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Seite:Die Gartenlaube (1871) 067.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

„Hm! Sie scheinen nicht recht gescheidt zu sein!“

„O Herr Capellmeister! Meine Hochachtung für Sie ist so groß! ... Leider habe ich nur diese hundert Gulden bei mir ...“

„So mir nichts, dir nichts, ohne Schuldschein? ... Hören Sie, das ist mir neu!“

„Bitte nur der Form wegen dieses Wechselchen hier unten mit Ihrem Namen zu zieren, es erhielte dieses Papier dadurch schon als Autograph seinen Werth ... “

„Sie sind ein Narr! ... Aber Sie legen hier Einhundert Gulden her, und da steht ja: ‚Drei Monate a dato zahlen Sie Zweihundert Gulden‘! ... Ah! So meinen Sie das! Ich bitte Sie nun recht sehr um Verzeihung! Ich habe Sie einen Narren genannt, aber Sie sind ein Hallunke!“

Beethoven war dabei aufgesprungen und sprach den letzten Satz mit solcher Donnerstimme, daß das Gesicht des Schelmen, der offenbar über Beethoven’s Verhältnisse und Persönlichkeit genau unterrichtet war und hier auf ihn gewartet hatte, einen Augenblick wie versteinert erschien. Dann aber hielt es der Herr „Verehrer“ des „großen Meisters“ für gerathen, ohne Zögern das Weite zu suchen. Beethoven fand diese Scene so komisch, daß er in ein lautes Lachen ausbrach. Dieser Zwischenfall trug dazu bei, daß er seinen Humor noch den ganzen Tag über behielt.

Am Abende trat die Stunde ein, um welche er sich zur Soirée des Musikgrafen zu begeben hatte. Beethoven kleidete sich rasch an und verließ das Haus. Am Thore angekommen, erwartete ihn eine gräflich Dietrichstein’sche Equipage, und ein Diener, der ihn erkannte, lud ihn ein, sich ihrer zu bedienen. Beethoven nahm jedoch nicht die mindeste Notiz davon, und setzte seine Wanderung trotz der schmutzigen Straßen zu Fuße fort.

Im Salon des Grafen eingetreten, ward er von diesem und einer großen Anzahl bekannter Persönlichkeiten, wie dem Geschichtsschreiber Joh. v. Müller, den Schriftstellern Hormayr, Maylath, Steigentesch, den Musikern Weigl, Gyrawaty, den Malern Füger, Lampi, Vater und Sohn, dem Bildhauer Zauner und Anderen mit ungeheuchelter Freudigkeit begrüßt. Beethoven fühlte sich ungewöhnlich animirt, und unterhielt sich in lebhafter Weise. Er benahm sich dabei so coulant, mitunter fein und witzig, daß Alle entzückt von ihm waren, und sie mußten sich sogar gestehen, daß er nirgends, außer was seine sehr kothigen Schuhe anbelangte, gegen den Ton eines so „eleganten“ Salons auch nur im Geringsten verstoßen habe.

Als sich die Gesellschaft, mit ihr Beethoven, entfernt hatte, war es besonders Graf Dietrichstein, welcher über die treffliche Art, mit welcher der Meister aufgetreten war, seine Freude ausdrückte. Das hatte aber, wie wir sogleich erzählen werden, seinen guten Grund, der übrigens dem edlen Sinne des Grafen alle Ehre machte.

Wenige Tage später hatte Dietrichstein Gelegenheit, mit dem Kaiser Franz über diese Soirée zu sprechen.

„Sehen Sie, wie man diesen Beethoven verleumdet,“ bemerkte der Kaiser. „Und bei Ihnen hat er sich so tadellos benommen!“

„Wie ich bereits die Ehre hatte, Ew. Majestät zu versichern.“

„Sehen Sie, Graf, das freut mich! Ich hätte den Menschen gerne bei mir gesehen, aber ich habe mich vor ihm gefürchtet! Ich sag’s offen. Nicht wegen seiner Staats-Schrullen, auch nicht wegen der Ungeschminktheit seiner Rede, im Gegentheil mir sagt das gar nicht übel zu, es ist mir recht, wenn Einer redet, wie er denkt, aber, wissen Sie, Graf, ohne alle Grenze, das ginge denn doch nicht!“

„Ich wiederhole Majestät, daß alle bei meiner Soirée Anwesenden einstimmig Beethoven’s Benehmen anerkannten.“

„Dann will ich nachdenken, wie ich’s mache, den merkwürdigen Menschen in der Nähe zu sehen.“

„Ich glaube versichern zu dürfen, daß sich Beethoven dieser Gnade Ew. Majestät würdig zeigen werde.“

„Na, ich werde sehen, wie sich’s machen läßt.“

Damit war die Besprechung dieses Gegenstandes zu Ende. In einer der folgenden Wochen aber erschien bei Ludwig van Beethoven ein k. k. Kammerherr. Er überreichte dem Meister ein beschriebenes Blatt Papier. Auf demselben war zu lesen:

„Se. Majestät der Kaiser haben mich beauftragt, Herrn von Beethoven für .... den ..... Uhr zu einer Quartettproduction in den Appartements Sr. Majestät einzuladen. Es würde Herrn von Beethoven’s Anwesenheit den Kaiser um so mehr freuen, als an diesem Abende eine Composition von Herrn von Beethoven executirt wird.“

