Verschiedene: Die Gartenlaube (1869) | |
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Er bezahlt das Bild und hat noch obendrein den Verdruß, als
er sich mit den Trauerweiden und dem Ententeich unter dem
Arm entfernt, die spöttischen Bemerkungen des Publicums zu
hören.
Nicht selten bemerkt man auch bei den Kunstversteigerungen eine Frau in Trauer. Die Gegenstände, die zur Auction kommen, bilden die ganze Hinterlassenschaft ihres Gatten. Er war Künstler und der Tod hat ihn hinweggerafft, bevor er zu Ehre und Ruhm gelangen konnte. Die arme Wittwe betrachtet mit schwermüthigen Blicken die Skizzen und Zeichnungen, an die sich so manche süße Erinnerungen knüpfen und von denen sie sich nun auf immer trennen soll. Sie betrachtet aber auch das Publicum und sucht unter demselben einige bekannte Gesichter. Es haben sich in der That mehrere Freunde ihres Gatten eingefunden, um als wohlwollende „Heizer“ die Kauflust zu erwecken. ihre Bemühungen sind jedoch umsonst. Die Kunstfreunde wenden sich achselzuckend ab, und nur einige Trödler verstehen sich dazu, um einen Spottpreis die Werke zu erstehen, durch welche der Verstorbene die Unsterblichkeit zu erlangen hoffte.
Werden nun die erfahrensten Leute zuweilen angeführt, so werden die unerfahrenen nicht selten bei ihren Käufen vom blinden Glück begünstigt. Vor mehreren Jahren bemerkte einer meiner Freunde im Hôtel Drouot ein altes Spinet von zierlichem Bau und mit einigen Medaillons geschmückt, die unter einer dicken Staubkruste versteckt waren. Die Käufer zeigen sich sehr kalt, und das Instrument wird meinem Freunde zu einem Spottpreise zugeschlagen. Er hatte kaum Zeit seinen Kauf zu bedauern, als ein ältlicher Mann hastig in den Saal tritt, meinen Freund auf die Seite nimmt und diesen bittet, ihm das gebrechliche Instrument abzutreten Nach langem Hin- und Herreden werden sie Handels einig. Mein Freund steckt sehr zufrieden einen erklecklichen Profit in die Tasche, und der Alte läßt noch viel zufriedener das Spinet nach seiner Wohnung bringen. Die Medaillons waren nämlich von dem Großvater des alten Herrn gemalt.
Noch glücklicher war ein junger Mann, der im Hôtel Drouot einen eisernen Schrank kaufte und, als er ihn zu Hause von einem Schlosser ausbessern ließ, in einem geheimen Fache dieses Möbelstückes über hunderttausend Franken an Geld und Werthpapieren fand. Niemals war das Glück blinder und einfältiger gewesen; denn der junge Mann ist sehr reich.
Das Resultat der Versteigerungen hängt natürlich von der Gunst und Ungunst der Umstände ab. Ist das Geld im Ueberfluß vorhanden, so stellen sich die Käufer zahlreich ein und es werden hohe Preise erzielt, besonders für Kunst- und Luxusgegenstände. Solche günstige Zeiten werden soviel wie möglich für freiwillige Versteigerungen benutzt. Gar mancher Millionär, der sich das Ansehen eines begeisterten Kunstfreundes giebt und für seine Bildergalerie zu schwärmen scheint, schlägt diese wie eine gewöhnliche Waare los, wenn er dabei einen bedeutenden Geldprofit zu machen hofft. Auch beliebte Theaterprinzessinnen lassen dann und wann aus Speculation ihre Mobilien versteigern. Niemand, der nur einigermaßen einen Namen in der Dandy-Welt hat, darf bei einer solchen Versteigerung fehlen, oder dieselbe verlassen, ohne einen Gegenstand käuflich an sich gebracht zu haben.
