Verschiedene: Die Gartenlaube (1869) | |
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Wenkenhof, gehört dem Herrn Burckhard-Stefani und ist gar vielen Wanderern unvergeßlich, weil sie da mit herzlicher Freundlichkeit aufgenommen und mit großen Ehren bewirthet worden sind. Nicht leicht, daß mir selbst in Italien eine Villa besser gefallen hätte, als diese, denn prachtvolle Baumgänge, stolze Gartenterrassen mit den reichsten Blumenbeeten und funkelnde Springbrunnen verbreiten fürstlichen Glanz, während entzückende Aussichten gegen den Thalweg des Rheins, gegen die Vogesen und die dunkeln Höhen des Schwarzwaldes uns überall begleiten, wenn wir in diesem Paradiese auf und ab wandeln. Den glücklichen Pilgern, die auf der beneidenswerthen Stelle zusammen kommen, bieten sich aber auch die schönsten Ausflüge über Berg und Thal, denn es ist die Landschaft gar reich an Schlössern und Burgen, an schattigen Wäldern und ragenden Felsen, von deren Höhe steil hinunter in’s herrliche Rheinthal und weit hinüber zu sehen ist auf die schneeige Kette der Alpen.
Von hier aus ging ich auf etliche Tage in das Elsaß, wo mir allerlei eigenthümliche Mädchentrachten angezeigt und von den Einsichtigen zur künstlerischen Abwandlung empfohlen waren. Die Trachten sind allerdings sehr schön, aber die Leute sind sehr ungeschmack. Seit diese Alemannen Franzosen geworden, haben sie den besseren Theil ihres Selbsts vielleicht unwiederbringlich eingebüßt. Statt freundlich, gesprächig, liebenswürdig wie die Schwarzwälder, sind sie langweilig, eingebildet und ungeschlacht. Die Franzosen sind keine Fußwanderer – es giebt keine Pariser oder Straßburger Touristen, die in den Wäldern der Vogesen, auf ihren Höhen, in ihren verfallenen Schlössern ihre Kurzweil suchen. Ohne Reiseverkehr giebt’s aber auch keine guten Wirthshäuser und die Verpflegung im Elsaß ist daher sehr dürftig. Nicht einmal meinem Herzen war sie genügend, obgleich sich dieses im Anblick eines hübsch behuteten und bebänderten Mädchenkopfes über schlechtes Fleisch und altbackenes Brod schon oft hinweggesetzt hat. Im letzten elsässischen Hôtel, dessen Namen ich vergessen habe, ward mir eine Stube angewiesen, welche nichts enthielt, als einen dreibeinigen Stuhl und ein Bett, fast so hoch angelegt, wie die Gärten der Semiramis, nur fehlte die Leiter, um diese Höhe zu erklimmen. Gewisse, nicht ganz zu beseitigende Geschäfte, wie Waschen etc., welche man nach altem Herkommen auf dem Tische abzumachen pflegt, mußten hier auf den Boden verlegt werden, weil ein Tisch nicht aufzutreiben war.
Ach, wie gerne hätte ich für mein häusliches Museum eine solche Tracht gesammelt, ein reichgesticktes Häubchen, ein weitausgeschnittenes Mieder, einen rothen Rock und andere derlei süße Erinnerungen! Was mir aber im Schwarzwald allenthalben ohne erhebliches Hinderniß gelungen war, nämlich getragene Charakterstücke gegen leidliches Entgelt eigenthümlich zu erwerben, das war hier unmöglich durchzuführen. Gleiche Sprödigkeit bei Alten wie bei Jungen. Alles Zureden und Bitten, die schönsten Angebote halfen nichts, bis endlich der „Lumpenjudd“ hinzukam und, wie es im Elsaß gebräuchlich, als Mäkler und Vertrauensmann die kleinen Handelschaften für mich abschloß. Darüber ward ich ganz glücklich, aber dem Glücklichen schlägt bekanntlich keine Stunde, und so versäumte ich um ein Weniges den Termin zum Mittagesen. Ach, wie wurde ich da in der Herberge empfangen! Wie gebrauchte der Wirth sein unfläthiges Maul! So ’was gehe da zu Lande nicht, sagte er, da sei man an Ordnung gewöhnt – es sei ihm lieber, wenn ich mich gleich aus dem Staube mache, statt mit so unerträglichen Sitten ihm weiter lästig zu fallen.
Er hatte aber noch nicht ausgeredet, als ich schon mein Bündel schnürte, um auf dem nächsten Wege nach dem Schwarzwalde zu eilen, in seine schattigen Thäler, zu seinen biederen Bewohnern, zu seinen lieblichen Bewohnerinnen. Ich war schon aufgeheitert, als ich wieder über den Rhein gefahren war und meinen Fuß wieder auf deutsches Land setzte, jagte dann aber in immer besserer Laune über Appenweier und Offenburg in die Berge hinein, so daß ich seelenvergnügt in dem kleinen, aber nahrhaften Städtchen Hausach ankam, welches weit hinten im Walde, am Ufer der schäumenden Kinzig liegt, und von alten Burgruinen malerisch überragt wird. Bis hieher reicht jetzt auch die Eisenbahn.
In dieser romantischen Gegend verging mancher Tag belehrend
Verschiedene: Die Gartenlaube (1869). Leipzig: Ernst Keil, 1869, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1869)_165.jpg&oldid=- (Version vom 2.4.2020)