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Seite:Die Gartenlaube (1866) 240.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

würde sonst sagen, Du habest mich vergessen. Halte Dich in Allem so vorsichtig, ja noch vorsichtiger, als Du gethan, während ich bei Dir war; denn sie glaubten immer, wenn ich erst fort bin, würdest Du ihnen in allen Dingen willfährig sein und nur meine Gegenwart habe Dich daran gehindert. Nun, mein Herz, denke an Alles und sei überzeugt, daß Du auf mich zählen kannst, als wäre ich bei Dir. Heut vor acht Tagen waren wir beisammen und ahnten nicht, daß wir so bald getrennt werden sollten! Sollten wir uns nimmer wiedersehen können? O Gott! Welch’ ein Gedanke! Bin ich jetzt schon meiner liebenswürdigen Gattin fern: bald werden weite Meere uns von einander trennen! O Gott! Muß ich denn alles das ertragen? Ja, ich muß, um sie, die mir so theuer ist, nicht ganz zu verlieren! Ich will thun, was in meinen Kräften steht, um mich aufrecht zu erhalten; aber verlasse Du mich nur nicht, nachdem ich Alles, was ich gethan, nur für Dich gethan! O mein Herz, denke oft an mich und an Alles, was ich Dir gesagt habe. Nochmals erinnere ich Dich: nimm Dich in Acht, daß ‚Bun‘ diesen Brief nicht sieht! Verbrenne ihn; vorher aber schreibe Dir gewisse Rathschläge ab, die ich Dir gegeben, und siehe jeden Tag zu, ob Du sie auch befolgst. Sei vorsichtig, damit ‚Bun‘ nicht das Mindeste davon erfahre! Nun, mein theuerstes, theuerstes Weib (my dearest, dearest wife), sage ich Dir Lebewohl – großer Gott! welch’ ein Lebewohl! Baue auf mich, mein liebes Kind, wie ich auf Dich baue. Von Dir getrennt oder mit Dir vereint, bin ich immer Dein. Wenn er Dir den Brief richtig abliefert, so gieb ihm einen Ducaten zum Lohn für seine Treue. Lebe wohl, theures, theures und nochmals theuerstes Weib; denke Deines Gatten, auch wenn er Dir fern weilt. Lebe wohl, Du Seele meiner Seele, Leben meines Lebens, my dearest Babby, farewell. Denke in dieser Stunde an – was? Du wirst mich verstehen!

Der Unglückliche (L’infortuné).“

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen.


Graphotypie. Unter den vielen Arten des Bilddrucks und der Illustration macht in England eine neue Erfindung, die Graphotypie, viel Aufsehen. Durch sie würde man das mühsame Schneiden in Holz oder Eingraviren in Kupfer oder Stahl ganz sparen. Der Proceß ist unstreitig merkwürdig und genial. Man erstaunt, wenn man zuerst sieht, wie durch einen kleinen harten Pinsel alle die delicaten Werkzeuge des Holzschneiders oder Kupferstechers ersetzt werden und ohne alle Kunstfertigkeit eine Platte zum Drucken gleichsam hervorgebürstet wird. Die Erfindung ist von Clinton Hitchcock, einem Holzschneider, und hat eine ziemlich langsame und mühselige Entwickelung durchgemacht.

