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Seite:Die Gartenlaube (1866) 080.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

König Leopold von Belgien als Cafetier in spe. Der Fürst behielt auf seinen zahlreichen Reisen sehr gern das Incognito bei und es machte ihm großes Vergnügen, wenn er zuweilen irgend ein humoristisches kleines Abenteuer erlebte. So kam er eines Tages nach Valence, besuchte dort den schönen Championnet-Platz und betrachtete lange Zeit mit wahrem Genuß die herrliche Aussicht auf das Rhone-Panorama, welche man von da aus hat. Nach einiger Zeit fühlt sich der König jedoch ermüdet und durstig, sah sich nach irgend einem Ruheplätzchen um und trat dann in ein an dem Platze gelegenes Café chantant ein, welches einem gewissen Lebeau gehörte.

Es war acht Uhr Morgens und der Saal war völlig leer, der König unterhielt sich deshalb damit, die hübschen Malereien zu betrachten, welche die Wände des Kaffeehauses bedeckten, und machte dem Besitzer desselben einige Complimente darüber. Dann setzte er das Gespräch fort, indem er sprach: „Sie müssen viel Geld verdienen, nicht wahr?“

„Nun, so so,“ entgegnete Lebeau. „Sehen Sie, wenn Sie vielleicht eine gute Speculation machen wollen, so haben Sie die beste Gelegenheit. Ich habe die Absicht, mich vom Geschäft zurückzuziehen, und da mein Café chantant, das überdies reizend gelegen ist, Ihnen zu gefallen scheint, will ich es Ihnen zu einem annehmbaren Preise überlassen; Sie sind gerade der rechte Mann dafür.“

„Das ist schon ein ganz plausibler Vorschlag,“ meinte der König lächelnd, „so ein Café chantant scheint mir auch ein ganz nettes Geschäft zu sein, allein ich werde doch wohl nicht darauf eingehen können.“

„Das ist schade,“ erwiderte Lebeau, „denn wenn Sie von der Präfectur die Erlaubniß erlangten, hier singen zu lassen, auch wenn im großen Theater gespielt wird, was ich bis jetzt nicht durchsetzen konnte, so wäre Ihr Glück bald gemacht und Sie könnten sich binnen einiger Zeit zurück ziehen und ein Landgütchen kaufen, obgleich die Abgaben, welche Sie an das Theater und die Armencasse zu zahlen hätten, ziemlich bedeutend sind.“

„Nun, ich werde mir die Sache noch überlegen, wer weiß, zu was ich mich entschließe,“ antwortete König Leopold.

Eine Stunde darauf begab er sich auf die Präfectur, gab sich dem Präfecten zu erkennen und erlangte natürlich sofort die von dem Kaffeehausbesitzer gewünschte Erlaubniß, welche er diesem sogleich zustellen ließ.

Lebeau war wie aus den Wolken gefallen, als er so plötzlich wie durch Zauber seinen langjährigen Wunsch erfüllt sah: er rannte in aller Eile nach dem Postbureau, um dort wo möglich noch den fremden Reisenden zu treffen und sich bei ihm zu bedanken; der König war aber schon fort und Lebeau erfuhr nun, wer es gewesen sei, dem er angetragen hatte, sein Café zu kaufen.




Die deutsche Nordpolexpedition. Schon in einem früheren Artikel haben wir unsern Lesern von der beabsichtigten deutschen Nordpolexpedition berichtet. Seitdem ist die Angelegenheit in ein neues Stadium getreten, und man darf sich der Hoffnung hingeben, das wichtige Nationalunternehmen als gesichert betrachten zu können. Wir werden demnächst aus ganz competenter Feder einen neuen ausführlichen Aufsatz über diese deutsche Nordfahrt veröffentlichen und wollen heute nur in kurzen Worten nach den Tagesblättern erzählen, wie weit augenblicklich die Sache gediehen ist.

Dr. Petermann hatte im August vorigen Jahres seinen Plan, den Nordpol durch eine Fahrt an Spitzbergen vorbei aufzusuchen, der deutschen Geographenversammlung in Frankfurt a. M. vorgelegt, und Fachmänner, wie der k. k. österreichische Admiral (jetzige Minister) v. Wüllerstorff und der königlich preußische Corvettencapitän Werner, hatten sich so warm für dieses Unternehmen ausgesprochen, daß die Geographenversammlung beschloß, sich dieser Angelegenheit auf’s Eifrigste anzunehmen. Es wurde sogleich ein Centralcomité für diese Angelegenheit, unter Leitung des Dr. Petermann, bestellt und in Folge der von diesem ausgegangenen Aufforderung wurden Lokalcomité’s errichtet.

