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Seite:Die Gartenlaube (1871) 440.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1871)

Blätter und Blüthen.

Zahnoperation unter Schwierigkeiten. Die Besucher von Mauder’s Menagerie (der reichhaltigsten Englands), augenblicklich in Glasgow, waren am verflossenen Mittwoch (31. Mai) Augenzeugen einer gewiß in ihrer Art einzig dastehenden Operation, über deren Verlauf im Allgemeinen die Zeitungen zwar bereits berichtet haben, deren nähere Umstände wir aber unseren Lesern nach einer directen Mittheilung vom Operationsplatze her schildern können. Es handelte sich nämlich um nichts mehr und nichts weniger als einem ausgewachsenen starken Löwen einen hohlen Zahn auszuziehen.

Maccomo, der berühmte Löwenzähmer in Mauder’s Menagerie, hatte vor einiger Zeit diesem Löwen bei der Dressur einen derben Schlag über die Kinnlade versetzt, da ihn Erfahrung gelehrt, daß Schläge auf andere Theile des Kopfes, wenn das Thier gereizt wurde, ohne Wirkung blieben und ihn großer Gefahr aussetzten. Durch diesen Schlag scheint der Löwe ziemlich bedeutend verletzt worden zu sein; er wurde sehr niedergedrückt, fraß wenig, und was ihm gereicht wurde, mußte in feine Stücke geschnitten werden.

Herr Mauder erwähnte dieses Gegenstandes vorige Woche seinem Arzte, welcher sofort die Vermuthung aussprach, daß wahrscheinlich durch den erwähnten Schlag ein Zahn gelockert oder die Kinnlade zerschlagen worden sei. Er bot sich ferner an, den Löwen zu operiren, vorausgesetzt, daß Herr Mauder die Bestie sicher fesseln könnte. Diese freiwillige Offerte wurde nach kurzem Ueberlegen von Herrn Mauder angenommen und der Tag bestimmt. Zuerst wurden die Vorderfüße gesichert und mit starken Seilen an dem doppelt starken Eisengitter befestigt; sodann wurde der Kopf mit einem Lasso gefangen und ebenfalls mit Seilen derart angebunden, daß das Thier sich mit dem Vorderkörper so wenig wie möglich bewegen konnte. So gefesselt überließ man die Bestie ihrer Wuth, und schrecklich, aber zugleich erhaben war es anzuschauen, wie sie sich von der Umgürtung zu befreien suchte und dabei brüllte, daß es Einem Mark und Bein erschütterte. Den fürchterlichen Anstrengungen folgte nach einer halben Stunde vollständige Ermattung, und jetzt war der Augenblick gekommen, die Operation vorzunehmen.

Ohne Zagen bestieg der Doctor, von einem andern Arzte begleitet, eine vor dem Käfige aufgestellte Tonne; ein Stück Holz wurde dem Thiere vorgehalten und gierig schnappte es nach demselben und in den offenen Rachen wurde sofort eine Maulsperre geschoben. Nachdem der Rachen gehörig ausgewaschen, das Werk von einer Minute, steckte der unerschrockene Doctor seinen Arm in denselben, strich mit seiner Hand über die Zähne und fühlte im nächsten Augenblick, daß einer der Hinterzähne lose war. – Ueberzeugt, daß dies die Ursache des Uebels, machte er sich sofort daran, mit bereit gehaltenen Zangen den Zahn herauszunehmen.

Wahrhaft grenzenlos war nun die Wuth des Thieres, das Gebrüll ohrzerreißend, und die Angst um den waghalsigen Doctor unbeschreiblich. Unbeirrt setzte er jedoch das begonnene Werk fort und nach einigen Minuten hatte er die Genugthuung, den losen Zahn, der an der Wurzel angefressen und außerdem zerbrochen war, in seinen Händen zu haben.

Vollständig niedergebrochen durch Wuth und Schmerz, sank das stolze Thier zu Boden, während es aber ruhig dalag, schnitt der Doctor in das Fleisch der unteren Kinnlade und fand, daß dieselbe, wenn nicht gebrochen, so doch stark beschädigt sei. Der Zustand des Thieres ließ jedoch eine weitere Operation für diesen Tag nicht zu, und Herr Mauder will auch erst sehen, ob eine solche nöthig ist. Die neuesten Bulletins über den Zustand des hohen Patienten, der jetzt mit Fleischbrühe und Bordeauxwein ernährt wird, lauten günstig. Die ganze Operation mit Einschluß des Fesselns nahm nur anderthalb Stunden in Anspruch.

     London, Anfang Juni.

F. W. Reuß.

Die Rüge des Illustrations-Diebstahls, welche wir in Nr. 22 der „Gartenlaube“ veröffentlichten, hat uns noch einige andere Zusendungen eingebracht, die uns leider von der überraschenden Vielseitigkeit überzeugen, mit welcher dieses Gaunergeschäft der Illustrations-Fabrikanten unterster Ordnung betrieben wird. Einer unserer Leser weist uns eine lange Reihe der Gartenlaube entnommener Bildwerke in solchen periodischen Blättern nach, die allerdings durch ihre ebenso massenhafte als billige Production den Verdacht nicht reellen Geschäftsganges selbst herausfordern. Versteigt sich doch dieser Illustrations-Diebstahl bis in die Volksbilderbogen. Im Jahrgang 1867[WS 1] theilte die „Gartenlaube“ (S. 28 und 29) eine größere Illustration mit, welche den Heldentod des Prinzen Anton von Hohenzollern in der Schlacht bei Königsgrätz darstellt. Die bei Eduard Stange in Berlin erscheinenden buntbeklecksten Bilder aus dem „deutsch-französischen Krieg von 1870“ benutzen die ganze Hauptgruppe dieses Bildes, um sie ohne Weiteres vor die Speicherer Höhen zu versetzen, nur wird der Prinz hier nicht tödtlich verwundet, denn der ihn bei Königsgrätz auffangende Mann muß ja einen Turco beim Kragen fassen, sonst ist bis zu den Granatsplittern in der Luft Alles getreue, wenn auch spottschlechte Copie, unter die man eben flottweg statt „Königsgrätz“ – „Speicherer Höhen“ schrieb. –

