Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
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selber. Franziska hörte plötzlich in der Akademiekirche für sich beten: „Segne auch, o Gott, höchstdesselben Gemahlin!“
Im Lande war Jubel und Freude, daß „Karl Herzogs Engele“ nun endlich den Thron bestiegen hatte. Franziska blieb nach ihrer Erhöhung ebenso einfach und bescheiden, wie vorher; sie hatte nicht nach Macht gestrebt, sondern nur nach jener als berechtigt geltenden Stellung an der Seite des Gatten, um welche sie oft das ärmste Weib im Lande mit heißen Thränen beneidet hatte. Sämmtliche protestantische Höfe erkannten Franziska als Herzogin an; die katholischen aber warteten erst den Beschluß des Papstes ab. Dieser ließ nicht lange auf sich warten; denn kaum hatte Pius der Sechste von Karl’s eigenmächtiger Handlung erfahren, als er ihm einen eindringlichen Brief schrieb und ihn aufforderte, die ungültig eingegangene Ehe wieder aufzuheben.
Herzog Karl sandte daraufhin neue Unterhändler nach Rom.
Franziska theilte in den bescheidensten Ausdrücken ihre Heirath den Verwandten des Herzogs und ihren Freunden mit. An Professor Niemeyer am Waisenhause zu Halle schrieb sie:
„Ich eile, Ihnen zu melden, daß durch die Gnade des Herzogs in meiner öffentlichen Anerkennung und Erhebung zu seiner Gemahlin endlich das so lange gegebene Aergerniß, wie ich wenigstens hoffe, in den Augen der Welt sein Ende erreicht hat. – Je mehr Menschen auf mich sahen, desto strafbarer erschien ich mir. Sie fühlen gewiß, wie drückend der Gedanke blieb und wie gerecht noch jetzt meine Thränen darüber fließen, auch nur einem Menschen zum Anstoße geworden zu sein. Für diesen Schmerz giebt es eigentlich keinen ausreichenden Trost und keine völlige Beruhigung.“
Im März 1791 langte endlich die päpstliche Anerkennung der Heirath an; das Paar war gerade in Brüssel. Herzog Karl schrieb in sein Reisetagebuch: „Heute Morgen bekam ich durch eine Estafette von Rom von dem von Mylius die Nachricht, daß der Papst meine Heirath als kanonisch erklärt, mithin der letzte eingebildete Stein des Anstoßes gehoben sei.“
Nur wenige Jahre traulichen Zusammenlebens waren den Beiden indessen noch beschieden – am 23. October 1793 starb Herzog Karl in Franzel’s Armen.
Eigenhändige Bestimmungen ihres verstorbenen Gatten wiesen Franziska den Wittwensitz auf dem Schlosse zu Kirchheim unter Teck an. Hier hat sie noch mit einem ziemlich großen Hofstaate bis zum ersten Januar 1811 gelebt. Unter dem Chore der dortigen Martins-Kirche fand sie ihre letzte Ruhestätte; kein Denkmal bezeichnet dieselbe, aber in dem schwäbischen Volke lebt Franziska dennoch fort als „Württembergs guter Engel“.
Bei der bevorstehenden Eröffnung der Weltausstellung in Philadelphia werden gewiß auch deutsche Reisende die amerikanischen Bahnen sehr bald ungewöhnlich stark frequentiren. So dürften denn den vielen Lesern der Gartenlaube einige Andeutungen über die Eisenbahnverhältnisse jenseits des Oceans willkommen sein.
Wer in Europa die Schweiz, einige Theile von Oesterreich und Württemberg bereiste, wird sich jener langen Waggons erinnern, welche in der Mitte mit einem Gange und an beiden Seiten dieses Ganges mit Sitzen für je zwei Personen versehen sind; nach diesem einen Grundsatze sind alle nordamerikanischen Waggons gebaut. Jeder Zug hat in der Regel außer der Locomotive nebst Tender und Packwagen drei solcher Waggons, wovon zwei für Nichtraucher und einer für Raucher bestimmt sind; auf stark befahrenen Strecken ist bei Tage ein Pulman-Palace-Car (auch Parlor-Car oder Saloon-Car genannt), welcher Nachts durch einen Sleeping-Car ersetzt wird, beigefügt. Man kann aus einem Waggon in den anderen gehen, auch während der Fahrt. In jedem Waggon sind Oefen, welche außerdem durch eiserne Röhren die Hitze durch den ganzen Waggon vertheilen. Durch jeden Zug, also durch alle Waggons, läuft eine Schnur, welche mit einer auf der Locomotive befindlichen Glocke in Verbindung steht, wodurch dem Locomotivführer in jedem Augenblicke das Signal zum Halten gegeben werden kann. Obschon nirgends in einem Waggon angeschlagen steht: „Es ist streng verboten, unnützer Weise an dieser Schnur zu ziehen,“ wie das in Europa, wo man auf einigen Bahnen auch diese Einrichtung hat, der Fall zu sein pflegt, so ist doch noch nie der Fall eines unnützen Nothsignals vorgekommen. In jedem Waggon ist ein Watercloset, in den Parlor- und Sleeping-Cars sind auch Waschtische mit Handtüchern und Seife und in jedem Waggon ist stets ein großer Krug mit frischem Trinkwasser zu finden.