Wer zum ersten Male nach Paris kommt und diese Weltstadt etwas weniger oberflächlich sehen will, als dies gewöhnlich zu geschehen pflegt, sollte nicht unterlassen, das Hôtel Drouot zu besuchen. Er wird dort die absonderlichsten Vertreter aller Schichten der Gesellschaft finden und seine Menschenkenntniß mehr als sonstwo bereichern.
Ein neuer Tenor im Werden. In Kiel, in einem öffentlichen
Biergarten, sitzen vorigen Sommer eines Abends Handwerksgesellen zusammen
– zechend, singend. Ein Student – der Name ist unwesentlich –
sieht zum Fenster seiner Bude heraus, das in diesen Garten führt, und
hört zu – gedankenlos, gedankenvoll. Der Chorus schweigt eine Weile
und eine wunderbar klangvolle und kräftige Tenorstimme hebt ein Solo
an. Unser Studio, ein musikalisch gebildeter, musikverständiger Geist, lauscht
aufmerksamer und als der Tenor geendet, giebt er gesungene Antwort.
Dies Hin- und Wiedersingen wird eine Zeit lang fortgesetzt, bis schließlich
der Musensohn, enthusiasmirt von der Stimme des Handwerksgesellen, in
den Garten hinunterläuft, den Tenorsänger zu begrüßen. Einige Tage
danach wird unser Handwerker, ein Bäckergesell Namens Wilhelm Krüger
aus dem Mecklenburg-Strelitz’schen Städtchen Friedland, allwo sein Vater
Ausrufer war (vielleicht davon die Stimme und der Umfang?), zum Commandanten
von Kiel entboten, dort in einer Gesellschaft zu singen. Staunen
und Bewunderung und der in der Erregung des augenblicklichen
Genusses ausgesprochene Entschluß, für den Mann und seine Stimme
etwas zu thun, waren auch hier allgemein. indessen, wie das so geht,
man ist angeregt und verspricht, am Morgen danach denkt man nüchterner
und vergißt. So auch hier wieder einmal. Unser Tenorbesitzer
verläßt Kiel und wandert weiter. In Schwaan, einem Städtchen in
Mecklenburg-Schwerin, tritt er in Arbeit und auch in den dortigen Liederkranz.
Der Dirigent desselben erkennt bald den Werth dieser Tenorstimme,
lauscht, horcht, prüft, läßt noch andere prüfen – und ist schließlich überzeugt,
ein Phänomen entdeckt zu haben. Er theilt seine Wahrnehmung
dem Bäckergesellen mit. Dieser erzählt sein Kieler Erlebniß. – „Schreiben
sie an ihren Landesherrn,“ resolvirt der Schwaaner Dirigent und
giebt ihm ein Zeugniß über Werth und Bildungsfähigkeit seiner Stimme
schwarz auf weiß. „Kommen Sie sofort nach Neustrelitz,“ läßt der
Großherzog respondiren. Krüger kommt. Zwei fürstliche Capellmeister
nehmen ihn in die Presse. Beide Herren können sich, wie das ja am Ende
so natürlich ist, nicht einigen. Der eine meint entschieden: Ja – der
Andere macht allerlei Einwendungen, schwankt und zuckt die Achseln.
„Nach Hamburg zu Wurda[WS 1] mit dem Ausrufersohn!“ entscheidet Serenissimus. –
Der alte Wurda[WS 2] im Verein mit den stimmverständigsten
Koryphäen Hamburg’s hört, prüft – fünf Wochen lang. Entscheidung. „Tenorstimme
von kolossaler Stärke, prachtvollstem Timbre und riesenhaftem Umfang.
Der Ausbildung unbedingt fähig und würdig.“ – Mit diesem
Attest kommt Krüger nach Neustrelitz zurück um nunmehr auf großherzogliche
Kosten vier Jahre auf dem Conservatorium zu Würzburg seine Stimme
in die Schule nehmen zu lassen. Wie es heißt, soll er in der Höhe noch
zwei Töne mehr haben (Brust), als Herr Wachtel. – Glück zu, Landsmann!
