Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
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Actiengesellschaft noch schwebten, kam das Jahr 1864 und der neue dänische Krieg, der jedes Unternehmen zur See unmöglich machte. Dieser Krieg führte den rastlosen Erfinder wieder zu seinem Brandtaucher, dem er nun in dem „Küstenbrander“ (Gartenlaube 1864, Nr. 35) eine neue Gestalt und praktischere Bestimmung gab. Sofort trat auf meine Anregung in Leipzig ein neues Comité „für Wilhelm Bauer’s unterseeische Kriegsfahrzeuge“ zusammen. Allein trotz der glänzenden Gutachten, mit welchen polytechnische Vereine und Versammlungen dafür auftraten, trotz des warmen Eifers der patriotischen Presse und der noch immer regen Theilnahme des Volkes für W. Bauer, mußte bald die Befürchtung aufsteigen, daß die Beschaffung einer so bedeutenden Summe, wie sie der Bau und die kampffertige Ausrüstung eines Küstenbranders erforderte, nicht rasch genug für den begonnenen Krieg und wohl erst nach Jahren zu ermöglichen sei. Allgemeine Freude erregte es daher, als plötzlich die preußische Regierung sich der Erfindung annahm. Am 9. September 1864 stand Bauer vor einer vom Kriegs- und Marine-Ministerium eingesetzten Commission, welche nach „gründlichster Prüfung und Erörterung aller irgend möglichen Einwürfe das Project des Submarine-Ingenieurs W. Bauer als in seinen Principien richtig, als wohlausführbar und als aller Voraussicht nach überaus werthvoll einstimmig anerkannte“. Wirklich wurde Bauer zu Anfang des folgenden Jahres nach Stettin berufen, um dort den Bau eines Küstenbranders zu leiten.
Bauer zog mit seiner Familie nach Arthursberg bei Stettin und trat vom Januar 1865 an in preußischen Sold. Die Freude dauerte nicht lange. Bauer hatte zur Vervollständigung des Küstenbranders die Erprobung eines unterseeischen, rückstoßfreien Geschützes und einer neuen Motionskraft für unerläßlich erklärt, und drei Fachmänner-Commissionen waren einstimmig dafür eingetreten, indem sie die Anweisung von dreitausend Thaler für die Motionsmaschine und vierzehnhundert Thaler für das Geschütz befürworteten, weil ohne praktische Versuche kein bestimmter Schluß über deren unter- und überseeische Verwendung gezogen werden könne, während andererseits weder theoretische noch technische Motive gegen die Sache sprächen, wobei sie die Genialität und die Vielseitigkeit des Gesammtprojectes noch besonders hervorhoben. Alle dem entgegen verlangten die Admiralitätsräthe auf den dem Marine-Ministerium von den Fach-Commissionen, mit welchen Bauer mündlich verhandelt hatte, erstatteten Bericht hin von Bauer, „daß, bevor auf kostspielige Experimente mit ihm eingegangen werden könne, von ihm zunächst präcise, verständliche und wissenschaftlich begründete Projecte vorzulegen bleiben“.
Dieses Ansinnen, ohne vorhergegangenes Experiment über die Wirkung noch unerprobter Naturkräfte eine wissenschaftliche Abhandlung zu schreiben, mußte für Bauer, den genialen Praktiker, aber ungelehrten Mann, einer Ablehnung des ganzen Unternehmens gleichkommen. Er beschloß daher, auf eigene Faust diese Experimente durchzuführen und dann, wo möglich, den ganzen Küstenbrander fix und fertig auf dem Bodensee herzustellen. Zu diesem Behufe zog er, da er von der badischen Regierung den nöthigen Schutz erhoffte, mit seiner Familie nach Constanz.
Wieder konnte nun nur durch nationale Hülfe der abermals mittellos dastehenden Erfindung aufgeholfen werden. Die lange Unterbrechung der Comité-Thätigkeit hatte die öffentliche Theilnahme für die Sache eingeschläfert. Es galt, alle Hebel für deren Wiedererweckung in Bewegung zu setzen. Nächtelang arbeitete ich damals an Aufrufen, Bitten und Ermahnungen an die Flotten-Comités, Schützengesellschaften,[WS 1] Landesversammlungen (Erlangen), polytechnische Gesellschaften, den Nationalverein und alle damaligen Turner-, Schützen- und Sängerfeste, um mit der einen Erfindung den vielen anderen unschätzbaren und mit ihr sämmtlich[WS 2] verlorenen Erfindungen wieder aufzuhelfen, während Bauer selbst persönlich in Volks- und Nationalversammlungen und selbst in der Naturforscherversammlung zu Hannover (27. Sept. 1865) erschien und durch seine kunstlose Beredsamkeit dem Volke zu Herzen sprach und selbst die Männer der Wissenschaft für sich und sein Streben begeisterte. Alle diese Mühen würden dennoch nicht einmal zum nächsten Ziele, der Geschütz-Erprobung, geführt haben, wenn nicht Bauer die Generalversammlung des Nationalvereins im October 1865 zu Frankfurt am Main zu dem Beschlusse vermocht hätte, zweitausend Thaler ihm als Ehrengabe zu bestimmen, und wenn nicht sein König, Ludwig der Zweite von Baiern, ihn in der Ausführung des Experiments wesentlich unterstützt hätte. So erlebte denn endlich, nach unsäglichen Sorgen und Anstrengungen, Bauer abermals einen Triumph seines Genies: die glänzend gelungene Durchschießung zweier mehrere Zoll dicker Eisenplatten in vierundzwanzig und sechsunddreißig Fuß Tiefe des Starnberger Sees. Diesem Probeschießen, am 18. April 1866, wohnten eine k. bairische Artillerie-Commission und die Herzöge Karl Theodor und Max Emanuel von Baiern bei. Bauer selbst schilderte es in der Gartenlaube (Nr. 21, 1867). Eisenplatten und Geschoß, die einzigen unvergänglichen Zeugnisse des gelungenen Experiments, habe ich bis jetzt noch in Verwahrung.
