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Seite:Die Gartenlaube (1867) 030.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

miasmatischer oder gar anderer Einfluß sie hervorzurufen im Stande sei. Trotzdem die Eiterung eine ganz gute zu sein schien, trotzdem auch kaum ein anderer Fall dieser Krankheit sich im Städtchen gezeigt, trotzdem endlich der Patient so isolirt von jedem andern Krankheitsstoff war, so entwickelte sich die böse Krankheit bei ihm in so rascher und rapider Weise, daß bald alle Hoffnungen, die so lange genährt waren, unwiderruflich verloren gingen. Alle gemachten Anstrengungen waren erfolglos und dem Erbprinzen durfte nunmehr der Zustand des Kranken nicht mehr verheimlicht werden. Der Verwundete fühlte wohl selbst sein nahes Ende und bereitete sich mit bewundernswürdiger Standhaftigkeit darauf vor.

Er ordnete an, was Weltliches von ihm noch zu ordnen war; mit peinlichster Sorgfalt wußte er sich jedes kleinsten Liebesdienstes zu erinnern. Wer überhaupt ihn in diesen Stunden gesehen hat, mußte ihn lieben und hochachten lernen.

„Ich preise die Vorsehung,“ sprach er langsam und begeistert, „welche wiederum den Sieg mit dem Blut eines Hohenzollern besiegelt hat, und mein Geschick, dem die Ehre vergönnt ist, für die Sache des Vaterlandes zu fallen.“

Bald mehrten sich die bedrohenden Anfälle und sanft entschlief er dort an jenem Fenster, wo traulich die Linde durch die Scheiben hineinnickt – am sechsten August. Ein neuer Tag brach an, in morgendlicher Schöne Alles vergoldend. Im Beisein Aller, die ihm im Leben nahe gestanden, wurde die Leiche in einen Johanniterwagen gelegt, um nach dem Bahnhofe und von da nebst der Familie mit einem Extrazug zur Beisetzung nach Sigmaringen übergeführt zu werden. Langsam setzte sich der Zug in Bewegung, gefolgt von den Leidtragenden. Am Bahnhofe, ebenfalls einer Lazarethstation, wurde der Sarg von dem in Königinhof stehenden Bataillon empfangen und durch die sinnig geschmückte Einfahrt und künstlich aus Eichengrün gebildete Ehrenpforte auf das Perron getragen, wo eine Feierlichkeit vor der Abfahrt abgehalten wurde. Der Waggon, der den Todten aufnehmen sollte, war mit Eichenlaub, innen wie außen, dicht behangen und Fahnen und Guirlanden in den Hausfarben liehen dem Ganzen einen wohlthuenden Eindruck. Eine Estrade in der Mitte des Wagen nahm den Sarg auf, während im Hintergrund ein kleiner Altar sich erhob. Der Erbprinz erschien, das Militär salutirte, dumpf rasselte die Trommel in gedämpftem Ton und der Priester hielt das Gebet, einfach und herzlich, nur dem Todten Gerechtigkeit widerfahren lassend. Allen Anwesenden traten die Thränen in die Augen, in tiefen Schmerz versunken bedeckte der Fürst seine Augen. Der Priester schloß die feierliche Handlung und der Sarg wurde seinem Platz übergeben. Stumm schüttelte der Prinz Allen, die ihm während der Leidenszeit nahe gestanden, die Hand und der Zug setzte sich in Bewegung, um den Todten zu seinen Ahnen zu führen.

In der Schloßcapelle zu Sigmaringen ruht der junge Held im ewigen Schlummer. Auch er hat das Höchste, was er besaß, für das Vaterland zum Opfer gebracht. Möge über den Gebeinen dieses zweiten Louis Ferdinand eine lichtere Zukunft erblühen zur Ehre und Festigung Deutschlands! – Sind wir recht berichtet, so ist der Düsseldorfer Künstler, welcher das beigegebene Bild gezeichnet hat, von dem Vater des gefallenen Prinzen nach Böhmen gesandt worden, um die verschiedenen Stätten aufzunehmen, wo der Tapfere mit gekämpft hat.




Zwei Leseabende in der Stadt der Intelligenz.
Literarische Erinnerung von F. Brunold.


Die Herrschaft der Gräfin Lichtenau war vorüber. König Friedrich Wilhelm der Zweite von Preußen war gestorben, und das Volkslied: „Heil Dir im Siegerkranz“, von dem Holsteiner Dr. jur. Schumacher[WS 1] gedichtet, zum ersten Mal bei der Rückkehr des Königs aus dem Feldzuge in der Champagne, während der erstmaligen Durchfahrt durch das von Langhans erbaute Brandenburger Thor gesungen, ertönte nun zu Ehren seines Nachfolgers, des Königs Friedrich Wilhelm des Dritten. Rosenkreuzer und Illuminaten suchten das Weite, denn ihre Zeit war abgelaufen. Aber der Wahlspruch der Berliner, der während der Regierung des nun verstorbenen Königs zur vollen Geltung gekommen war, daß man leben und leben lassen müsse, sollte noch für längere Zeit seine Geltung behalten.