Als er einmal eine Zeichnung zum Holzschnitt auf dem üblichen Buxbaumblocke entwarf, fand er es nothwendig, einen Theil der Zeichnung wegzuradiren, um die betreffende Stelle des Holzes wieder weiß zu machen. Die weiße Farbe dazu kratzte er sich von dem emailirten Theile einer Visitenkarte mit einem nassen Pinsel ab; der auf die Karte vermittels einer Kupferplatte gedruckte Name blieb dabei unversehrt und stand reliefartig hervor, nachdem das Weiße ringsum weggebürstet war. Dies führte ihn auf die Idee, auf eine neue Art Relief-Druckplatten zu machen und zwar einfach durch Wegbürstung der Theile der Oberfläche, welche beim Drucken das Papier nicht berühren sollen. Zu diesem Zweck experimentirte er zunächst auf die verschiedenste, zum Theil unglückliche Weise vermittels Kreideflächen, auf welche er das Bild mit indigofarbigem, flüssigem Glase, d. h. aufgelöstem kieselsauren Kali, auftrug. Die von diesem flüssigen Glase getroffenen Stellen der Kreide erhärteten zu einer Art von Marmor, so daß die Stellen dazwischen mit einer gewöhnlichen Zahnbürste entfernt werden konnten. Die Zeichnung selbst litt nicht darunter, so daß wirklich ein hartes Reliefbild hervorgebürstet ward. Aber die Kreide war natürlich viel zu weich, als daß sich der Block mit dem Bilde hätte zum Drucken gebrauchen lassen; deshalb sättigte er die ganze Masse mit flüssigem Glase und sie erhärtete sich binnen einer Stunde bis zu dem Grade, daß davon mit einer gewöhnlichen Handpresse Abdrücke genommen werden konnten. Dies war das erste Experiment. Die sieben Processe desselben: Aussägung eines Kreidestücks, Glättung der Oberfläche, Zubereitung der Zeichentinte, Aufzeichnung des Bildes, Ausbürstung desselben zum Relief, Versteinerung des Blocks und erster Abdruck davon erforderten nicht mehr als vier Stunden. Deshalb galt die Sache für gelungen; nun kam es noch darauf an, eine feinere, geeignetere Substanz, als gemeine Kreide zu ermitteln. Er wählte dazu das sogenannte französische Weiß (woraus die weiße Schminke gemacht wird), pulverisirte es und ließ davon vermittels mächtigen hydraulischen Druckes viereckige Blöcke von der Dicke eines Zolles pressen. Diese erwiesen sich ungemein regelmäßig und gleichförmig; sie wurden nun einem sehr hohen Hitzegrad ausgesetzt, gehärtet, verdichtet und von aller Feuchtigkeit befreit. Auf die oben angedeutete Weise in Druckplatten verwandelt, zeigten sich die Blöcke stark genug für eine gewöhnliche Handpresse, aber nur für wenige Abdrücke. Nun kam es noch darauf an, Blöcke zu gewinnen, stark genug für die Maschinenpresse und zu Tausenden von Abdrücken. Dies war blos durch Verwandlung der betreffenden Druckplatte in ein Stereotyp möglich, wie sich aus monatelang fortgesetzten Versuchen und Täuschungen ergab.

Dies ist mit kurzen Worten die Geburt und Entwickelung der neuen Kunst der Graphotypie oder des Druckens von einer Zeichnung. Zuletzt haben Mehrere zur Vervollkommnung der patentirten Erfindung beigetragen. Die Art der Herstellung ist jetzt folgende: das sogenannte französische Weiß wird fein pulverisirt, auf eine Zinkplatte gesiebt, bis man eine gehörige Stärke des daraus zu pressenden Blocks erwarten darf, dann mit einer vollkommen polirten Stahlplatte bedeckt und durch einen ungeheuren hydraulischen Druck von zweitausend vierhundert Centnern zu einem entsprechenden Block zusammengepreßt.

Die Oberfläche unter der Stahlplatte ist vollkommen glatt und glänzend; auf diese wird nun die Zeichnung mit einem Lack aus Leim und Lampenschwarz mittels eines feinen Kameelhaarpinsels aufgetragen. Der Lack trocknet sofort, so daß das Ausbürsten mit entsprechendem Pinsel und kleinem Griffel mit Sammetkissen beginnen kann. Dasselbe flüssige Glas dient noch jetzt zur Verhärtung des Blocks in eine Art von Marmor, welcher dann beliebig zur Herstellung von Stereotypen und so zu vieltausendfältigem Abdruck benutzt werden kann. Es war ein interessanter Abend in der Versammlung der Society of Arts, als zum ersten Male vor Aller Augen auf diese Weise ein Bild für den Druck gemacht und dasselbe auch vielfach gedruckt ward.

