Verschiedene: Die Gartenlaube (1872) | |
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Drechslers und Buchbinders herstellen ließ, und lasse zum bessern Verständniß hier eine kurze Beschreibung des ganzen Apparates folgen. Das Ganze besteht aus einer flachen, schildförmigen, aus halbstarkem Pappdeckel gefertigten Platte (Figur 1), die auf beiden Seiten mit gewöhnlichem farbigen Glanzpapier überzogen ist. Von c nach d mißt die Platte ungefähr zehn Zoll, von a nach b vielleicht sechs Zoll. Da die Geister jedenfalls auch Verzierungen lieben, so ist der Rand auf der Oberseite mit einer schmalen Borde von gepreßtem Goldpapier überklebt. An den drei Ecken a b c befinden sich die Löcher, in welche die zwei Zoll hohen Füße, auf welchen die Platte wagerecht ruht, eingesetzt werden. Bei a und b ist der Fuß, der einfach aus Holz gedrechselt ist, ungefähr wie Figur 2 zeigt, beschaffen. Unten ist im Innern des Fußes eine runde Höhlung, in welcher eine einfache Glaskugel zur größeren Hälfte steckt, die sich frei darin herumbewegen kann. Da das Einsetzen der Kugel so nicht gut möglich wäre, wird der Fuß in zwei gleiche Hälften zersägt, und nachdem die unten hervorsehende Kugel eingelegt worden, wieder
zusammengeleimt. Figur 3 zeigt den Durchschnitt ohne Kugel. In das Loch bei c wird der dritte Fuß eingesetzt, der unten an der Spitze mit einem Bleistift versehen ist. Die Platte steht also ganz einfach in den drei in ihr vermittelst einfacher Kupferschrauben befestigten Füßen und läßt sich, wenn man die Hand mit den Fingerspitzen nach c gerichtet auflegt, durch die sich in den zwei Löchern leicht und frei bewegenden Kugeln nach allen Richtungen bequem hin- und herschieben.
Eine andere Vorrichtung oder geheime Arbeit ist an dem ganzen Apparat nicht. Wenn der Schwindel losgehen, das heißt der beorderte Geist schreiben soll, so wird das Ding nun auf folgende Weise in Bewegung gesetzt. Der, welcher vom Geiste etwas wissen will, legt einfach seine flache Hand auf die Pappplatte und hält dieselbe dort eine Viertel- oder halbe Stunde still. Durch die Abspannung der Nerven kommt die Hand nun selbstverständlich nach und nach in’s Zittern und der Apparat rutscht auf dem unter ihm liegenden Stück Papier hin und her, wobei die wunderlichsten Krikelkrakel zu Tage kommen, die dann gedeutet werden. Wenn der Schwindel speculativ getrieben werden soll, zu welchem Zwecke ohne Zweifel auch die Maschine erfunden wurde, kann der die Hand Auflegende natürlich das Ding schon bequem so dirigiren, daß auch Zeichen, die der wirklichen Schrift nahe kommen, erscheinen.
Mein lehrbegieriger Amerikaner legte mir eine ganze Mappe voll solcher Geisterschriften vor. Als ich sie durchsah, fiel mir ein Blatt auf, welches nachstehende Verse und die Unterschrift „Byron“ trug:
„O tell me na o’ wind and rain;
Upbraid na me wi’ cauld disdain;
Gae back the gate ye cam again,
I winna let you in, jo.“
Ich mußte unwillkürlich auflachen und bemerkte dem guten Manne, daß diese Verse ja gar nicht von Byron seien, sondern den Anfang eines Gedichtes von Robert Burns bildeten, das, wenn ich mich recht erinnerte, die Ueberschrift „Her Answer“ trüge. Er bestritt Dieses ganz energisch und schien weit eher anzunehmen, daß sich der große Britte Byron mit fremden Federn habe schmücken wollen, als daß der ganze Geisterkram Larifari sei. Auf einem andern Blatte, „Franklin“ unterzeichnet, stand folgender deutsche Kernspruch: „Der rechte Mann kann Eichen biegen“. Ob der Geist des großen Staatsmannes hierbei vielleicht an seine Landsleute, die Spiritualisten, gedacht haben mag? – Schwerlich.