Da es vor Allem darauf ankam, für eine solche Expedition einen passenden Führer zu erwählen, so wurde vom Centralcomité der schon erwähnte Capitän Werner in’s Auge gefaßt, der sich gleich bereit erklärte, das Commando zu übernehmen, wenn ihm dasselbe von seiner Regierung gestattet werde. Um dies zu fördern, begab sich Dr. Petermann selbst nach Berlin, woselbst er vom Minister v. Bismarck auf’s Zuvorkommendste aufgenommen wurde. Derselbe zeigte das wärmste Interesse für den Plan und stellte seinerseits lebhafte Unterstützung der Sache in Aussicht.

Von Berlin zurückgekehrt, berief Dr. Petermann eine Versammlung des Centralcomités auf den 17. Decbr. v. J. nach Gotha, wozu vom Dresdner Lokalcomité Dr. A. Stübel als Bevollmächtigter abgesendet wurde. Nach Entgegennahme der Mittheilungen des Dr. Petermann und weiterer Besprechung derselben wurde dann schließlich der folgende Antrag des Hrn. Hopf zum Beschluß erhoben:

„Der deutsche Nordfahrtsausschuß begrüßt mit großer Freude die Nachricht, daß die königlich preußische Regierung geneigt ist, die deutsche Nordfahrt aus ihren Mitteln zur Ausführung zu bringen. Derselbe ist überzeugt, daß auf diesem Wege bei den der preußischen Regierung zu Gebote stehenden großen Hülfsmitteln auch Großes zu erreichen und das wesentliche Ziel zu erlangen sei. Der Ausschuß ist aber ebenso sehr überzeugt, daß damit seiner eigenen Thätigkeit keine Grenze gesetzt werde, und er stellt sich auch ferner die Aufgabe, die Betheiligung auf alle Weise rege zu erhalten und dafür zu sorgen, daß die deutsche Nordfahrt zu Stande komme und die wissenschaftlichen Kräfte, welche sich in seiner Mitte befinden, dabei zur Mitwirkung und Geltung gelangen.“

So darf man denn wohl sagen, daß, nachdem, nach den neuesten Nachrichten, die preußische Regierung die Summe von Sechsmalhunderttausend Thalern für das Unternehmen bereits bewilligt hat, der Plan einer deutschen Nordpolexpedition aus dem Gebiete des Gedankens in das der realen Wirklichkeit getreten ist.




George Sand als Rednerin. So beredsam, so schwungvoll und kühn George Sand mit der Feder ist, so wenig steht ihr die Gabe der Rede zu Gebote, wenigstens Fremden gegenüber. Sieht sie erwartungsvoll die Augen der Menge auf sich geheftet, so ist es ihr, als ob sie ein Schwindel ergriffe; die Zunge ist ihr wie gelähmt und sie vermag kein Wort hervorzubringen.

Man hatte sie vor Kurzem ersucht, zum Besten irgend eines wohlthätigen Zweckes einen kleinen Vortrag zu halten, und sie hatte bereits ihre Zusage ertheilt, da bat sie einige Tage darauf, man möchte sie um Gottes willen dieses Versprechens entbinden, sie sei durchaus nicht im Stande, es zu erfüllen, und damit wies sie selbst auf die Geschichte hin, die ihr vor einigen Jahren in Toulon begegnete.

Sie hatte dort den Wunsch geäußert, ein Kriegsschiff besichtigen zu können, und wenigstens zehn Marineofficiere hatten sich beeilt, ihr Schiff dazu anzubieten. Einer davon erhielt den Vorzug. Frau George Sand folgte seiner Einladung und fand das Schiff geschmückt wie zu einem Feste oder einer Admiralitätsinspection. Die ganze Bemannung hatte den Auftrag, ihr die Honneurs zu machen, und Alle, Officiere wie Matrosen, waren an ihrem Posten.

George Sand betrachtete Alles genau und freute sich der peinlichen Sauberkeit und Ordnung, der Schnelligkeit und Pünktlichkeit, mit der jeder Befehl ausgeführt wurde. Aber beim Abschied wurde ihr doch etwas bänglich, sie mußte zwischen einem doppelten Spalier der ganzen Mannschaft durchpassiren.

