlößchen Lichtenstein

Vergnüglich in die Welt hinein.

Es war Sonntag. Auf dem Rathhause in der alten schwäbischen Stadt Reutlingen glänzten die warmen Strahlen der Herbstsonne. Die schlanken Thürme sahen freundlich auf den Marktplatz und in die stillen Straßen hinab, als uns ein kleiner, gemietheter Wagen rasselnd über das holperige Steinpflaster zur Stadt, den Weg nach Schloß Lichtenstein hinausfuhr, denn diesem sollte ein Besuch gemacht werden. Vor dem Thore rüstete sich eine Schaar Schwalben, mit lautem Gezwitscher unruhig hin- und herfliegend, zum Abschiede. Ein kalter, aber sonniger Herbstmorgen lag draußen auf den thaufeuchten, dampfenden Fluren, die sich zu beiden Seiten der Fahrstraße ausdehnten. Knorrige Obstbäume mit fruchtschweren Aesten drängten sich hie und da dichter zu Gärten zusammen, aus denen rothe Dächer freundlich entgegenwinkten. Ich freute mich schon im Voraus auf den Anblick des durch Wilhelm Hauff’s herrliche Erzählung so bekannt gewordenen Lichtensteins und versetzte mich still in jene mit den Blüthen der Romantik durchflochtene eiserne Zeit, die der Dichter schildert.

Da lag vor uns die breite Heerstraße, auf welcher der schmucke Ritter Georg von Sturmfeder dahingeritten war, um nach langer,

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 44. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_044.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)
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