Nach der Versicherung des Geisterschriftenbesitzers schreiben die beschworenen Seelen der Abgestorbenen nicht blos, wenn ihnen gewisse Fragen vorgelegt werden, sondern auch wenn sie einmal gerade Lust bekommen, ihr poetisches oder philosophisches Talent sprudeln zu lassen, und zeigen ihr Verlangen dann durch Klopfen an, worauf natürlich sofort die Schreibmaschine herbeigeholt werden muß; auch lieben sie es nicht, daß ihnen, wenn sie schreiben sollen, barsch befohlen wird. Hier wie überall heißt es jetzt „immer nur höflich“, denn
„Die Cultur, die alle Welt beleckt,
Hat auch auf Geister sich erstreckt.“
Nachdem ich die Raritäten mir alle durchgesehen, nahm ich die Schreibmaschine noch einmal in die Hand und sagte zu ihrem Besitzer: „Nun, jetzt weiß ich doch auch endlich, welcher Art die Maschinen sind, die Sie in Ihrem Etablissement in Amerika verfertigen lassen. Gestehen Sie es offen, daß es solche sind. Die Glaskugeln liefert der Glasfabrikant, die Füße der Drechsler und die Platte natürlich der Buchbinder.“
Er lächelte und sagte nach einiger Zeit: „Da Sie es doch getroffen haben, so will ich es nur zugestehen, denn das thut der Richtigkeit meiner Behauptung über die Geisterschrift ja keinen Abbruch. Ich kann Sie dabei auch versichern, daß ich durch die Maschinen mein Glück gemacht habe. Ein anderes Mal will ich Ihnen das erzählen.“
Bei einer nächsten Zusammenkunft erinnerte ich ihn an sein Versprechen und erfuhr nun Folgendes: Der Mann war kein Amerikaner von Geburt, sondern ein Mecklenburger und seines Handwerkes eigentlich Schneider. Da er jedenfalls geglaubt, daß in Amerika die gebratenen Tauben nur auf ihn warteten, um sich fangen zu lassen, war er ausgewandert, hatte aber wohl bald eingesehen, daß, wenn man keine rechte Lust zum Arbeiten hat, es sich dort wie hier gleich schwer mit der Nadel gegen den Mangel ankämpfen läßt. Er versicherte mich nämlich, er habe nicht vorwärts kommen können und deshalb bald alle Freude an seinem Schneiderhandwerke verloren. Längere Zeit hierauf hatte er dann alle möglichen Geschäfte getrieben, es aber auch zu nichts gebracht.
Während dieser Zeit war nun die Geisterklopferei durch die Schwestern Fox zu Hydesville im Staate New-York das Tagesgespräch geworden, und wie bei jedem neuerfundenen Schwindel gleich eine Menge speculativer Köpfe aufstehen, um die Sache nach dieser oder jener Seite auszubeuten, so war es auch hier der Fall gewesen. Neben vielen anderen albernen Dingen war auch die Schreibmaschine erdacht worden. Der ehemalige Schneider war durch einen Spiritualisten (wenn ich nicht irre, hieß dieser Mann Dr. Ackley) mit dem Treiben der Geisterbeschwörer bekannt geworden, hatte Lust, Liebe und Glauben an dem Dinge gefunden und sich, wie selbstverständlich, einen solchen Apparat angeschafft. Bei genauer Besichtigung der Maschine hatte er da entdeckt, daß dieselbe sich sehr billig herstellen lasse, und da dergleichen gesucht und theuer gekauft wurde, war ihm sofort der Gedanke gekommen, Schreibmaschinenfabrikant zu werden. Das Geschäft war eingeschlagen und die Dinge gingen zu Hunderten ab, so daß der gute Mann schließlich gar nicht genug liefern konnte und sich genöthigt sah, mehrere Drechsler und Buchbinder ausschließlich allein für seine Zwecke zu beschäftigen. Die Zusammensetzung hatte er selbst besorgt; da indessen seine Kraft bei dem außerordentlich großen Absatze nicht mehr zugereicht, hatte er Arbeiter annehmen müssen und die Sache fabrikmäßig betrieben, wie er sie eben heute noch betreibt. Bedenkt man, daß die Herstellungskosten einer solchen Schreibmaschine, wenn das Ding nämlich im Großen betrieben wird, höchstens einige Groschen betragen und daß in der ersten Zeit, wo der Absatz rasend war, das Stück zu einem Dollar verkauft wurde, so läßt sich leicht ermessen, welch eine Einnahme der Mann durch Aufnahme dieser Schwindel-Industrie gehabt haben muß.
Genug, der ehemalige Schneider ist eben jetzt ein reicher Mann und betreibt sein Geschäft noch, denn trotz allen Predigens und aller Aufklärungsversuche blüht die Dummheit unter den Spiritualisten im Geheimen fort und zählt namentlich im Staate Ohio, wo der Schneider sein Californien entdeckte und noch heute
Verschiedene: Die Gartenlaube (1872). Leipzig: Ernst Keil, 1872, Seite 605. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1872)_605.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)