Während indeß der Luxus und die Sucht nach Vergnügungen zu einer fabelhaften Höhe gestiegen waren und eine geschmacklose Frauenrobe, mit ihrer zehn Ellen langen, mit Perlen und Diamanten besetzten Schleppe, nicht selten einen reichen Mann zum Bettler machte, verschlossen die Gebildeten, die Besseren im Volke sich nicht dem Einfluß der Ideen, die, nach der Revolution von Frankreich herüberkommend, Erziehung, Sitte und Lebensart umzugestalten strebten. Berlin vor Allem trachtete darnach sich zur Großstadt auszubilden. Kunst und Wissenschaft, Poesie und Leben knüpften sich aneinander und suchten sich gegenseitig zu ergänzen und zu fördern. Man strebte darnach das Leben künstlerisch zu gestalten und die Phantasiebilder der Romantiker in die Wirklichkeit zu versetzen. Es war ein Haschen und Jagen nach neuen Ideen und neuen Lebenselementen. Der befruchtende Hauch neuer Ansichten und Formen, der, aus den vergossenen Blutströmen der französischen Revolution auftauchend, einer Frühlingslerche gleich, über Deutschland dahinzog, fand im intelligenten Berlin ein wohlbeackertes Feld zur Bergung des Samens. Moses Mendelssohn, Lessing, Kant hatten nicht vergebens ihre Worte erschallen lassen; Schiller’s Don Carlos war längst über die Breter gegangen, und Emilie Galotti hatte sich bereits zum Liebling des Publicums gemacht. Unter solchen Umständen konnte es nicht fehlen, daß die Langweiligkeit und Nichtigkeit des bisherigen geselligen Lebens auf das Tiefste erkannt wurde und das man sich nach einem gegenseitigen Austausch der Meinungen und Ideen sehnte. Das Wort, in edelster Bedeutung, strebte darnach an das Licht des Tages zu treten; es trachtete zur vollen Geltung zu kommen; es drängte aus dem Dunkel der Studirstuben hinaus das Leben zu verschönen und mit tieferem Gehalte zu versehen.

Ein anhaltenderes Eingehen in die vorhandenen Schätze der deutschen Literatur wurde der Grundstein zu einer Umwandlung der Zeit, ihrer Ideen – und ihres bisherigen Strebens. Und wie es in dem Leben eines jeden Menschen eine Zeit giebt, wo das Blut rascher schlägt und der brausende Schaum einer himmelanstrebenden Jugend alle Formen und Schranken zu überspringen droht, um später ruhiger und gesetzmäßiger in gebahnte Wege einzulenken: so auch mußten in der Literatur die Romantiker kommen, um mit ihren Extravaganzen den brausenden Schaum jener Lebenszeit zu repräsentiren.

Tieck’s gestiefelter Kater und Novalis’ Ofterdingen waren die Pole dieser Richtung, die im Hause der berühmten Henriette Herz gleichsam ihre Strahlen concentrirte. Hier zur Seite und zu den Füßen der schönen Frau waren die Ideen der Romantiker zum Lebenselement geworden. Was dies Haus bislang jedoch nur den Eingeweihten gewesen war, sollte nun auch einem größeren Kreise zu Theil werden. Man wollte gleichsam einen Schritt weiter in die Oeffentlichkeit hinaus thun, und Feßler, der Meister vom Stuhl der Hauptloge Royal-York zur Freundschaft in Berlin, gründete eine Lesegesellschaft, deren erste und Haupttheilnehmer die Gäste und Freunde des Hauses Herz waren. War sein früher von ihm gestifteter Verein und Bund der Energeten, der einzelnen seiner Mitglieder so überaus verderbenbringend wurde, auf Politik und Staatsreformen abgesehen, so bezweckte dieser sein Leseverein nur das, was der Name besagte: man kam zusammen, um die Meisterwerke der Literatur zu lesen und durch ein gegenseitiges Besprechen des Gelesenen ein tieferes Verständniß desselben herbeizuführen. Das Treiben im Hause der Herz wurde in harmlosere Bahnen gelenkt. Und wie einfach, ruhig waren die Zusammenkünfte dieses Vereins!

Es ist ein rauher, kalter Winterabend des Jahres 1800. Von allen Enden und Gegenden der Stadt haben die einzelnen Mitglieder sich nach der Mohrenstraße aufgemacht, trotz Sturm und Wind, Regen und Schnee die kleine Blendlaterne vor sich tragend, um derart so viel als möglich die Regenpfützen in den schlecht oder gar nicht gepflasterten Straßen vermeiden zu können und im sogenannten Englischen Hause daselbst in einem langen, einem Handtuch gleichenden Saal bei dem Schimmer weniger mattleuchtender

Anmerkungen (Wikisource)

  1. vergleiche dazu Wikipedia: Heil dir im Siegerkranz
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 30. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_030.jpg&oldid=- (Version vom 26.2.2017)
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