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Seite:Die Gartenlaube (1866) 096.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

Thränen in die Augen; hoffentlich wird sein Wunsch erfüllt, da der am Leben geblieben ist, welcher ihn vernahm.

Im Hauptsalon saßen die Frauen und Kinder, sowie einzelne Männer, mit ihren Bibeln um einen Geistlichen, Mr. Draper, der die Armen liebevoll tröstete und vermahnte; von Zeit zu Zeit stand eines der Anwesenden auf und rief: „Beten Sie mit mir!“ was dann geschah, und alle Uebrigen stimmten mit in das Gebet ein.

Als das Boot mit mit den drei Passagieren, vierzehn Matrosen und zwei Knaben – einer davon war der jüngste Midshipman, welcher seine erste Seereise machte – abstieß, standen viele der Zurückbleibenden auf dem Verdeck, schwenkten die Tücher und riefen Hurrah – ach, obwohl sie auf den Tod gefaßt waren, ahnten sie doch nicht, wie unmittelbar nahe er ihnen bevorstand! Wir waren kaum achtzig Ellen weit entfernt, da kam ein so wüthender Windstoß, daß wir nicht hören und sehen konnten; als wir uns dann umschauten, sank das herrliche Schiff mit reißender Schnelligkeit und das Herz brach uns fast vor Jammer, als zuletzt Alles verschwunden war und nur noch ein wilder Wogenstrudel die Unglücksstätte bezeichnete. Im letzten Moment wurden Alle auf dem Verdeck durch den Sturm nach vorwärts gedrängt, nur der dritte Officier, Namens Angel, stand bis zuletzt an seinem Posten bei der Maschine, welche die Pumpen bewegte, seine Hände lagen noch auf der Maschine, als das Schiff verschwand. In den letzten Stunden waren sämmtliche Passagiere in Folge der langen Todesangst ruhig und in ihr Schicksal ergeben; ich sehe noch eine Londoner Dame dastehen und uns ihr Lebewohl zunicken.

Noch eine traurige Geschichte will ich erwähnen: Unter den Passagieren waren auch zwei arme alte Leute mit ihren drei Kindern, die schon das dritte Mal vergeblich versuchten, nach Australien zu gelangen. Das erste Mal hatten sie die Reise auf einem Schiffe begonnen, welches unterwegs strandete; zum zweiten Mal hatten sie ihr Glück versucht mit dem Schiff „Duncan Dunbar“, das ebenfalls scheiterte. Sie ließen sich jedoch dadurch nicht warnen und abschrecken; wir sahen, wie das arme Weib von den Wellen über Bord gespült wurde – bald darauf folgte ihr der Mann nach, von ihrem Ringen und Sorgen nun auf einmal befreit.

Wir sahen viele der Reisenden mit Revolvern in der Hand auf dem Verdeck stehen; sie wollten sich im letzten Augenblick, wenn das Schiff unterginge, erschießen, da sie den Tod durch die Kugel dem Tode des Ertrinkens vorzogen; ein Freund bot dem andern an, ihn zu erschießen, wenn er es wünschte. Ich glaube aber schwerlich, daß sie Zeit gefunden, ihren Vorsatz auszuführen, da mit einem Male der Boden unter ihnen schwand und der Todesengel seine düsteren Fittige um Alle zugleich hüllte!




Der Christabend bei Victor Hugo. Am vergangenen Weihnachtsabend war große Freude und Bewegung in Hauteville-House auf der Insel Guernesey, dem Wohnsitz des verbannten Dichters Victor Hugo, dessen neueste Schöpfung „Les travailleurs de la mer“ eben die französische Welt in Aufregung setzt. Er hatte nach seiner Gewohnheit wieder alle armen Kinder von Guernesey eingeladen, den Weihnachtsabend bei ihm zu feiern. Draußen herrschte eine scharfe Kälte, aber in dem großen Saale brannte ein lustiges Feuer in zwei mächtigen Kaminen und um die reichlich gedeckte Tafel drängten sich etwa dreißig muntere Kinder von allen Altersstufen, die kaum zu essen vermochten vor freudiger Erwartung.