Nous verrons! C. Sp.
Süd–Brasilien und Herr Sturz. Wie ich nie im Leben einer
Auswanderung nach den heißen Provinzen Brasiliens, also den nördlich
gelegenen Theilen des großen Reichs, das Wort reden würde, weil sich
unsere deutschen Arbeiter dort einer Menge von unnöthigen Gefahren aussetzen –
ebenso kann ich eine Auswanderung nach Süd-Brasilien, besonders
nach den drei Provinzen St. Catharina, Parana und Rio Grande
do Sul allen denen mit gutem Gewissen anempfehlen, die sich überhaupt
zur Auswanderung entschlossen haben und zu ihrer nächsten Heimath kein
zu kaltes Land wählen wollen.
Herr Sturz bemüht sich jetzt – und schon seit langen Jahren – allerdings in der deutschen Presse und besonders durch eine Unzahl von Flugblättern, nicht allein jenes Land zu verdächtigen, sondern auch fast Jeden zu beschuldigen bestochen zu sein, der Süd-Brasilien wirklich so beschreibt, wie es ist, und nicht wie es Herr Sturz schildert. Welche Zwecke er dabei verfolgt, weiß ich nicht, aber er gebraucht schlechte Mittel dazu, und es wird ihm außerdem schwer werden, sich gegen all’ die jetzt gegen ihn auftauchenden Anklagen zu verteidigen, welche ihn selber offen des „Seelenverkaufs“ beschuldigen, und diese Beschuldigungen mit Herrn Sturz’s eigenen Anträgen an fremde Regierungen belegen.
Die Süd-Staaten von Brasilien sind ein großes, reiches und fruchtbares Land. Tausende von unseren deutschen Landsleuten leben dort und befinden sich wohl, ja haben eine prächtige blondhaarige Nachkommenschaft gezeugt, Sclaverei wird dort nicht geduldet – es ist Alles freie Arbeit, und die Regierung ist den deutschen Colonieen, für die sie schon viel gethan, freundlich gesinnt.
Daß es auch manche Schattenseiten in dem fremden Lande giebt, läßt sich nicht leugnen, aber sie stehen in keinem Verhältniß zu den Vortheilen, die es dem Einwanderer bietet.
Ich rathe überhaupt Niemandem zu einer Auswanderung, so lange er
noch in seinem alten Vaterland Grund unter den Füßen fühlt. Wer aber
einmal fest erschlossen ist, die Heimath mit einem anderen, wärmeren Welttheile
zu vertauschen, der lasse sich nicht durch die ungerechtfertigten und oft
sogar unwahren Angriffe des früheren General-Consuls für Brasilien –
Herrn Sturz, abhalten. An Ort und Stelle wird er von den eigenen
Landsleuten solche Anschuldigungen gegen Süd-Brasilien nicht allein widerlegt hören, sondern auch selber widerlegt sehen. Fr. Gerstäcker.
Kleiner Briefkasten.
S. B. in Rudolstadt. Wenn wir auch Ihrer Meinung nicht beistimmen können, da in der Gartenlaube auch dem Humor ein bescheidenes Plätzchen eingeräumt werden soll, so danken wir Ihnen doch für Ihre ebenso liebenswürdige wie uns ehrende Rüge. Beurtheilungen dieser Art, wenn sie mit so vieler Liebe und Anerkennung für die Gartenlaube ausgesprochen werden, können uns nicht wehe thun.
T. in Breslau. Der größere Artikel von Karl Vogt über die
Iserlohner Höhle, mit Abbildung von Hoff in Düsseldorf, erscheint bestimmt
in Nr. 9 und 10. D. Red.
St. B. E. in G. Wenn Sie noch eine Zeitlang in Ihren stylistischen Versuchen fortfahren, werden Sie sich dicht neben dem Frosch placiren können.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Warda, vergl.: Berichtigung (Die Gartenlaube 1869/11)
- ↑ Vorlage: Warda
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_112.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2022)