Was nun die Rüge betrifft, welche wir über das Stuttgarter Illustrirte Blatt verhängen mußten, so müssen wir, zur Steuer der Wahrheit, hier nachtragen, daß der Herausgeber und Verleger der betreffenden Zeitschrift uns von seiner völligen Schuldlosigkeit an diesem unsauberen Treiben überzeugt hat und daß die ganze Schuld auf den Zeichner fällt, der außerdem wiederum von einem anderen, seinem Hülfszeichner, angeführt worden sein will. Der Verleger theilte uns noch mehrere von demselben Zeichner ihm gelieferte Illustrationen mit, und in der That waren auch zwei von diesen aus vier Bildern der Gartenlaube zusammengesetzt!

Die Unmöglichkeit für eine Redaction, derlei Unredlichkeiten sofort zu entdecken, liegt auf der Hand. Einer unserer Leser erklärt es für eine Pflicht des gesammten Publicums, die Redactionen auf solche perfide Kunststückchen aufmerksam zu machen, und das könnte allerdings das beste Mittel sein, Leute, welche sich zu den „Künstlern“ zählen, von solchen schmutzigen Erwerbswegen zurückzuschrecken.


Germania-Gruß den heimkehrenden Siegern. (Mit Abbildung.) Als die alte Schlachtenstadt Leipzig das große deutsche Sieges- und Friedensfest mitfeierte, schmückte den Marktplatz die Riesenstatue einer Germania, die als ein gelungenes Werk des Leipziger Bildhauers Louis Albrecht allgemeine Anerkennung fand. Das Standbild, aus vergänglichem Material für den augenblicklichen Zweck hergestellt, verdiente, nach einem vielfach ausgesprochenen Wunsche, wenigstens als Bild erhalten zu werden, und so entstand die Germania unserer heutigen Nummer.

Absichtlich haben wir diesen schönen Marktschmuck bis jetzt zurückgehalten und bringen ihn erst heute in die Oeffentlichkeit, um ihn unseren heimkehrenden Siegern als grüßende Germania aufzustellen, die ihnen den schwererrungenen Lorbeer entgegen hält.

Ja, sie verdienen eine solche Begrüßung, unsere Männer und Jünglinge der Waffen und Thaten. Noch ist der Jahrestag nicht erreicht, an welchem im Jahre 1870 Deutschland durch die Kriegserklärung Frankreichs aus seiner langen Friedensgewohnheit aufgerüttelt worden war, und schon ist einer der furchtbarsten Kämpfe zwischen den beiden mächtigsten Militärstaaten der Welt entschieden und der Herausforderer liegt, aus tausend Wunden blutend, am Boden. Wie zur Wacht am Rhein das Idealbild der Jungfrau Germania die Völker führte, wie sie mit Schild und Schwert in Bildern und Liedern voran in die Schlachten zog, so tritt sie heute, die hehre Belohnerin der großen Thaten, mit der Reichskrone auf dem Haupt und dem Lorbeer- und Eichenkranz in der Hand, den heimkehrenden Helden entgegen und begrüßt sie an den Marken der Länder, an den Thoren der Städte und beim Siegesfeste vor den Königsburgen. Möge die Germania der Gartenlaube auch ihr bescheiden Theil zur Verherrlichung der Siegesheimkehr beitragen und Gott den Segen, den er über den Auszug unserer Heere verbreitete, nun auch über deren Einzug ergießen!


Druckfehler. Nr. 23, Seite 381, Spalte 2, Zeile 36 streiche das Komma und lies: Munificenz unserer Fürsten.


Nicht zu übersehen!

Mit dieser Nummer schließt das zweite Quartal unserer Zeitschrift. Wir ersuchen die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das dritte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung.

Aus den vielen interessanten Beiträgen, welche für das nächste Quartal der Gartenlaube bereits druckfertig vorliegen, heben wir, abgesehen von den fortlaufenden Kriegserinnerungen sowie den Berliner Einzugsbildern, nur die des novellistischen Theils hervor. Außer den Schlußcapiteln der E. Werner’schen Novelle „Ein Held der Feder“ wird derselbe eine kurze Erzählung von E. Vacano unter dem Titel „Das Geheimniß des alten Kärner“ enthalten und dann Anfang August mit dem Abdruck des längst erwarteten Romans beginnen:

„Das Haideprinzesschen“
von E. Marlitt.
Die Redaction.

manicula  Zur Beachtung! manicula

Um die Nummernbezeichnung unserer Zeitschrift, deren Nr. 1 bereits Ende December vergangenen Jahres ausgegeben worden ist, wieder in genauen Einklang mit der Wochenzahl des laufenden Jahres zu bringen, sind wir genöthigt, das Erscheinen der Gartenlaube in der nächsten Woche ausfallen zu lassen. Die erste Nummer des neuen Quartals (27) wird in gewohnter Weise am 7. Juli hier expedirt werden.

Die Verlagshandlung.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1869
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1871). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1871, Seite 440. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1871)_440.jpg&oldid=- (Version vom 23.3.2023)
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