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Seite:Die Gartenlaube (1866) 064.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Ein unermüdlicher Künstler. Tausende unserer Leser werden schon Deutschlands schönsten und deutschesten Strom, den sichern, die große Weltheerstraße, durchschifft und Interesse und Genuß ihrer Fahrt sich wesentlich erhöht und vervielfacht haben durch einen treuen Begleiter und Führer, der sie nirgends im Stiche ließ, der ihnen genau alle die Burgen und Trümmer, die Städte und Dome und Kirchen, die Hügel und Berge, die Felsen und Inseln zu nennen wußte, an denen der stolze menschenwimmelnde Dampfer oder der sanft gleitende Nachen sie vorüberschaukelte – wir meinen das weltbekannte und weltberühmte Delkeskamp’sche Rheinpanorama, dessen Correctheit und künstlerische Eleganz noch keine der zahllosen Nachahmungen, die nach ihm aufgetaucht sind, zu erreichen, viel weniger zu übertreffen und zu verdrängen wußte.

Friedrich Wilhelm Delkeskamp in Frankfurt am Main, wie er mit diesem seinem in vielen Tausenden (über 16,000) von Exemplaren verbreiteten „Panorama des Rheins von Mainz bis Köln“ der Erste war, der in einem fortlaufenden Vogelschaubilde die beiden Ufer des herrlichen Stromes zur Anschauung brachte, war es auch, dem wir jene handlichen malerischen Reliefs der Schweiz und einzelner ihrer Landschaften verdanken, welche uns die complicirte Configuration des merkwürdigen und schönen Alpenlandes besser veranschaulichen, als die gelungenste Specialkarte. Schon im Jahre 1830 erschien, eine Frucht jahrelanger Vorarbeiten und mehrjährigen Aufenthalts in der Schweiz, sein ausgezeichnetes „malerisches Relief des classischen Bodens der Schweiz“ von wahrhaft erstaunenswerther Genauigkeit der wiedergegebenen Einzelheiten bei vollkommen malerischer Totalwirkung; ihm folgte später „das malerische Relief der Schweizer und angrenzenden Alpen“, von dem bis jetzt zehn ganze und drei halbe Blätter vorliegen, ein Riesenwerk, welches die Bedeutung des Künstlers von Neuem auf das Glänzendste erweist. Ohne irgendwelche Unterstützung, die bei einem so großangelegten Werke so wünschenswerth gewesen wäre, war er rüstig an die Arbeit gegangen. Fünfzehn Sommer hindurch schaffte er in Berg und Thal mit unermüdlicher Ausdauer; vom sengenden Sonnenstrahl gebräunt, oft vom Gewittersturm erfaßt, in Schweiß gebadet, von Schneegestöber oder einem Nebelmeer umhüllt harrte er aus, ob auch halbe und ganze Tage lang das Unwetter ihn oft in eine elende Hütte, oder unter einen schützenden Felsblock bannte. Zwischen Steingeklüft, Gletschern und Schneefeldern hausend, von Gefahren mannigfacher Art umdroht, war er doch unendlich glücklich in diesem erhabensten Tempel der Natur, glücklich im Besitz der Gabe Alles treu und klar in so kleinem Raume darstellen zu können. Ueber achthundert hier und da sehr mißliche Standpunkte hat er besucht, um seiner Meisteraufgabe nach allen Seiten hin gerecht werden zu können.

Der Künstler hat jetzt bereits das siebenzigste Jahr überschritten, noch immer aber schafft seine kunstgeübte fleißige Hand mit alter Frische und Energie. Seine neueste Schöpfung giebt davon vollgültiges Zeugniß. Es ist der „malerische Plan von Frankfurt am Main und seiner nächsten Umgebung, nach der Natur aufgenommen und auf geometrischer Basis in Vogelschau gezeichnet“. Im Juni 1859 wurde das Werk begonnen und das vollendete trägt die Jahreszahl 1864. Fünf Jahre unermüdeten Schaffens, eine lange Zeit und doch, wenn man das Werk näher betrachtet und mit der Wirklichkeit bis auf’s Einzelste vergleicht, das genau wieder erscheint, kaum hinreichend. Die fein colorirte Originalzeichnung wird dem Senate der Stadt übergeben und in der Stadtbibliothek aufbewahrt werden und dadurch der Oeffentlichkeit erhalten bleiben. Zur äußeren Ermöglichung der Ausführung dieses großen Werkes haben die Frankfurter Behörden in liberalster Weise beigetragen. Der Plan umfaßt die Stadt und Sachsenhausen mit ihrem Weichbilde, soweit es mit Wohnungen bebaut ist.

