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Seite:Die Gartenlaube (1866) 254.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866)

aller Nachrichten über ihren ‚Infortuné‘ „mit der Ruhe der Philosophie und der Ergebung der Christin zu ertragen wußte.“ Wenigstens wurde „my dearest Babby“ durch den Gram über den verlorenen Geliebten in keiner Weise gehindert, vor dem entzückten Berlin alle Reize ihrer Kunst siegreich zu entfalten, von Triumph zu Triumph zu eilen und den König immer fester mit dem Zauber ihrer Schönheit zu umstricken.

Da sie namentlich den dritten und wichtigsten jener Briefe niemals erhalten, so ist sie einigermaßen zu entschuldigen, wenn sie den in demselben ihr ertheilten Verhaltungsregeln nicht gerade allzupünktlich nachgekommen ist. Ob die „liebe kleine Pitti“ den über die Behandlung ihr etwa zugehender Liebesbriefe ihr ertheilten Rath genau befolgt hat, ist uns nicht bekannt. Was wir aber bestimmt wissen, ist, daß „my lovely sweet Molly“ die „feste Regel, mit Niemandem, er sei, wer er wolle, außer dem Hause zu speisen“, sowie die, „nie auch nur einen Augenblick mit einem Mann allein zu bleiben“, auf das Allergewissenhafteste – gebrochen hat. Es ist unwiderleglich bekundet, daß der König nicht nur wiederholentlich sie zu kleinen Diners und Soupers unter vier Augen zu sich kommen ließ, sondern auch, wenn er bei diesem oder jenem seiner Generale speiste, ausdrücklich befahl, die Barbarina mit dazu einzuladen.

Auch scheint „ma charmante Babbily“ den Versuchen, sie in Berlin festzuhalten, nicht mit allzu festem Entschluß entgegengetreten zu sein. Wenigstens ist es urkundlich festgestellt, daß sie nach Ablauf ihres ersten Contracts, zu dessen Erfüllung man sich sogar dem Senate der Republik Venedig verpflichtet hatte, am 1. März 1745 freiwillig einen neuen Vertrag auf drei Jahre abschloß, durch welchen ihr unter der Bedingung, daß sie während der Dauer desselben sich nicht verheirathen dürfe, ein Jahresgehalt von siebentausend Thalern und ein jährlicher Urlaub von fünf Monaten zugesichert wurde, Bedingungen, welche, mit dem Maßstabe jener Zeit gemessen, noch großartiger als gegenüber unseren heutigen Verhältnissen erscheinen müssen und deren Bewilligung mindestens ebenso sehr der schönen und geistreichen Frau wie der ausgezeichneten Künstlerin gegolten haben dürfte.

Während der Dauer dieses ihres dreijährigen Vertrages blieb die Barbarina unbeschränkte Beherrscherin des Ballets. Von nicht ganz so langer Dauer war die Herrschaft, die sie über das Herz des Königs auszuüben verstand. Die höchste Blüthe derselben fällt in das Jahr 1746, in welchem sie, wie einige allerdings nicht ganz verbürgte Angaben bekunden, den Monarchen auf einer Badereise nach Pyrmont begleiten durfte.

Wodurch sie von dem Gipfel der königlichen Gunst allmählich wieder hinabglitt; ob der König an ihren Reizen gesättigt, ob ihr Betragen geeignet war, seine Zuneigung zu vermindern, wissen wir nicht. Nur soviel steht fest, daß es sich nicht um einen jähen Sturz, sondern, wie angedeutet, nur um ein allmähliches Herabsteigen auf der Leiter der königlichen Gnade handelt, deren unterste Staffel sie klugerweise erst nach Ablauf ihres Contracts betreten zu haben scheint. Wenigstens ist das erste authentische Document, welches uns den Verlust dieser Gnade bekundet, erst vom 8. Juni 1748, also etwa drei Monate nach dem Ende ihres Engagements datirt. Dieses Document ist ein von dem Directeur des Spectacles, Baron Suerts, an den König in französischer Sprache erstatteter Bericht, in welchem es heißt: „Ew. Majestät haben unter dem 22. v. M. (Mai) befohlen, daß von dem Gehalt der Barbarina diejenige Summe zurückbehalten werden solle, welche sie den Schwestern Vincent schuldet. Ich habe nach diesem Befehle gehandelt und denselben der Cassenverwaltung mitgetheilt; da sie aber bereits ihren Abschied, also auch nichts mehr zu fordern, da sie ferner erklärt hat, bald abreisen zu wollen, so bitten die Geschwister Vincent dringend darum, daß man sie vor Erledigung ihrer Schuld nicht abreisen lasse. Unter diesen Umständen habe ich mich an Herrn von Kircheysen (den Polizeipräsidenten) mit dem Ersuchen gewandt, Ew. Majestät Befehl auszuführen und sie vor ihrem Austritt aus Ew. Majestät Landen zur Bezahlung dieser sowie noch einiger anderer Schulden zu veranlassen. Ich halte mich verpflichtet, Ew. Majestät darüber zu berichten und Ihre weiteren Befehle abzuwarten“ etc. etc.

Der König decretirte am Rande dieses Berichts: „Muß dafür sorgen, daß die Leuthe bezahlet werden, seine Sache – oder muß sie arretiren lassen.“

An diesen Bericht schließt sich folgender vom 11. Juni datirter Rapport des Polizeipräsidenten von Kircheysen an den König:

          „Allerdurchlauchtigster etc.

