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Seite:Die Gartenlaube (1876) 214.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

quälte sie mit neuen Eifersuchtsscenen, besonders, als der Herzog plötzlich in Pforzheim erschienen war, folgte aber doch einer zweiten Einladung mit ihr an den Stuttgarter Hof.

Franziska’s Herz war mit ihren strengen Ansichten in schwerem Kampfe – des Herzogs Worte und Gelübde erschütterten ihre Festigkeit und verwirrten sie. Er sprach von einem neuen Leben, das er zu beginnen wünschte, von einer Vereinsamung auf dem Throne, von der Menschenverachtung, die sich seiner bemächtigt hatte – und der schwärmerischen, jungen Frau erschien es plötzlich als die schönste, menschenwürdigste Aufgabe, den trotz aller Schwächen großherzigen Fürsten auf eine andere Bahn zu lenken. Des Gatten Augen gewahrten ihre wachsende Neigung; neue Mißhandlungen kränkten sie auf’s Aeußerste – und so, halb willenlos getrieben, flüchtete sie sich in des Herzogs Schutz. Wir sind weit davon entfernt, das mit diesem Schritte anhebende Verhältniß zwischen Franziska und dem Herzoge, welches beiderseits auf einem unleugbaren Treubruche beruht, hier entschuldigen oder gar glorificiren zu wollen, nur das psychologische und historische Interesse, welches dasselbe gewährt, veranlaßt uns, auf Grund des oben erwähnten Buches noch einmal auf diese schon oft behandelte Episode der württembergischen Geschichte zurückzukommen.

Zuerst führte Karl seine Freundin auf die Solitüde, das reizende Lustschloß unweit Ludwigsburg; der Baron von Leutrum eilte zornig nach Pforzheim zurück, von wo aus er Franziska zur Heimkehr zu bewegen versuchte. Vergebens! Abscheu vor ihm und warme Liebe zu Herzog Karl ließen sie jede andere Rücksicht vergessen. Der Herzog stellte ihr ein Rescript aus, daß ihre Ehe mit Leutrum geschieden werden solle, und daß er sie, sobald seine Gemahlin, die kränkelnd zu Bayreuth lebte, stürbe, zu seiner rechtmäßigen Gattin erheben wolle. Er bestrebte sich, ihr zu zeigen, daß er es wirklich ernst mit der Umkehr meine. Von dem Tage der Vereinigung mit Franziska an begann er in der That ein neues Leben; seine „gute Periode“ brach an, von der in Schwaben noch heute viel berichtet wird. Vor allen Dingen wollte er für die Erziehung und den Unterricht seiner Landeskinder sorgen. Er erweiterte die bereits gegründete „Militärische Pflanzschule“, den Anfang der späteren „hohen Karlsschule“, dehnte die „Académie des arts“ aus, entließ die fremden Künstler, schränkte die Feste ein und gründete eine „École des demoiselles“, deren Protectorat seine Freundin übernehmen mußte.

Nachdem Franziska’s Ehe geschieden war, erwirkte der Herzog beim Kaiser Joseph dem Zweiten ihre Erhebung in den Reichsgrafenstand unter dem Namen „von Hohenheim“. Denselben hatte er einem Landgute in der Nähe von Stuttgart entlehnt, das er nun, ihr zu Ehren, mit neuen Bauten und Gartenanlagen schmückte. Ueberall thut sich seine zärtliche Fürsorge für Franziska hervor. Seine Briefe an sie zu Geburts- und Namenstagen, oft in Versen, sind wahrhaft rührende Beweise seiner Liebe und Hochachtung für die Frau, welche, über die ihrem Verhältnisse zum Herzoge mangelnde Sanction tief unglücklich, aber dem Urtheile der Welt trotzend, an seiner Seite blieb und sich ihrer Aufgabe wohl bewußt war. Niemals hat sie nach Bereicherung, nach Einfluß in Staatsgeschäften gestrebt; all ihr Denken ging dahin, Herzog Karl eine ruhige Häuslichkeit zu bereiten, da zu mildern, wo sein unruhiger Sinn aufbrauste, und im Stillen wohlzuthun – so wurde sie wirklich Württembergs guter Engel.

Ihr Eifer, zu lernen und sich fortzubilden, gefiel dem Herzog und ließ ihn den Plan fassen, ihr fremde Länder zu zeigen. Italien, die Schweiz, Frankreich, England, ganz Deutschland und Dänemark hat sie im Laufe der Jahre mit ihm besucht. Diese Reisen glichen im Gegensatze zu Karl’s früheren prunkvollen Ausflügen einfachen Studienfahrten. Er besuchte Universitäten, unterhielt sich mit Professoren und faßte dabei neue Ideen für seine „Karl’s-Akademie“. Seit dem 17. Januar 1773 zählte, nebenbei bemerkt, Friedrich Schiller als „Zuwachs“ unter der Nr. 447 zu den Schülern der weltberühmten Anstalt.

An allen Höfen fast, die man auf den Reisen berührte, wurde die Reichsgräfin von Hohenheim gleich einer regierenden Fürstin empfangen; man ehrte in ihr Karl’s bescheidene Freundin, von der man wußte, daß sie längst als rechtmäßige Gattin an seiner Seite stehen würde, hätte nicht Friederike von Bayreuth noch grollend in ihrer Heimath gelebt.