Beethoven war frappirt. Mit Ausnahme des Erzherzogs Rudolph hatte ihm noch kein anderes Mitglied des kaiserlichen Hofes eine besondere Aufmerksamkeit zu Theil werden lassen und zwar, wie Beethoven selbst nicht unbekannt sein konnte, wegen seiner „republikanischen“ Gesinnungen oder vielmehr wegen der rücksichtslosen Offenheit, mit der er dieselben aussprach. Der Meister wußte daher offenbar nicht, was er zu dieser unerwarteten Einladung nach Hofe sagen sollte. Er verbeugte sich stumm vor dem Kammerherrn, und dieser entfernte sich, nachdem er den Verständigungszettel wieder zu sich gesteckt hatte.

Ob nun Beethoven entschlossen war, der auszeichnenden Einladung Folge zu leisten oder nicht, vermögen wir nicht zu sagen. Als der Tag und die Stunde aber heranrückten, welche ihm zum Erscheinen beim Kaiser bestimmt waren, traf man ihn, wie seit langer Zeit täglich, in der – Gaststube des Wirtshauses zur „Schnecke“! Es währte nicht lange, so erschien derselbe k. k. Kämmerer, der Beethoven die Einladung überbracht hatte, ebenfalls im Gasthause zur „Schnecke“. Der Hofmann war außer Athem. Man wartete bei Hofe auf Beethoven, und als er nicht erschienen, stürzte der Kammerherr ab, den Säumenden zu suchen. Mühsam entdeckte er dessen Aufenthalt im Gasthause. Vergebens mahnte er den Meister, der wieder in der übelsten Laune war, der „Allerhöchsten“ Einladung doch Folge zu geben. Beethoven war nicht zu bewegen. Der Kammerherr aber glaubte, nachdem er alle Motive erschöpft hatte, den Sonderling dadurch aufrütteln zu können, daß er dessen Künstlereitelkeit in’s Mitleid zog.

„Aber bedenken Sie doch, Herr von Beethoven,“ sagte er, „daß ein Quartett Ihrer Composition gespielt wird, und daß der Kaiser selbst einen Part übernommen hat!“

Beethoven sah den vor Aufregung in Schweiß triefenden Kammerherrn ruhig an, und sagte dann: „Alles recht, aber schöner habe ich mein Quartett schon gewiß spielen gehört! Das werden Sie zugeben!“

Dies war natürlich dem Kammerherrn zu viel. Wie ein Windspiel jagte er zur Thüre hinaus, Beethoven aber blieb unerschütterlich bei – der „Schnecke“! –

So wenig nun diese Geschichte auch bekannt wurde, so trug sie doch in gewissen Kreisen wohl dazu bei, daß Beethoven so selten als möglich mit Einladungen bedacht wurde, was aber Niemandem lieber war, als eben – Beethoven. Dennoch wandte im nächsten Sommer ein auswärtiger Fürst, der eben in Wien weilte, Alles an, um Beethoven zu bewegen, einer Soirée durch dessen Anwesenheit besonderen Glanz zu verleihen. Beethoven schien geneigt zu sein, der überaus freundlichen Einladung nachzugeben, denn am Abend des bestimmten Tages fuhr er von Heiligenstadt, wo er damals den Sommer zubrachte, mit dem „Stellwagen“ in die Stadt. Auf der „Freiung“ stiegen die Passagiere aus, mit ihnen Beethoven. Statt aber seine Schritte nach dem Orte zu lenken, wo er erwartet wurde, trat er, wahrscheinlich weil es ihm zur Soirée noch zu früh scheinen mochte, in das Café ein, welches sich zu jener Zeit auf der „Freiung“ im Hause des Hôtels „Zum römischen Kaiser“ befand. Er nahm eine Tasse Kaffee und eine Zeitung zur Hand. In die Lectüre derselben vertieft, merkte er erst spät, daß eine geraume Zeit dabei verstrichen war. Rasch erhob er sich und ohne seinen Kaffee zu bezahlen, eilte er zur Hinterthür hinaus.

Ein unglücklicher Zufall war es, daß an diesem Tage ein neuer Marqueur in das Geschäft getreten war. Beethoven, der sehr oft in dieser Localität verweilte, wenn er eben auf die Abfahrt des Heiligenstädter Stellwagens warten mußte, war dem neuen Diener des Kaffeehauses unbekannt. Deshalb geschah es, daß der unglückselige Diener in dem ihm fremden, somit schon halb verdächtigen Kauz einen Menschen erblickte, der, wie es in Wien vorzukommen pflegte und noch heute vorzukommen pflegt, mit der Zeche durchzubrennen beabsichigte.

„He! Sie haben Ihren Kaffee nicht bezahlt!“ rief er Beethoven nach.

Dieser, da er nicht hörte, setzte seine eilige Wanderung zur Thüre hinaus fort. Der Marqueur aber eilte dem „Flüchtlinge“ nach. In dem

Corridor, der zum Ausgangsthore führte, faßte er

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Leipzig: Ernst Keil, 1871, Seite 67. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_067.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)
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