Trotz des anerkannten und bewunderten Erfolges dieser Schießversuche bot kein Staat Bauer die Hand zur Erprobung des zweiten und letzten Erfordernisses zur Vollendung der Selbstständigkeit der Submarine: seiner Petroleumsgasmaschine. Ein Versuch, durch Anwendung derselben für Luftschifffahrt, als deren Haupthinderniß Bauer den stets unlenkbar bleibenden Ballon erklärte, die nun einmal unerläßlichen Experimente durchzuführen, scheiterte an Erlahmung der Theilnehmer der dazu gebildeten Gesellschaft. Bei diesen Versuchen aber, die im Winter von 1867 auf 68 in der Pfalz stattfanden, kam Bauer’s Gichtleiden zum Ausbruch. Er war von Constanz nach Rorschach gezogen, wohin er aus der Pfalz im Sommer 1868 zurückkehrte. Im Herbst zog er wieder nach München. Immer neu aufsteigende Hoffnungen milderten nur wenig seinen tiefen Gram darüber, daß die Vollendung der zwei größten Erfindungen seines Genies, der unterseeischen und der Luft-Schifffahrt durch seine „Petroleumgas-Wasserprall-Maschine“, wie er sie nannte, ihm nicht vergönnt sein sollte.
Welch verhältnißmäßig geringes Opfer für die von wissenschaftlichen Akademien und praktischen Fachmännern als, wenn gelungen, unberechenbar wichtig anerkannte Erfindung war nöthig, – und weder Staat noch Capital regten eine Hand dafür! Wie wahr, wie gerecht, wie schneidend ist W. Bauer’s Klage: „So stehe ich wieder nur um ein Kleines vorgeschritten in Erfahrung und Leistung vor Deutschland, sehe tief bewegt mich zur Thatlosigkeit verurtheilt, während die Rüstungen zu Land und See ganz Deutschland beschäftigen. Die Nation kann ich nicht um so große Opfer bitten; die Regierungen wollen an mir keinen Dreyse zur See erkennen, ich selbst aber bin machtlos dem Geschick überantwortet. Mein Urtheil, daß die Monitors nur der Uebergang zu Submarine sind, wird belacht. Meine Behauptung, daß ‚Lissa‘ den Beweis geliefert hat, daß sich Kriegsschiffe dem Widderstoß durch Untertauchen entziehen müssen, erscheint heute noch kindlich oder zu kühn, und meine Fernsicht, daß die Handelsschiffe den Gefahren des Sturmes, des Strandens, Scheiterns etc. durch Untertauchen unter die Wellentiefe während eines Sturmes wie eine Qualle sich entziehen müssen und noch werden – erscheint der Gegenwart noch zu grau. Die Sache ist noch in deutscher Hand, kommt noch nicht aus England ober Amerika und kostet darum noch nicht Millionen! Das sind die Mängel, an denen sie zu Grunde geht.“
Zu diesem Seelenschmerz trat nun noch körperliches Leiden. Bauer’s Riesennatur, welche so oftmals Winter- und Wasserkälte und stechende Feuergluth im wildesten Wechsel ertragen hatte, war gebrochen, und alle Kunst und Liebesmühe heilte sie nicht wieder zusammen, – und dieses letzte Schicksal mußte ihn erreichen, als sich ihm endlich eine königliche Rettungshand bot. Wiederum eine Commission, diesmal bestehend aus den Münchener Autoritäten und Professoren Jolly, dem Physiker, Pettenkofer, dem Chemiker, Beilich, dem Mathematiker, und dem Vorstand des Polytechnischen Vereins, Obermünzmeister v. Haindle, prüfte Bauer’s Plan und bisherige Versuche seiner neuen Motionsmaschine, und auf deren Gutachten erhielt Bauer den Auftrag, ein unterseeisches Versuchsboot für den Starnbergersee zu bauen. Das Glück war endlich da, aber es fand einen Glied um Glied der gichtischen Erlahmung und dem unaufhaltsamen Absterben preisgegebenen Mann. Selbst die Cur in Wildbad (1869 und 1870) half nicht mehr, wie wohl auch die treue Sorge des edlen Arztes Dr. Renz und die Hochachtung und Theilnahme aller Gäste für den „fahrenden Ritter vom
Anmerkungen (Wikisource)
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 106. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_106.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)