Daß neben vielen Aufmerksamkeiten, welche Franziska freiwillig gespendet wurden, auch manche Demüthigung sie traf, wurde durch das Absonderliche ihrer Stellung hervorgerufen. Am tiefsten kränkte sie der Ausschluß von Beichte und Abendmahl, wogegen selbst Karl’s Machtgebot wirkungslos blieb. Die früheren prunkvollen Oper- und Balletvorstellungen wurden eingestellt, und statt deren feierte Herzog Karl jetzt Franziska’s Geburts- und Namenstage mit großen Armenspeisungen, Ausstattungen von Brautpaaren etc., weil ihre Hauptfreude im Wohlthun bestand.

„Eleve Schiller“ brachte bei einer solchen Gelegenheit dichterische Gaben: „Empfindungen der Dankbarkeit beim Nahmensfeste Ihro Excellenz der Frau Reichsgräfin von Hohenheim“ von der Militärakademie und der École des demoiselles. Ein anderes Mal entwarf er „Inschriften für ein Hoffest“ zu ihrem Preise, und im Jahre 1780, dem letzten seines Studiums, hielt er in Gegenwart des Herzogs und seiner Freundin eine schwungvolle Geburtstagsrede für sie: „Die Tugend in ihren Folgen betrachtet.“

Für sämmtliche Schüler der Militär- oder Karl’s-Akademie war die Gräfin von Hohenheim, die oft an des Herzogs Seite die Lehrsäle betrat, eine verehrte, glanzvolle Erscheinung. Nur eines Unglücklichen hat sich Franziska nicht mit jener Wärme angenommen, die sie sonst Leidenden zu Theil werden ließ – Schubart’s, des Gefangenen des Hohenaspergs. Er hatte sie durch Spottlieder und Reden auf ihr Verhältniß zum Herzog bitter gekränkt. Seine Kinder beschenkte sie indessen, und als Herzog Karl ihm endlich die Freiheit gab, war es Franziska’s Mund, welcher ihm die freudebringende Botschaft verkünden mußte. Seine feurigsten Lieder priesen sie fortan.

Das Tagebuch der Gräfin von Hohenheim ist ein Denkmal ihres edlen Herzens, ihres einfachen Lebens. Sie hat jedes kleine Ereigniß gewissenhaft darin verzeichnet, oft hat aber auch Herzog Karl ihr die Feder aus der Hand genommen und Sätze zu ihrem Lobe hineingeschrieben. Am 9. April 1780 erzählt sie: „Beim Aufwecken wurde gemeldet, daß eine Stafette da wäre, und diese brachte die Nachricht, daß Ihre Durchlaucht, die Herzogin, den 6. dieses, Abends zwischen 6 und 7 Uhr, das Ewige mit dem Zeitlichen verwechselt hätten; ich war gewiß gerührt über diese Nachricht.“

Der charakteristischste aller Briefe des Herzogs an seine Freundin ist der, in welchem er ihr verspricht, daß sie nun seine Gattin werden solle: „Bald Zehen jahre sind es, Gott ist mein Zeug, daß immer meine Gedanken dahin gingen, wann Ich die nun Verstorbene Herzogin überleben sollte, keiner andern, alß Dir, Liebste Freundin, theil an meinem Herzen, an meiner Hand zu geben; nun ist der fall, mein Herz ist Dir Eigen, und hier, zum pfand meiner bißherigen rechtschaffenheit und redlichen gedenkungsarth gegen Dir, und hier sage Ich, ist meine Hand.“

Aber so ehrlich Herzog Karl es auch meinte, und so gewissenhaft er allen Heirathsvorschlägen, welche ihm politische Vortheile bringen konnte, widerstand, vorläufig konnte er seinen Entschluß, sich mit Franziska kirchlich zu verbinden, doch nicht ausführen. Die katholische Kirche widersetzte sich der Ehe mit einer geschiedenen Protestantin. Er wandte sich, um den Consens zu erlangen, direct an den Papst Pius den Sechsten, aber auch von dort traf eine abschlägliche Antwort ein. Daß Franziska in diesen Tagen, Wochen und Monaten der Erwartung unendlich litt, wer könnte das bezweifeln?! Ihr Tagebuch bezeugt es oft genug.

Mit neuen Plänen und Versuchen, den Papst umzustimmen, gingen noch Jahre hin; endlich gab der Prälat von Neresheim dem Herzoge den Rath, sich heimlich zu vermählen und den päpstlichen Consens erst nachträglich einzuholen. Karl, dessen Geduld erschöpft war, befolgte denselben. Am 11. Januar 1785 ließ er sich mit Franziska in Gegenwart seines Bruders Friedrich Eugen, dessen Gemahlin und eines Ministers in aller Stille trauen. Franziska’s Tagebuch berichtet nichts über diesen Act, als den Satz: „Der Herzog führte mich dahin, wo ich mein weltliches Glück befestigt sehe.“

Erst ein Jahr später, am Lichtmeßfeste 1786, machte Karl dem versammelten Hofe seine Vermählung bekannt; der Act war ebenso eine Ueberraschung für „sein Franzele“ wie die Trauung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_214.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
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