Nach der Mahlzeit wurden die kleinen Gäste aus dem Speisesaale in einen Nebensalon geführt, wo das Dessert aufgetragen war, und was für ein Dessert! Es bestand aus den köstlichsten englischen und französischen Leckereien, vom substantiellen Pudding bis zu den feinsten Bonbons, und daneben waren Trauben, Aepfel, Apfelsinen, Feigen, Datteln, Mandeln aufgehäuft – kurz Alles, was ein Kinderherz entzücken kann. Währenddem waren die Erwachsenen eifrig im Billardsaale beschäftigt, auf dem Billard die Geschenke für die Kinder auszubreiten, welche in Kleidungsstücken, Büchern und Spielsachen aller Art bestanden.

Nun rief man die Kleinen herein, an deren Glückseligkeit sich nicht blos der edle Geber mit seiner Familie, sondern auch die Eltern der Beschenkten, falls diese nicht etwa Waisen waren, sowie einige der Bewohner von Guernesey erfreuten. An diese richtete der Dichter zum Schluß folgende Worte:

„Mehrere englische und ausländische Journale erweisen mir die Ehre, dieses alljährlichen Festes bei mir zu erwähnen, welches sie als eine edle That meinerseits schildern. Dies ist jedoch nicht der rechte Name dafür – es ist nicht einmal eine gute Handlung, sondern ganz einfach die Erfüllung einer Pflicht, der Pflicht jedes leidlich wohlhabenden Mannes gegen die, welche nichts haben. Nicht einmal die Idee dazu ist von mir ausgegangen, ich habe sie nur aus dem erhabenen Beispiele Jesu geschöpft, der da sprach: ‚Lasset die Kindlein zu mir kommen!‘ Er wollte damit zugleich sagen: ‚Lasset die Kinder der Armen in die Wohnungen der Reichen eintreten!‘ Uebrigens giebt es nach meiner Ansicht überhaupt keine Reichen: Gott giebt den Menschen nichts, er leiht ihnen nur. Seine Wohlthaten sind es, die mir heute gestatten, den Aermeren meine Thür zu öffnen.

Es giebt zwei Arten von Reichthum – den äußeren und den inneren. Der äußere Reichthum ist das Geld; der innere ist die Gesundheit für den Körper und die Sittlichkeit für die Seele. Der äußere Reichthum vergeht und schwindet, der innere bleibt. Wir können den Armen nicht unseren ganzen äußeren Reichthum geben, aber es ist unsere Pflicht, ihnen Gesundheit und Sittlichkeit zu geben. Wenn wir ihre physischen Verhältnisse bessern, wird ihre moralische Erziehung auch dadurch gehoben, denn die Seele wächst mit der Kraft des Körpers.

Für alle Religionen giebt es einen gemeinsamen Glauben – den an Gott. Für alle Menschen giebt es eine gemeinsame Liebe – die zu den Kindern. In diesem Glauben und mit dieser Liebe haben wir uns heute hier versammelt. Nur der Zufall der Geburt hat diese Kinder arm gemacht – und das Weihnachtsfest existirt blos für reiche Kinder. Das darf aber nicht sein. Wenn es im Leben eines Kindes keine Freuden giebt, so bleibt eine Leere in seinem Dasein, unsere Aufgabe sei es, dieselbe auszufüllen!“

Nach diesen schönen, tiefgefühlten Worten war der Dichter wieder heiter wie ein Kind mit den anderen Kindern. Möchte sein Beispiel viele Nachahmer finden!