Delkeskamp’s malerischer Plan tritt den neuesten Arbeiten der Art ergänzend zur Seite, indem er das Skelet der Stadt, zum anschaulichen Bilde belebt, darstellt und die ganze Stadt inner- und außerhalb der Thore selbst mit ihren neuesten baulichen Veränderungen und Gartenanlagen dem Blick im getreuesten Bilde darbietet. Die Gebäude sind genau nach der wirklichen Form wiedergegeben, nicht nach einem allgemeinen Schema; selbst die Gartenanlagen, z. B. der zoologische Garten, erscheinen in treuestem Bilde, eine überaus zierliche, aus hundert und hundert an Ort und Stelle entworfenen Zeichnungen zusammengesetzte Mosaik, kunstreich verbunden dazu einem harmonischen Gesammtbilde. Das Schwierigste war, die malerische Wirkung, wie sie die Originalzeichnung übt, im Stiche möglichst wiederzugeben, ohne ihr die Klarheit und Treue zu opfern. Die Tüchtigkeit der dabei thätigen Künstler, Friedrich Harchenhain und Philipp Dauch, sowie die selbstthätige Mitwirkung des Herausgebers bürgt für die getreue Wiedergabe der Zeichnung. Es könnte diese Arbeit als Vorbild für die Darstellung anderer größerer Städte dienen. Möchte sie in diesem Sinne wirken!




Die Uebersetzung von Richard Wagner’s Tannhäuser in’s Französische. In Paris lebte ein unbekannter junger Dichter, Eduard Roche, ein sehr begabter, talentvoller und unterrichteter Mann, den der Tod in der Blüthe der Jugend nach unaufhörlichen Anstrengungen und fruchtlosen Kämpfen dahingerafft hat, bevor es ihm gelang, sich einen Namen zu erringen und einige Sprossen auf der Leiter des Glückes zu erklimmen. Einmal jedoch schien sein Unstern müde zu werden, einmal schien „der Augenblick des Glücks“ für ihn zu erscheinen, der sich im Künstlerleben gewöhnlich nur ein einziges Mal zeigt und dann im Fluge ergriffen und benützt werden muß, ehe er für immer verfliegt.

Eines Tages, als Roche in seinem düsteren Zoll-Bureau auf dem Bahnhofe saß und arbeitete, wurde seine Aufmerksamkeit durch den Lärm einer heftigen Auseinandersetzung erregt, welche unweit seines Fensters stattfand. Ein eben angekommener Reisender, und zwar ein Deutscher, ereiferte sich bitter gegen die tausenderlei Formalitäten, mit denen man in Frankreich belästigt wird. Roche geht hinaus und hört bei den Streitigkeiten, daß der Fremde sich „Wagner“ nennt; da tritt er an ihn heran, verbeugt sich, beseitigt sofort alle Schwierigkeiten und sagt, als Wagner ihm seinen Dank dafür ausspricht:

„Ich bin sehr erfreut einem so berühmten Künstler gefällig sein zu können.“

„Wie, Sie kennen mich?“ ruft Wagner ganz überrascht, daß sein Name bei der französischen Mauth so gut angeschrieben sei.

Roche lächelt und beginnt statt jeder Antwort einige Melodien aus Tannhäuser und Lohengrin vor sich hinzusummen.

„O,“ sagt Wagner ganz entzückt, „das ist mir eine sehr gute Vorbedeutung. Der erste Pariser, dem ich begegne, kennt und schätzt meine Musik; das muß ich gleich an Liszt schreiben. … Aber wir müssen uns wiedersehen, mein Herr!“

Wagner suchte einen Uebersetzer des Textbuches vom Tannhäuser; Niemand eignete sich besser dazu, als Roche. Derselbe verwandte ein ganzes Jahr der angestrengtesten, eifrigsten Arbeit darauf und opferte diesem Vorhaben seine Tage und Nächte, denn er konnte natürlich nur die Zeit, welche ihm sein Amt freiließ, dazu benützen. So sehr er Richard Wagner bewunderte, so schilderte er ihn doch dabei als einen „schrecklichen Menschen“, der ihn unerbittlich zum aufreibendsten Fleiße antrieb.

Die Sonntage, wo nicht im Bureau gearbeitet wurde, nahm Wagner natürlich auch für seine Uebersetzung in Beschlag und dann war es mit irgend einem Gedanken an Ruhe und Erholung für den armen Roche vorbei.

„Um sieben Uhr Morgens,“ erzählte er, „saßen wir schon bei der Arbeit, und so ging es ohne Rast und Pause bis Mittag fort: ich, über meine Schreiberei gebeugt, mit Schreiben, Ausradiren und dem Aussinnen der Silbe, die gerade auf die und die Note und den Sinn paßte, beschäftigt, er, mit flammendem Auge und zorniger Geberde ungeduldig hin- und herlaufend, indem er im Vorübereilen auf das Clavier losschlug, sang und fortwährend ‚Vorwärts, vorwärts!‘ auf mich hineinschrie. Um zwölf oder ein Uhr, ja sogar oft erst um zwei, ließ ich erschöpft, halb todt vor Hunger, meine Feder fallen und war auf dem Punkte, ohnmächtig zu werden. ‚Was ist Ihnen denn?‘ fragte dann Wagner ganz erstaunt.

