Verschiedene: Die Gartenlaube (1869) | |
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einen solchen Bösewicht spielen kann. Er vergißt in seinem Glück die Unglücklichen nicht, – was wäre ohne ihn aus mir geworden? Ach, ein Häuflein Asche, denn Noth und Elend hätten mich schon längst in irgend einen Winkel des Friedhofs eingescharrt.“ Sein
guter Vater sagte kurz vor seinem Tode: „Gebt Acht, der Bube wird ein Komödiant!“ Der gute Mann hat Recht gehabt, – wir aber haben auch Recht, wenn wir rufen: Den Hut ab vor
solchem Komödianten!
„Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich etc.“
Der Beifall, mit welchem die verschiedenen Erläuterungen zu dem Leben und den Werken unserer Dichterfürsten von den Lesern der Gartenlaube aufgenommen sind, hat mich ermuntert, einen kleinen Beitrag zu liefern, in der Hoffnung, daß auch diese Kleinigkeit dazu dienen möge, die unvergänglichen Werke dieser Heroen als einen unerschöpflichen Schatz dem deutschen Volke lieb und werth zu machen. Indem ich die historische Unterlage des in der Ueberschrift angedeuteten Gedichtes zum Gegenstand dieses Aufsatzes mache, beginne ich zunächst mit derjenigen Darstellung , welcher
Schiller unmittelbar den Stoff entnommen hatte. Sie befindet sich in dem Fabelwerke des Hyginus, eines Schriftstellers, der vermuthlich gegen Ende des vierten Jahrhunderts unserer Zeitrechnung lebte. Derselbe erzählt:
„Mörus wollte den grausamen Tyrannen Dionysius von Sicilien tödten, weil derselbe seine Unterthanen auf mannigfache Weise quälte. Die Leibwachen aber ergriffen ihn und führten ihn mit seiner Waffe zum Könige, auf dessen Frage erklärte er, er habe den Tyrannen tödten wollen, worauf der König befahl, ihn zu kreuzigen. Mörus bat um eine Verzugsfrist von drei Tagen, damit er seine Schwester verheirate; er werde seinen Freund und Gefährten Selinuntius stellen, der sich für seine Rückkehr bis zum dritten Tage verbürge. Der König gewährte ihm dieses und sagte zum Selinuntius, daß, falls Mörus nicht an dem bestimmten Tage käme, er dessen Strafe erleiden müsse, wogegen Mörus frei wäre. Nachdem Mörus seine Schwester verheirathet hatte, kehrte er zurück, aber ein plötzlicher Gewitterregen hatte den Fluß so angeschwellt, daß es unmöglich war ihn zu durchwaten oder hinüberzuschwimmen. Mörus setzte sich am Ufer nieder und beweinte seinen Freund, der nun für ihn sterben müsse. Inzwischen befahl Dionysius den Selinuntius zu kreuzigen, weil es schon sechs Uhr des dritten Tages sei und Mörus sich noch nicht gemeldet hätte. Selinuntius entgegnete, der dritte Tag sei noch nicht zu Ende. Um neun Uhr befahl der König abermals, den Selinuntius zu kreuzigen. Unterwegs holte Mörus, der den Fluß glücklich passirt hatte, den Henker ein, und rief ihm von Weitem zu. ‚Halt, Henker, ich, der Verbürgte, bin angekommen.’ Auf diese Nachricht ließ Dionysius Beide vor sich führen und bat sie, ihn als Freund aufzunehmen.“
Polyän, ein Schriftsteller, welcher ungefähr um das Jahr 160 in Rom lebte, giebt eine etwas abweichende Darstellung. Er berichtet wie folgt:
Einige eifrige Anhänger des Pythagoras waren von Parium (in Mysien am Marmara-Meere, jetzt Kemer genannt) nach Italien gekommen, wo sie sich aufhielten. Dionysius, Tyrann von Sicilien, ließ den Metapontinern und anderen italienischen Städten seine Freundschaft anbieten. Evephenus aber rieth seinen jungen Zuhörern und ihren Eltern, dem Tyrannen auf keine Weise zu trauen. Darüber aufgebracht, ließ Dionysius ihn aufgreifen und von Metapont nach Rhegium bringen und ihm vor dem dortigen Gericht den Proceß machen, weil er sich in staatsgefährliche Umtriebe eingelassen hätte. Evephenus erklärte, er habe hierin recht gehandelt, jene jungen Leute wären seine Freunde und Zöglinge, auf den Tyrannen aber habe er gar keine Rücksicht zu nehmen. Er wurde demnach zum Tode verurtheilt. Unerschrocken sagte er zum Dionysius: ‚Ich unterwerfe mich dem Urteilsspruche, da ich aber in Parium noch eine unversorgte Schwester habe, so möchte ich vorher nach meiner Heimath schiffen und die Aussteuer der Schwester besorgen, dann werde ich unverweilt zurückkehren und sterben.’ - Alle lachten über diese Rede, Dionysius aber fragte verwundert, welche Sicherheit er bieten könnte. Er antwortete: ‚Ich werde Dir einen Bürgen für meinen Tod stellen,’ und ließ den Eukritus kommen, den er um diese Bürgschaft ersuchte. Eukritus erklärte sich sofort bereit, diese Bürgschaft zu übernehmen, und es wurde ausgemacht, daß jener abreisen könnte und nach sechs Monaten zurückkehren, dieser aber bis dahin in Haft bleiben müßte. Das war eine wunderbare Sache, noch wunderbarer aber das, was nachher geschah. Denn nachdem Evephenus seine Schwester ausgesteuert hatte, kehrte er nach sechs Monaten nach Sicilien zurück, stellte sich den Behörden und bat, man möchte den Bürgen entlassen. Dionysius, über solche Tugend ganz entzückt, schenkte Beiden die Freiheit, ergriff sie bei der Hand und bat, sie möchten ihn als Dritten in ihren reundschaftsbund aufnehmen und mit ihm seine Glücksgüter theilen. Jene wurden nun Anhänger des Tyrannen, baten aber, da er ihnen das Leben geschenkt hätte, um die Erlaubniß zu ihren gewohnten Beschäftigungen mit der Jugend zurückzukehren. Dionysius willigte ein, und dieses Ereigniß veranlaßte viele Italioten, dem Dionysius Zutrauen zu schenken.“
Aus dieser Darstellung geht hervor, daß Polyän unzweifelhaft den älteren Dionysius im Sinne hatte, während die folgende Erzählung das Ereigniß dem jüngern Dionysius zuschreibt. Ich mache noch darauf aufmerksam, wie in Vorstehendem schon ein schwacher Versuch vorliegt, das Ereigniß mit dem Morgenlande in Verbindung zu bringen, indem Polyän die beiden Freunde zu Pariern macht. Jamblichus und Porphyrius, Biographen des Pythagoras, geben nach Erzählungen von Zeitgenossen folgende Darstellung des Hergangs:
„Die Pythagoräer lehnten jede Freundschaft mit Anderen entschieden ab, bewahrten aber gegen einander Jahrhunderte lang eine unverletzte Freundschaft und Liebe, wie aus dem erhellt, was Aristoxenus in seinem Leben des Pythagoras berichtet. Derselbe sagt, als Dionysius, Tyrann von Sicilien, in Korinth Schullehrer war, habe er von ihm Folgendes gehört. Dionysius, sagte er, erzählte uns oft, daß der Pythagoräer Damon sich für den zum Tode verurtheilten Phintias verbürgt habe. Einige Höflinge machten sich bei verschiedenen Gelegenheiten über die Pythagoräer lustig, indem sie sagten, es wären nur Großprahler, und ihre angebliche Würdigkeit, Treue und Unempfindlichkeit würde bei einer ernstlichen Gefahr nicht Stand halten. Da jedoch andere diesen Behauptungen widersprachen, so beschloß man, es auf einen Versuch ankommen zu lassen. Es wurde ein Angeber angewiesen, den Phintias der Theilnahme an einer Verschwörung gegen das Leben des Dionysius zu beschuldigen, es wurden Zeugen vorgeführt und die Anklage wurde mit allen möglichen Scheingründen unterstützt. Phintias gerieth darüber in Bestürzung, als Dionysius ihm aber ausdrücklich erklärte, die ganze Sache sei schon erforscht und untersucht, und er müsse sterben, bat er, da es nun einmal so weit gekommen sei, man möge ihm den Rest des Tages gestatten, damit er seine und Damon's Angelegenheiten ordne. Diese beiden Männer lebten nämlich in Gütergemeinschaft, und Phintias, als der ältere von ihnen, hatte die Verwaltung ihrer Angelegenheiten übernommen, man möge ihn also einstweilen entlassen, wogegen er Damon als Bürgen stelle. Verwundert fragte Dionysius, ob es irgend einen Menschen gäbe, der sich für einen zum Tode Verurtheilten verbürge, und da Phintias bei seiner Erklärung beharrte, wurde Damon geholt. Als dieser von dem Vorgefallenen in Kenntniß gesetzt war, erklärte er sich bereit, die Bürgschaft zu übernehmen und bis zur Rückkehr des Phintias dort zu bleiben. Dionysius sagte, er sei darüber ganz erstaunt gewesen, die Anstifter des Versuches aber hätten den Damon verhöhnt, der sich gleichsam zu einem Sündenbock mache. Als aber die Sonne sich schon zum Untergang neigte, stellte sich Phintias ein, um zu sterben, zum Erstaunen und zur Enttäuschung aller Anwesenden. Dionysius aber umarmte und küßte die beiden Männer und bat, sie möchten ihn als Dritten in ihren Freundschaftsbund aufnehmen, was sie jedoch ganz entschieden ablehnten. So weit Aristoxenus.“
Ich übergehe die kürzeren Darstellungen des Diodor und römischer Schriftsteller, wie des Cicero, Lactantius und Valerius Maximus, da sie nur geringfügige Abänderungen der hergebrachten Erzählung enthalten. Dagegen kann ich noch zwei anderweitige Berichte über
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 151. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_151.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)