Verschiedene: Die Gartenlaube (1872) | |
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Noch ein Düsseldorfer Meister. (Mit Abbildung und Portrait.) Es war Ende der Vierziger Jahre, als, mit den socialen Bestrebungen jener Zeit zusammenfallend, in Düsseldorf ein Bild entstand, das berufen war, dort und dann später überall in Deutschland das größte Aufsehen zu machen. Wir meinen die noch heute vielbewunderten „Schlesischen Weber“; der Künstler aber, aus dessen begabter Hand das Bild hervorgegangen, und der seinen Ruhm damit ebenso rasch als dauernd begründet hatte, hieß Karl Wilhelm Hübner, dessen wohlgetroffenes Portrait wir unseren Lesern in der heutigen Nummer der Gartenlaube bringen. Mit diesem Bilde hatte K. W. Hübner – damals ein noch junger, ehrgeiziger Künstler – nach manchem Ringen und mancher Anstrengung, die sich bis dahin nur im engern Kreise belohnt und anerkannt gesehen, ein neues Gebiet betreten, dem man späterhin die Bezeichnung „Tendenziöse Richtung“ gab, und das ihm von Anfang an zu reiche und glänzende Erfolge bot, als daß er nicht befriedigt, belohnt und hoffnungsfreudig hätte weiter streben müssen auf der neubetretenen Bahn.
Mit welchem Glücke ihm dies gelingen werde, davon hat sich der heute im siebenundfünfzigsten Lebensjahre stehende Künstler als Knabe wohl noch wenig träumen lassen. Denn als der Sohn eines einfachen, wenn auch sehr thätigen Bauhandwerkers war er eben wieder zum Baufach bestimmt und hätte vielleicht dem Willen des Vaters Folge leisten müssen, wenn ihm das Glück nicht in der Schule seiner Vaterstadt Königsberg in Ostpreußen einen Zeichenlehrer zugeführt hätte, der den von ihm als talentvoll erkannten Knaben auf’s Eifrigste angefeuert und es verstanden hätte, auf seine Fortschritte die Augen vieler mit der Kunst vertrauter Männer zu lenken.
Nach einem ersten Unterricht in der edeln Malerkunst durch den Prof. J. Wolf, dessen Andenken der ehemalige Schüler heute noch mit dankbarem Herzen ehrt, fanden sich denn auch durch die Unterstützung des menschenfreundlichen und für alles Schöne begeisterten Kaufmanns F. .W. Kahle in Königsberg die Mittel, den ehrgeizigen Jüngling auf die Akademie zu Düsseldorf zu schicken, wo er nach beendigten zweijährigen Vorstudien in das Atelier des für die Kunst zu früh geschiedenen Professors Karl Sohn trat, in welchem er bis zum Jahre 1841 verblieb. Nach dieser Frist arbeitete er selbstständig, immer vorwärts strebend, nach immer größerer Vervollkommnung ringend, bis er endlich mit dem schon erwähnten Bilde „die schlesischen Weber“ jenen großen Wurf that, der jedem Menschen Einmal im Leben glücken muß, wenn er es zu etwas Besonderem und Außerordentlichem bringen will.
Bei dem hohen Interesse, das man von nun an dem jungen Maler entgegentrug, lag für ihn die Gefahr nahe, auch minder gute Bilder auf Kosten der von ihm gefaßten hohen Meinung zu schaffen. Aber die Kunst stand ihm zu hoch; er vertiefte sich nur in ein desto fleißigeres Studium der schönen Menschennatur, die ihm stets das höchste Vorbild seiner Darstellungen war, und hat denn so als wirklicher Meister Bilder geliefert voll ergreifender Wirkung, voll dramatischer Größe, ausgezeichnet durch markige Farbe und treue Nachbildung des Lebens. Dabei ist Hübner einer der fleißigsten Künstler; denn sein Pinsel hat eine staunenswerthe Anzahl von Bildern geschaffen, unter denen sich viele von beträchtlichen Dimensionen befinden. Hier ist uns leider nur möglich, einzelne aus der großen Reihe anzuführen, namentlich: „Arme Weberfamilie, der Hülfe in der Noth kommt“; „der eingeschlafene Holzdieb“; „die Auspfändung“; „die Wucherer“; „Mittagsruhe der Landleute“; „ein Waisenpaar am Grabe der Eltern“; „der Wilddieb und sein Sohn“; „die Rettung aus der Feuersbrunst“ etc. Hübner’s Gemälde sind wohl in allen bedeutenden Galerien und Gemäldesammlungen vertreten. In den letzten Jahren gehen die Werke des Meisters, der Düsseldorf nicht mehr verlassen hat, wo er der Akademie als Professor angehört, fast alle nach Nordamerika; dort hat sein Name einen guten Klang, ja es befinden sich selbst in Südamerika mehrere seiner Schöpfungen.
