Verschiedene: Die Gartenlaube (1870) | |
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Sie den Retter seiner Ehre nannte, weiß, daß dieselbe durch – den Verlust anvertrauter Gelder bedroht war.“
„Niemand kann Ihnen das gesagt haben, Eva!“ rief er erschüttert. „Kein lebender Mund –“
„O still, Reinhard!“ unterbrach sie ihn; „zwingen Sie mich nicht, Ihnen zu wiederholen, wie ich zu meiner traurigen Kenntniß gelangt bin! Ich sage Ihnen nur: lassen wir die lieben Todten ruhen! – – Der Kummer hat mein Herz gelähmt, aber mein Blick, mein Geist ist dadurch schärfer geworden und auf meinem einsamen Krankenlager in der langen, trüben Zeit habe ich mir Alles, was noch an dem Zusammenhange fehlte, zurecht gedacht. – Als ich dann die hinterlassenen Bücher und Papiere meines Vaters studirte – ich habe das auch jetzt erst gelernt, Reinhard,“ unterbrach sie sich mit einem schwachen Lächeln – „fand, ich, daß er aus eigenen Mitteln die fehlenden Gelder nicht hätte ersetzen können – und da wußte ich auch, wessen Hülfe sie ihm verschafft, seinen Namen unbefleckt erhalten hatte. Wenn ich Ihnen jetzt das geliehene Geld wiederbringe,“ fuhr sie fort, indem sie ein Päckchen mit Banknoten auf den Tisch legte, „so ist es mit heißem Dank – –“
„Unmöglich, Eva, ich kann das Geld nicht nehmen!“ unterbrach er sie heftig.
„Sie dürfen sich nicht weigern, Reinhard! Ich bitte, ich flehe Sie darum an, als die Tochter meines Vaters und – als das Weib Adalbert’s!“ fügte sie leise und, wie es schien, mit unsäglicher Anstrengung hinzu.
Eine Secunde schwieg er ergriffen, dann aber sagte er: „Wohlan, so hören Sie meinen Vorschlag, Eva! Annehmen kann ich das Geld nicht – ablehnen darf ich es nicht; aber hier in der Stadt ist eine Stiftung zur Unterstützung von Familien, denen der Versorger geraubt ist und denen ihre Stellung nicht erlaubt, sich öffentlich um die Wohlthätigkeit ihrer Mitmenschen zu bewerben; sie hat schon viel Segen gespendet – wollen Sie, daß ich ihr das von Ihnen empfangene Geld als ein Vermächtniß Ihres Vaters übergebe?“
Eva nickte nur zum Zeichen ihrer Einwilligung – sprechen konnte sie nicht. Beide bedurften einiger Augenblicke, um sich zu sammeln; dann sagte Eva: „Meine Mission ist nun erfüllt!“ und neigte abschiednehmend ihr Haupt.
Schon hatte Beider Mund das Lebewohl ausgesprochen, als er plötzlich ihre Hand ergriff und zu ihr sagte:
„Eva, Sie forderten einst von mir, ihr Freund zu bleiben. Damals konnte ich nicht anders: ich mußte mich von Ihnen losreißen! Jetzt aber bitte ich Sie selbst: lassen Sie mich Ihren Freund sein wie ehedem!“
„Wie ehedem!“ wiederholte sie und sah trübe lächelnd zu ihm auf „Wohl, Reinhard, ich danke Ihnen!“
Cabale und Liebe, großes Oratorium von Fr. von Schiller.
Unter diesem Titel ging in San Francisco am vergangenen Sonntag
jenes ergreifende Trauerspiel unseres deutschen Lieblingsdichters über die
Bretter, welche die Welt bedeuten.
Die deutsche Muse ist in der großen Goldstadt am Stillen Meere in eine wunderliche Stellung gerathen; am Sonntag wagt sie sich nur im geistlichen Gewande auf die Bühne. Ein altes californisches Gesetz verbietet nämlich am Sonntage „Stiergefechte, Hahnenkämpfe, Theater und andere barbarische Vergnügungen“ (bull fights, cock fights, theatres and other barbarous amusements). Da aber Alles unter dem Namen heilig (sacred) am Tage des Herrn erlaubt ist, so giebt es hier doch mitunter dann deutsches Theater, das als heiliges Concert, als Oratorium oder dergleichen annoncirt wird, damit es den gottesfürchtigen Amerikanern nicht gar zu anstößig werde. Concerte, bei denen Tanz- und Opernmusik die Hauptrolle spielt, werden als „heilige Concerte“ (sacred concerts) aufgeführt; sogar heilige Seiltänzer und heilige Circusreiter etc. haben schon in San Francisco ihre Kunst an Sonntagen zum Besten gegeben.
Seit Jahren haben die hiesigen Deutschen bei den Gerichten des Landes darauf hingearbeitet, daß jenes pietistische Gesetz in Bezug auf deutsche Theatervorstellungen am Sonntag für ungültig erklärt werde. Die californischen Richter entschieden aber in höchster Instanz, daß Theatervorstellungen unter die Classe von barbarischen Vergnügungen zu zählen seien, und dabei blieb es. Bierkeller und Tanzlocale dagegen dürfen nach californischem Gesetze am Sonntag offen sein; einen Schluck vom edlen Gerstensafte kann ein ehrlicher Deutscher in San Francisco auch am Sonntag zu sich nehmen, ohne, wie in manchen östlichen Städten der Union der Fall ist, dafür straffällig zu werden.