Es läßt sich leicht denken, daß die Zeit- und Kostenersparniß für Herstellung solcher Druckblöcke von ungeheurem Werth ist. Auch ist es wichtig, daß alle Arbeiten dabei, mit Ausnahme des Auftragens der Zeichnung, von gewöhnlichen Händen, besonders auch von weiblichen verrichtet werden können. Aus diesen Gründen hat die Graphotypie in England viel Aufsehen erregt. – Noch bleibt zu beweisen, ob sie an Genauigkeit und Feinheit mit künstlerisch ausgeführten Holzschnitten wetteifern kann; andere Fragen über den praktischen Werth derselben hängen ebenfalls noch von der Zukunft ab, aber Niemand, der die Sache kennen gelernt hat, zweifelt, daß die Erfindung zu einer der genialsten und glücklichsten für illustrirte Typographie gerechnet werden muß.




Vor der Hausthür. (Zu der Abbildung auf Seite 236.) Die Darstellung von Scenen aus dem Leben des Hauses und am häuslichen Heerde ist so recht eine Domaine der Düsseldorfer geworden und erregt immer von Neuem unser Interesse, wie ähnlich auch die gezeichneten kleinen Vorgänge in ihren Motiven sich sein mögen, weil alles rein Menschliche den Menschen und seine Theilnahme zunächst in Anspruch nimmt. Unter den Künstlern nun, welche sich auf diesem Gebiete in neuester Zeit mit besonderem Glück versucht haben, ist vor Allem ein geborener Sachse zu nennen, C. Lasch aus Leipzig, dessen Scenen aus dem westdeutschen Dorfleben nach ihrer poetischen Conception sowohl wie nach Composition und Ausführung zu den reizendsten kleinen Kunstwerken gehören, welche neuerdings in den Düsseldorfer Ateliers bewundert worden sind. Die Zeichnung, die wir heute unsern Lesern vorführen, ist einem dieser lieblichen Lasch’schen Gemälde nachgebildet, eine Scene so voller Mutter- und Kinderglücks und in ihrer Ausführung so einfach und zum Herzen sprechend, daß jeder weitere Commentar überflüssig wird. Ueber den Künstler selbst, seinen Bildungsgang und sein Leben werden wir bei Nachbildung einer seiner andern Dorfidyllens in der Kürze das Nähere nachtragen.




Schulze-Delitzsch-Fond. Es dürfte unsern Lesern bereits bekannt sein, daß vor etwa zwei Jahren durch Gesinnungsgenossen und Mitstrebende auf politischem und socialem Gebiet, besonders aber durch die deutschen Genossenschaften ein Capital von circa fünfzigtausend Thaler für den Schöpfer der Vorschußbanken, Schulze-Delitzsch, gesammelt und diesem bei passender Gelegenheit überreicht wurde. Zweck dieser Sammlung war hauptsächlich, dem wackern Manne, der weder Amt noch Vermögen besitzt, für seine Arbeit und Mühen im öffentlichen Interesse eine angemessene Entschädigung zu gewähren und ihn in den Stand zu setzen, seine fruchtbringende Thätigkeit auch fernerhin und ausschließlich der guten Sache zu erhalten. Schulze-Delitzsch nahm zwar das Ehrengeschenk an, aber nur unter der ausdrücklichen Bedingung, darüber nach eigenem Ermessen zu verfügen. Das ist nun vor Kurzem geschehen. Schulze hat eine Stiftungsurkunde niedergelegt, nach welcher er die durch die deutschen Genossenschaften gesammelten Gelder zum Ankauf eines Haus- und Gartengrundstücks für sich verwendet, den Rest von siebenundzwanzigtausend Thaler aber zu einem „Schulze-Delitzsch-Fond“ bestimmt hat, der den Zweck hat, solchen Männern, deren Wirken auf irgend einem Gebiete des öffentlichen Lebens, namentlich auf dem volkswirthschaftlichen, im Interesse des Vaterlandes in Anspruch genommen wird, eine angemessene Belohnung und Existenz zu gewähren. Die Stiftung hat ihren Sitz in Gotha, genießt dort die Rechte einer juristischen Person und wird von einem Stiftungsrathe (Schulze-Delitzsch, von Bennigsen, Rechtsanwalt Henneberg, Buchhändler Ernst Keil, Hofgerichtsprocurator Schenk, Bureauchef Bensemann, Commerzienrath Reichenheim und Buchhändler Fr. Duncker) verwaltet.




Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 240. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_240.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
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