Zu den jüngsten derselben gehört das Bild, das wir gleichzeitig mit dem Portrait des Malers unsern Lesern vorführen und das sich deutlich genug von selbst erklärt, ohne daß es unserer Unterschrift bedurft hätte: „Erster Besuch der Schwiegereltern bei den Zwillingen“. Der Schauplatz ist ein holländisches Schifferhaus, in welchem sichtbarer Wohlstand herrscht und in das nun auch der Storch seine Doppelgabe getragen hat. Vater und Mutter des jungen Mannes sind eben gekommen, sich die drallen Kleinen zum ersten Mal anzusehen, die zu Füßen der glücklichen Mutter, im schmucken Korbe schlummernd und friedfertig sich ihres jungen Daseins freuen. Die Schifferstube ist reich mit Schildereien geschmückt; auf den Regalen stehen die silberblanken Schüsseln und feinen Gläser, beides der Hausfrau Freude und des Mannes Stolz, der Manches davon aus fernen Landen mitgebracht hat. An der zierlichen Takelage des Schiffsmodells aber ist fürwahr die schwielige Hand nicht zu verkennen, die sonst in Sturm und Wetter, in Hitze und Kälte das Steuer führt und die Segel refft.
Zu „Eismeer und Tintenfaß“ Nachträgliches. Jener Artikel ist, wie wir zu unserem Leidwesen erfahren, von verschiedenen Seiten falsch aufgefaßt worden, indem man in demselben eine Abmahnung gegen fernere Unternehmungen von Nordpol-Expeditionen im Allgemeinen erkennen wollte. Das liegt der Redaction der Gartenlaube so fern, wie irgendwelche Opposition gegen vaterländische Unternehmungen. Wir haben einfach gethan, was wir schon so manchmal thun mußten: uns eines öffentlich in seiner Ehre Gekränkten angenommen. Das Verdienst der Herren Payer und Weyprecht würde sicherlich allgemein freudig anerkannt worden sein, wenn dasselbe nicht zugleich zur Zurücksetzung des Verdienstes Koldewey’s wäre mißbraucht worden; das ist um so mehr zu bedauern, als, wie wir aus sicherster Quelle vernehmen, Payer und Koldewey Freunde sind, die recht gut wissen, was sie an einander zu achten haben.
Die offene und männliche Aufklärung, die wir Einem der zunächst Betheiligten hierüber verdanken, bezieht sich auch auf den unleidlichsten Theil des Zwistes die Geschichte von den dreitausend Thalern. In der „General-Rechnungs-Ablage über A. Petermann’s Nordpol-Expeditionen“ finden wir darüber folgende Stelle: „Die freie Disposition über diese dreitausend Thaler hatte ich bei Abgabe der von mir beschafften beiden Schiffe (‚Germania‘ und ‚Hansa‘) an unsern deutschen Nordpol-Verein in einer Sitzung zu Bremen am 8. Mai 1871 mir ausdrücklich vorbehalten.“ Wenn nun ursprünglich auch dieser Vorbehalt die Absicht nicht ausschloß, für vielen Zeit- und dadurch Erwerbsverlust, den die Agitationen für diese Fahrten verursachten, entsprechende Entschädigung zu sichern, so hatte doch, noch ehe die Zeitschrift „Hansa“ die Notiz über diese Sache brachte, Dr. Petermann die ganze Summe zur Förderung der Nordpolforschungen bestimmt. Namentlich hat er sie Weyprecht und Payer angeboten, falls sie eine Ueberwinterung in Ostspitzbergen oder Nowaja Semlja wagen wollten. Da aber Beide an dem Recognoscirungs-Charakter ihrer Fahrt festhielten, so sagte Petermann diese Summe der größeren Expedition dieses Jahres zu, für welche der österreichische Graf Wilczek bereits dreißigtausend Gulden bestimmt hat.
Möge auch dieser Fahrt sich die öffentliche Theilnahme werkthätig zuwenden! Wie zur Wahrheit, wird auch zum Nordpol auf verschiedenen Wegen vorwärts gestrebt, und schließlich ist nur ein Weg der rechte. Sollen darum all die muthigen Männer, die den rechten Weg verfehlten, als Verdienstlose dastehen? Und sollte es nicht auch einige Berücksichtigung verdienen, ob Einer für eine Sache sein Leben, oder nur eine Ansicht einsetzt?