Der Baron v. Swerts hat gestern Abend mit Vorzeigung Ew. Maj. Allergnädigster Ordre von mir verlanget, die Barbarina, falls sie Mongoubert’s Forderung nicht bezahle, zu arretiren. Ich habe dieses befolget, und einen Polizey-Beamten ihr im Hause gelassen, auch ihr gesaget, daß mein Verfahren lediglich auf des B. v. Swerts requisition und auf das Ansuchen Mongoubert’s geschehe. Sie hat hierauf geantwortet, daß sie Niemanden allhier etwas schuldig sey. Wegen der Mongoubertschen Post wäre die Sache vor dem Cammergericht anhängig, das Geld alle baar deponirt, und nachdem sie den ihr deferirten Eyd abgeleget, hoffe sie täglich, von dieser Schuld durch eine Sentenz absolvirt zu werden, mithin habe der Mongoubert etwas an ihr nicht zu fordern. Ew. K. M. allerhöchste Befehle zu meinem Verhalten erbittend, erwarte ich in Submission“ etc. etc.

Noch an demselben Tage erstattete auch der Baron von Suerts einen Bericht an den König, in welchem er das von dem Polizeipräsidenten Gesagte bestätigt, von einem auch in Sachen der Geschwister Vincent „leichtfertig abgelegten“ Eide der Barbarina spricht und schließlich erklärt: „Da sie aber doch möglicher Weise (vom Kammergericht) freigesprochen werden könnte, Ew. Majestät hingegen befohlen haben, sie zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen anzuhalten: so scheint es mir am gerathensten, den Augenblick abzuwarten, wo ihre Ungeduld sie bestimmen wird, lieber zu bezahlen als ihren Hausarrest noch länger aufrecht erhalten zu sehen.“

Diese Documente sind sprechende Beweise für die entschiedene Ungnade, in welche der ehemalige Liebling des Königs gefallen war.

Der auf den Rath des Barons von Suerts zu erharrende „Augenblick der Ungeduld“ ließ übrigens ziemlich lange auf sich warten. Fast einen ganzen Monat hindurch setzte die kleine Italienerin der Energie des großen Preußenkönigs einen Muth des passiven Widerstandes entgegen, der späterer aufgeklärterer Zeiten und einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Vom 8. Juni bis zum 3. Juli duldete sie standhaft ihre häusliche Haft und die Gesellschaft eines Polizeibeamten, der aller Wahrscheinlichkeit nach das ihm von Vielen beneidete Glück, in ihrer entzückenden Nähe weilen zu dürfen, nicht seinem ganzen Umfange nach zu würdigen wußte. Endlich riß der Faden ihrer Geduld, und nachdem sie am 3. Juli allen ihren pecuniären Verpflichtungen nachgekommen war, verließ sie zwei Tage später den Schauplatz vierjähriger großer Triumphe und kleiner Leiden, um sich in Begleitung ihrer Schwester zunächst nach England zu begeben. –

War es Sehnsucht nach ihrem Lord, war es das Bewußtsein ihrer Verpflichtungen gegen den treuen Verehrer ihrer Reize, was sie nach England trieb? Haben die beiden Liebenden sich dort gefunden, und wie haben sie einander gefunden? Das sind Fragen, zu deren Erledigung wir, wie unsere heutigen Diplomaten jeder brennenden Frage gegenüber zu sagen pflegen, nicht genügend instruirt sind.

Wie aber eine spätere Geschichtsschreibung auf Grund bis jetzt noch unentdeckter Quellen diese Fragen auch beantworten mag: so viel ist sicher, die unauflöslichen „Bande der Liebe, der Freundschaft und der Ehre“, welche das leidenschaftliche junge Paar „viel zu fest aneinander ketteten“, als daß sie jemals getrennt werden konnten, wurden, ob in Wohlgefallen, ob in Haß, jedenfalls in Bälde gelöst. Denn schon nach wenigen Monaten, nämlich im Januar 1749, verließ die Barbarina den Boden des freien Albion und kehrte nach dem despotisch regierten Preußen zurück, um sich in das Joch weit bindenderer Verpflichtungen zu begeben, als die eines Engagements-Contracts mit dem königlichen Theater zu Berlin gewesen waren. Es war das Joch des heiligen Ehestandes, welches sie dem jungen Lord Stuart de Mackenzie gegenüber mit ziemlicher Leichtigkeit abgeschüttelt zu haben scheint, um es mit einem Anderen, welchen ein allgemein verbreitetes Gerücht in der Person des Geheimen Rathes von Cocceji gefunden haben wollte gemeinsam zu tragen.

Der Geheime Rath von Cocceji, der Sohn des Großkanzlers Samuel Freiherrn von Cocceji, des berühmten Verfassers des Allgemeinen Preußischen Landrechts, war ein Mann von großen körperlichen und geistigen Vorzügen, aber von einer ungezügelten Leidenschaft und in die Barbarina sterblich verliebt. Er hatte Gnade vor ihren Augen gefunden, und der Entschluß, sich mit einander zu vermählen, stand bei Beiden fest. War es zu verwundern, wenn die Eltern des geheimen Rathes, Beide Sprossen aus alten calvinistischen Patricierfamilien, Alles aufboten, um die Verbindung ihres Sohnes mit einer katholischen Theaterprinzessin zu verhindern?

Das erste Document, welches wir über diese Phase des reichbewegten Lebens der Barbarina besitzen, ist ein kurzes Schreiben

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verschiedene: Die Gartenlaube (1866). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1866, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1866)_254.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
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