Bücher-Preisermäßigung. Es ist im Interesse der Volksbildung schon anzuerkennen, wenn gute Bücher im Preise ermäßigt werden; eine solche Ermäßigung hat aber ganz besondern Werth, wenn sie Werke betrifft, deren Anschaffung, ihres hohen Preises wegen, den weniger Bemittelten geradezu unmöglich ist. So verhält es sich mit: „R. Schomburgk, Reisen in Britisch-Guiana, im Jahre 1840–1844 im Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preußen ausgeführt. Mit vielen Abbildungen und zwei Karten von British Guiana. Drei Bände. gr.-Quart. Elegant gebunden.“ Dieses vorzügliche Werk kostete früher zwanzig Thaler und ist jetzt von Herrn Louis Zander in Leipzig durch alle Buchhandlungen für 62/3 Thaler zu beziehen. Eine eingehende Besprechung desselben gestattet hier der Raum nicht; wir können nur soviel darüber sagen, daß es die interessantesten Aufschlüsse über Land und Leute giebt und neben der angenehmsten Unterhaltung die reichste Belehrung in der anziehendsten Form gewährt. Kurz, es ist ein wahrer Hausschatz im besten Sinne des Worts, und wir wollen es deshalb dem großen gebildeten Publicum hiermit empfohlen haben.




Handeln die Thiere nur aus Instinct oder mit Ueberlegung? Unter dieser Ueberschrift begegneten die Leser der „Gartenlaube“ schon einige Male allerlei anregenden Fragen, und um dieselben auch von noch einer interessanten Seite zu beleuchten, bitte ich, mir gleichfalls ein kurzes Gehör zu schenken.

Ein Bauer brachte einmal ein junges Fuchspaar, fast von der Mutterbrust weg, zu Markte; ich brachte es käuflich an mich. Das Weibchen überlebte die Trennung von seiner Mutter um kaum drei Tage, das Männchen dagegen gedieh bei guter Kost (angesichts der beabsichtigten Zähmung nur mit gekochtem Fleisch gefüttert) und sonstiger Pflege, auch angemessener freier Bewegung, vortrefflich. Nach einem halben Jahre hatte Chouchon (dessen Name) schon manches Exercitium überstanden, folgte gehorsam auf Ruf und Pfiff und belästigte selbst meines Hauswirthes Hühner nicht. Ehe es aber dazu kam, hatten der Unterricht und des Zöglings sonstige Unarten viel Mühe gekostet und ihm tüchtige Hiebe eingebracht. Obwohl ich selbst der Lehrmeister war, ließ ich Chouchon dennoch, nach dem alten Jägergrundsatze, daß man einen Hund für dessen Vergehen nie eigenhändig züchtigen müsse, nur durch meinen Diener die verdiente Tracht Schläge aufzählen. Die nächste Folge davon war, daß Chouchon gegen den Diener eine entschiedene Abneigung faßte und so manche Gelegenheit benützte, ihn die Schärfe seines Gebisses fühlen zu lassen.

Mein Diener besaß gleicherzeit die Gewohnheit, den wilden Burschen gelegentlich der Bestrafung zu höhnen und ihn durch Gesichterschneiden und Nachahmung der Stimme zu necken. Hier war es, wo dann Chouchon die höchste Wuth erfaßte und er sich deshalb bemühte, dem Diener nach seinem Gesichte zu springen. Die Entfernung vom Boden nach dem Gesichte des Grenadiermaß haltenden Dieners vereitelte aber Chouchon’s Racheabsichten. Dennoch gab ihm seine List ein Mittel ein, sich ausreichend für Prügel und Hohn zu rächen. Die Gelegenheit bot sich in der Bedientenstube dar. Chouchon sprang wuthentbrannt vom Boden auf des Dieners Bett, von dort auf den nächststehenden Tisch, vom Tisch auf den Kleiderkasten und von da auf des Dieners Schulter herab, der gerade auf dieser Stelle stand – und fuhr ihm mitten in’s Gesicht, ihm eine blutige Vergeltung zurücklassend. Niemals vorher hatte der Diener gerade so gestanden, um dem Thiere irgend welche Zeit zur Ueberlegung oder Berechnung behufs eines gelegentlichen Vollzugs seiner Rache zu bieten, der Fuchs hatte vielmehr im Augenblicke selbst aus der Sache Nutzen gezogen.

Fritz Pfadsucher.




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Im Auftrage des Ausschusses der deutschen Turnvereine
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Georg Hirth.
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Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 96. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_096.jpg&oldid=- (Version vom 23.2.2020)
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