Unsere Feuilleton-Beilage. Einen schönen Beweis von dem regen Wohlthätigkeitssinn unserer Landsleute im Auslande und von der innigen Theilnahme, welche sie allen großen und kleinen Vorgängen ihrer Heimath widmen, haben wir erst wiederum vor dem Feste erhalten. Unter der Ueberschrift „Zum Lehrerelend“ haben unsere „Deutschen Blätter“ kürzlich einen kleinen Artikel gebracht, in dem auch der herzerschütternden Lage des hochbetagten und erblindeten Lehrers Karl Schützler in Auxkallen bei Insterburg gedacht war. Kaum hatte ein braver Deutscher in Moskau, Herr Hohorst aus Memel, diese Mittheilung gelesen, als er sofort unter seinen näheren Bekannten, namentlich in den Kreisen des dortigen Turnvereins und der Liedertafel, eine kleine Sammlung veranstaltete, die den Betrag von zweihundert Thalern ergab. Die liebreiche Gabe traf hier noch rechtzeitig bei der Redaction ein, um bereits am Weihnachtsabend als eine trost- und hülfreiche Freudenbotschaft auf dem Tische der kranken und hartbedrängten Lehrerfamilie liegen zu können. Es ist doch etwas Schönes um den einigen Familiengeist eines großen Volkes. In einem ostpreußischen Dorfe erliegt ein alter hülfloser Lehrer mit den Seinigen der grausamen Pflichtwidrigkeit schnöder Staats- und Gemeinde-Einrichtungen, und in dem fernen Rußland werden durch das deutsche Wort deutsche Herzen erweckt, daß sie in die Nacht des darbenden Landsmanns einen Strahl erwärmenden Lichtes senden!
Da wir hier der „Deutschen Blätter“ gedacht, glauben wir zugleich die Aufmerksamkeit unserer jetzt neu eingetretenen Abonnenten auf diese „Politisch-literarische Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube lenken zu müssen. Die seit nunmehr sechs Jahren von Dr. Albert Fränkel redigirten und zum großen Theil auch von ihm geschriebenen „Deutschen Blätter“ haben sich die Aufgabe gestellt, eine selbstständige Ergänzung der „Gartenlaube“ zu sein, das heißt Das zu bieten, was die „Gartenlaube“, bei der längeren Zeit, welche der Druck jeder ihrer Nummern erfordert, nicht immer ganz frisch aus dem Laufe der Tagesereignisse zu bieten vermöchte: eine kritische Wochenübersicht aus dem gesammten Bereiche des Culturlebens, vor Allem des deutschen, in einer bunten und mannigfaltigen Reihe von kleinen und anregenden Artikeln.
Erfreuen sich die „Deutschen Blätter“ einer starken Verbreitung und eines nicht geringen Ansehens und Einflusses in weiten Kreisen des deutschen Lebens, so haben sie diesen Erfolg nicht allein ihrem reichen, vielseitigen und interessanten Material und nicht blos der frischen, volksthümlichen und doch scharf pointirten Art zu danken, mit der sie ihre feuilletonistisch gehaltenen Randglossen in neuer lebendiger und sorgfältig-eleganter Darstellung vorzuführen wissen; weithin anerkannt ist vielmehr auch der entschiedene Freisinn des Blattes, der warme und wachsame Gesinnungsernst, mit dem Dr. Fränkel, der auch den Lesern der Gartenlaube aus seinen trefflichen cultur- und literarhistorischen Beiträgen wohl bekannt ist, bisher fort und fort die Ehre und die Interessen des Vaterlandes vertreten und den Kampf für das Befreiungs-, Bildungs- und Humanitätswerk des Jahrhunderts gegen die reactionären Mächte der Finsterniß geführt hat. Sind daher die „Deutschen Blätter“ jenem beträchtlichen Theile unserer Leser, der sich gern in regelmäßiger Folge auf die wichtigsten Fragen, Erscheinungen und Vorgänge der Zeitströmung verweisen läßt, längst zu einer unentbehrlichen Lectüre geworden, so konnten wir diese Hinweisung nur in Bezug auf Diejenigen nicht für überflüssig halten, deren Beachtung die „Deutschen Blätter“ bis jetzt entgangen sind.
Ein vermißter Deutscher in Brasilien. Karl August Cichorius aus Grimma in Sachsen, Kaufmann, jetzt 41 Jahre alt, übersiedelte 1856 nach Joinville in der Colonie Donna-Francisca in Süd-Brasilien. Briefe von ihm datiren vom 3. September 1858 aus Campa-Boa-Vista bei Villa de Lape, vom 1. December 1859 aus Couritibans in der Provinz St. Catharina, vom 1. Juni 1860 aus Capao daz Pompes bei Freguazie „Palmero“; – die letzte Nachricht vom 11. December 1864 aus Estancia Sao Philippi im District Sao Gabriel, Provinz Sao Pedro do Sul in Brasilien. Ein nach letzterem Orte auf zwei verschiedenen Wegen gesandter Brief ist ohne Erledigung und ebenso ein Aufruf des norddeutschen Consuls in der dortigen Colonie-Zeitung und der deutschen Zeitung in Porto-Alegre vom Juli 1869 bis jetzt ohne Erfolg geblieben. Vielleicht ist’s einem unserer Leser möglich, über das Schicksal des Vermißten uns Kunde zu geben.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 52. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_052.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)