Nur zu Zeiten, wenn die Amerikaner die Deutschen als Stimmgeber bei Wahlcampagnen gebrauchen und wenn die herrschende Partei in der Stadt es nicht mit ihnen verderben will, drückt die hohe Obrigkeit ein Auge halb zu und nimmt keine Notiz von einer deutschen Theatervorstellung an einem Sonntag. Die Zeit der Freude dauert aber selten lange. Trotz aller frommen Ausflüchte und der größten Vorsicht seitens der Deutschen, den Amerikanern nicht durch zu große Publicität jener unschuldigen Amüsements unangenehm zu werden, werden ihre allerdings nichts weniger als heiligen Sonntagsconcerte, Oratorien etc. in der Regel grausam vom Gesetze verfolgt. Wenn keine Wahlen in Aussicht stehen, pflegen die Amerikaner in dieser Beziehung hier wenig Federlesens mit ihren den Sonntag entheiligenden barbarischen deutschen Mitbürgern zu machen: die als Minimum angesetzte Geldstrafe von fünfzig Dollars folgt den theatralischen Vorstellungen auf dem Fuße und wird an jedem Sonntag verdoppelt, und bald müssen jene bis zur nächsten Wahl immer seltener werden oder ganz aufhören. Die Sonntage sind aber die Haupttage für die hiesige deutsche Theatercasse und ohne Sonntagsvorstellungen kann in San Francisco kein deutsches Theater auf die Dauer bestehen. Die deutsche Muse fühlt sich daher leider am Gestade des Stillen Oceans immer noch nicht recht wie zu Hause; nur gelegentlich stattet sie uns eine Visite ab, und wagt sich, wie gesagt, auch dann am Sonntag nur im geistlichen Gewande auf die Bühne.
San Francisco, am 23. November 1869.
Radetzky’s graue Couverts. Heute weniger, als je, widerspricht
man in Oesterreich der Behauptung, daß des alten Feldmarschalls sogenannte
„italienische Armee“ vor und nach seinen schweren Kampf- und glänzenden
Siegestagen gegen Sardinien und das italienische Volk zu den Mustertruppen
Europa’s gehörte. Nicht so bekannt ist es, daß zu seinen Mitteln, den
trefflichen Geist seiner Mannschaft – wir reden natürlich nur von der
kaiserlichen Militärdisciplin – auch im Frieden zu erhalten, eine außerordentliche
Strenge gegen die höheren Officiere gehörte. Nach jeder der
damals unter ihm in Oberitalien so häufigen größeren und kleineren Revüen
erging ein gefürchtetes Gericht über das gesammte Officiercorps und namentlich
waren Aenderungen im Personal der höheren Führer damit keine Seltenheit.
Und so weit trieb der geistreiche alte Held die Schärfe seiner Strafen,
daß an der Farbe des Couverts der mehr oder weniger zu fürchtende Inhalt
zu erkennen war. Die gefährlichsten Couverts aber waren die grauen:
sie bargen in der Regel eine Beseitigung vom bisherigen Posten des
Adressaten. Diese Notiz verdanke ich einem der Adjutanten des Feldmarschalls
im italienischen Kriege, dem jetzigen Obersten Gr. M. In seinem
frischen Husarenhumor deutete er darauf hin, daß gar leicht der alte Herr
bei seiner Farbenwahl das vom Soldatenwitz damals vorgeschlagene neue
Armee-Gesetz im Sinne gehabt habe; dasselbe bestand nur aus zwei Paragraphen,
und diese lauteten: „§. 1. Kein General darf ein Esel sein, –
und §. 2. Kein Esel darf ein General sein.“
Bock’s bekanntes Schulbuch: „Bau, Leben und Pflege des menschlichen
Körpers in Wort und Bild“ ist vor einigen Tagen von dem österreichischen
Ministerium für Cultus und Unterricht zur Anschaffung für die Volksschulen
und Lehrerbildungsanstalten der kaiserlichen Staaten im Verordnungsblatt
dringend empfohlen worden. Die preußischen Oberschulbehörden hatten bis
jetzt für dieses von allen pädagogischen Zeitschriften glänzend besprochene
Buch kein Wort der Sympathie, trotz alledem ist das vortreffliche Werk
bereits in vielen preußischen Schulen eingeführt und in Tausenden von
Exemplaren verbreitet.
Berichtigung. Aus Hannover geht uns, im Widerspruch mit unserem Artikel in Nr. 51 des vor. Jahrg., die berichtigende Mittheilung zu, daß
nicht die Stadt Hannover an Iffland’s Geburtshaus eine Gedenktafel anbringen
ließ, sondern daß es vielmehr einzig und allein die Mitglieder des
dortigen königlichen Hoftheaters waren, welche die Tafel beschafften und
welche auf Anregung aus eigener Mitte und mit Unterstützung der Intendantur
der königlichen Schauspiele die längst fällige Ehrenschuld an den
Verstorbenen zahlten.
E. Bhler. in Trogen, Appenzell. Der beste Stich nach Leonardo
da Vinci’s Abendmahl ist der von Raffael Morghen. In gewöhnlichen
modernen Abdrücken verkauft die Kunsthandlung von Börner in Leipzig für
25 Thaler, in älteren Abdrücken je nach der Schönheit derselben zu 50 bis
80 Thaler, einen ganz vorzüglichen für 120 Thaler. (Ein Künstlerprobedruck
dieses Stiches wurde vor einigen Jahren in Berlin für 2400 Thlr. verkauft.)
In derselben Größe hat das Bild auch F. Wagner gleichfalls vorzüglich
gestochen. Dieses Blatt ist zum Einrahmen sehr zu empfehlen und kostet
8 Thaler in gewöhnlichen Abdrücken mit der Schrift, weiß Papier, und
16 Thaler vor der Schrift.
Inhalt:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1870). Leipzig: Ernst Keil, 1870, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1870)_048.jpg&oldid=- (Version vom 15.1.2019)