‚Ach, ich habe Hunger!‘

‚O, ganz recht, ich dachte nicht daran. Gut, essen wir schnell etwas und fahren dann fort.‘

Wir schlangen nun einige Bissen hinunter, dann ging es weiter, bis der Abend uns überraschte; ich fühlte mich ordentlich hin, der Kopf glühte mir wie Feuer und ich war halb toll von dieser rastlosen Hetzjagd nach den eigenthümlichsten Worten – aber er ging noch immer ebenso frisch und ohne jede Müdigkeit, wie früh beim Anfang unserer Arbeit, auf und ab, hämmerte auf dem Clavier herum, und sein eckiger Schatten, der beim Lampenschimmer an der Wand hin- und hertanzte, jagte mir zuletzt förmlichen Schrecken ein; er kam mir mit seinem ewigen, ‚Vorwärts, immer vorwärts!‘ wie eine der gespenstischen Personen aus E. T. A. Hoffmann’s Schauergeschichten vor, die mir kabbalistische Worte und geisterhafte Noten in die Ohren gellte.“

Die Uebersetzung wurde aber doch endlich fertig. Man weiß, wie in einem Zeitraume von drei Abenden alle Hoffnungen Richard Wagner’s in Paris scheiterten; mit denselben zugleich sank die letzte Verheißung für den armen Roche in ein Nichts zusammen. Wagner erholte sich schnell genug von dem momentanen Mißerfolg, seine kräftige, unerschütterliche Natur wurde davon nicht so tief berührt; aber Roche, der geglaubt hatte, nun endlich bei dieser Gelegenheit bekannt zu werden, sich emporzuschwingen, erhielt durch das Fiasco des Tannhäuser einen Schlag, den er nicht wieder verwinden konnte. Am darauffolgenden 16. December ist er gestorben.




Aus dem Herzen der Welt. Die meisten Freunde der Gartenlaube werden sich gewiß noch mit Vergnügen der durch Originalität, geistige Frische und Anschaulichkeit ausgezeichneten Skizzen und Mittheilungen erinnern, in welcher durch eine Reihe von Jahren, während seines langen Exils in London, Heinrich Beta die interessantesten Momente aus dem Londoner und überhaupt englischen socialen und öffentlichen Leben geschildert hat. Einen Theil dieser frischen Bilder hat jetzt der Verfasser mit anderen Darstellungen aus England in einem neuen zweibändigen Buche unter dem Titel: „Aus dem Herzen der Welt“ gesammelt, das als eine überaus fesselnde und sehr instructive Lectüre empfohlen werden kann und über welches sich schon andere bedeutende Organe der Presse dahin ausgesprochen haben, daß darin neben der Treue, Wahrheit und Gegenständlichkeit der Schilderung ein so herzerquickender Ton des Volkshumors lebt und webt, daß man nicht müde werde, mit dem Verfasser, der selbst bescheiden zurücktrete, von Straße zu Straße, von Markt zu Markt zu wandern. Beta’s politische und namentlich seine humanen Bestrebungen treten auch in diesem Werke wieder auf das Erfreulichste zu Tage.




Eine Supplik an den großen Kurfürsten. (Wortgetreu nach dem Original.)

Hochwürdigster, durchlauchtigster,
Großmächtigster und Allerunüberwindlichster,
Hochgeehrtester Herr Churfürst!

Treue Dienste geben treuen Lohn, sagt der Haushalter Sirach im 5ten Capitel. Euch thu ich hiermit zu wissen, daß der Kirchendienst zu Länkewitz anitzo ledig ist, und ich zu solchen Dienste sehr wohl geschickt bin, und wenn Eure Großmächtigkeit meine Person sehen und singen hören sollten, würden sie sagen: der Kerl ist bei meiner Seele mehr werth, als daß er Küster sein soll; er könnte wohl predigen. Daß aber unser Schulze, der Hunsvott, mir feind ist, das macht daß meine Frau eben so einen rothen Rock hat, als des Schulzen seine Frau, und wann ich den Dienst erst haben werde, so mir schon gewiß genug ist, will ich meiner Frau noch einen bessern Rock machen lassen, als des Schulzens seine hat, es mag den Hunsvott verdrießen oder nicht; und wann ich das Primarium kriege, muß es unser Schulze nicht wissen, sonst stößt ers wieder um. Ich verlasse mich ganz gewiß dazu, und verbleibe

Länkewitz, den 15. Februar 1688.

Hans Henkel.

Decret. Supplicanten werden nach abgelegter Probe sechs Ducaten bewilligt, und wenn er tauglich befunden wird, soll er den Dienst ohne Einwendung des Schulzen haben.

Friedrich Wilhelm, Churfürst.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_064.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)
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