Aller Augen waren auf sie wie erwartungsvoll gerichtet, und das genirte George Sand unbeschreiblich. Sollte sie eine Ansprache an diese kleine Armee halten, die sie wie einen Admiral ehrte? Der Hals war ihr wie ausgetrocknet, sie konnte die Lippen kaum öffnen. So zögert sie, stammelt einige unverständliche Worte und kommt endlich ganz verwirrt am Ende des Spaliers an, wo sie dem Schiffsjungen, der die Reihe auf der einen Seite schloß, eine tiefe Verneigung macht, den auf der andern Seite stehenden Officier aber vertraulich auf die Wange klopft und freundlich zu ihm sagt: „Guten Tag, mein kleiner Freund!“

Hinterdrein hat sie selbst sehr darüber gelacht, in dem Augenblick selbst jedoch soll ihr gar nicht wie Lachen zu Muthe gewesen sein.




Jonas der Zweite. Kaufmann H. in Rochlitz in Sachsen, dessen Erzählung völlig glaubwürdig ist, beobachtete jüngst folgenden eigenthümlichen Vorfall aus dem Thierleben. Als er seinen Goldfischchenbehälter mit frischem Wasser füllte, entschlüpfte ihm einer seiner Lieblinge in einen größeren Wassertrog und – war sofort spurlos verschwunden. Da das den Trog füllende helle und klare Wasser eine Uebersicht des Gefäßes in alle Winkel hinein gestattete, ohne eine Spur des Goldfischchens zu liefern, so mußte der Verdacht entstehen, daß das mit noch einigen großen Speisekarpfen den Trog bevölkernde einzige Ungeheuer, ein Hecht, einen Mord an dem Goldfischchen begangen und dasselbe verschlungen habe. Die rächende Nemesis ereilte den Hecht sofort.

Sein Todesurtheil wurde gefällt; er wurde abgekehlt, der Leib ihm aufgeschlitzt und erhielt dann in siedendem Wasser die gehörige Vorbereitung zum letzten Racheacte, der Verspeisung. Da – o Wunder – zeigten sich nach der vorsichtigen Eröffnung des jedoch nicht mit gekochten Hechtmagens an dem wirklich darin versenkten Goldfischchen noch Lebensspuren, welche durch schleunige Versetzung desselben in sein natürliches Lebenselement, das frische Wasser, zu seiner alsbaldigen vollständigen Auferstehung und Wiedergenesung führten, und – so lebt es heute noch, in höchster Gemüthsruhe an einer rosafarbenen Oblate knabbernd, sein harmloses Dasein fristend, und nur zu beklagen ist es, daß es heute noch eben so stumm ist, wie zuvor. Sonst könnte es uns seine Todes- und Wiederauferstehungsgeschichte gewiß viel ausführlicher und besser erzählen, als dieses hiermit geschehen ist.



Flotow in Paris. Herr von Flotow, dessen Oper „Martha“ die Pariser jetzt zur höchsten Begeisterung hinreißt, verließ den Schauplatz seiner Triumphe plötzlich am Tage nach der zweiten Aufführung. Jetzt erzählt man sich über diese rasche Abreise eine kleine Geschichte, die sehr zu seinem Vortheil einnimmt.

„Wie,“ sagte ein Bekannter zu ihm, „Sie verlassen Paris am Tage nach einem solchen Erfolge?“

„Ich muß.“

„Ohne die Folgen zu bedenken?“

„Ja wohl.“

„Sie machen den Journalisten keinen Besuch?“

„Nein, ich habe keine Zeit.“

„Sie würden gut thun, wenigstens noch vierzehn Tage hier zu bleiben.“

„Es ist unmöglich, man erwartet mich zu Hause.“

„Haben Sie es denn gar so eilig?“

„Ja, sehr eilig, ich muß unbedingt am Weihnachtsabend zu Hause sein.“

„Unbedingt? Denken Sie denn nicht an Ihren Ruhm?“

Jetzt zog Flotow seine Brieftasche heraus, zeigte dem Bekannten die Photographien seiner Frau und seiner beiden Kinder und entgegnete:

„Sehen Sie hier, lieber Freund, das ist mir mehr werth, als der Ruhm!“




Zur Beachtung.

Verzögerungen in der Correctur, welche der von Leipzig entfernt lebende Verfasser selbst besorgt, machen es leider nothwendig, daß wir für eine Nummer die interessante Erzählung Goldelse unterbrechen und mit der Fortsetzung erst in nächster Nummer wieder beginnen.

Die Redaction.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 80. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_080.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)
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