In allen Zügen findet sich ein Zeitungsverkäufer, der außerdem eine ganze Auswahl recht guter Bücher zum Verkaufe feil hält und fortwährend von einem Waggon zum andern geht. Die leiblichen Bedürfnisse sucht er durch Aepfel, Birnen, Bananen, Feigen, Nüsse und Süßigkeiten zu befriedigen, und meistens machen diese Leute, welche fest angestellt sind und feste Preise haben, ganz gute Geschäfte.
Es giebt in den ganzen Vereinigten Staaten nur eine Eisenbahn-Fahrclasse;[1] nur für Auswanderer giebt es weniger gut eingerichtete Waggons und eigens eingelegte Züge, auf den Fahrplänen sind dieselben aber nicht aufgeführt. Da indeß selbst in einer so frei eingerichteten Republik das große Gleichheitsprincip praktisch nicht durchgeführt werden kann, so haben die Amerikaner für die reichen und bequemlichkeitsuchenden Reisenden den Palace-Cars und Nachts den Sleeping-Car.
Die Palace-Cars, äußerst elegant mit Teppichen ausgelegt, haben Lehnsessel für eine Person; manchmal und sie verrückbar, manchmal blos drehbar. Statt sechszig Personen kann also ein Palace-Car nur dreißig aufnehmen. In einigen ist auch ein Rauchcompartiment für vier oder sechs Personen angebracht; in den meisten fehlt diese Einrichtung. Die Sleeping Cars sind insofern anders eingerichtet als in Europa, als Männer und Frauen in einem Waggon, durch keine Scheidewand getrennt, schlafen. Ein Sleeping-Car enthält in der Regel achtundzwanzig Betten, vierzehn an jeder Seite, sodaß sieben Reisende unten und sieben oben schlafen. Die Betten sind sechs und einen halben Fuß lang, circa drei Fuß breit, mit Sprungfedern versehen; die Matratze ist weich, und die Bettwäsche wird jeden Abend erneuert. Durch dicke Vorhänge sind die Betten abgeschlossen; sobald sich also Jemand in sein Bett zurückgezogen hat, ist er ganz allein und von allen Anderen abgetrennt, und dies ermöglicht es eben, daß Herren und Damen, ohne daß es irgendwie Anstoß erregte, in einem Sleeping-Car zubringen können.
Besonders angenehm berührt es den Europäer, daß nirgends in einem Waggon directorielle Anordnungen, Verbote und Vorschriften angeschlagen sind; Jedermann weiß eben, was er zu thun und zu unterlassen hat. Will Jemand den Kopf zum Fenster hinausstecken, so kann er es auf die Gefahr hin thun, ihn sich abschlagen zu lassen; will Jemand auf die Plattform gehen, auf die Gefahr hin, hinabgeschleudert zu werden – der Conducteur wird ihn sicher nicht daran verhindern; springt Jemand aus dem Wagen, wenn der Zug noch im Fahren ist – „Was geht das mich an?“ denkt der Conducteur, vorausgesetzt, der Reisende hatte ein Billet; springt Jemand auf die Plattform des schon in schnellem Tempo fahrenden Zuges – „Sei mir willkommen!“ sagt der Conducteur, „vorausgesetzt Du hast ein Billet oder zahlst mir den Preis desselben.“ Ob der Reisende dabei Schaden erleidet – „Was geht das mich an?“ sagt die Eisenbahndirection.[2]
Die Züge in den Vereinigten Staaten fahren stets pünktlich, pünktlich auf die Minute von den großen Städten ab, und die einmal existirenden Fahrpläne werden sehr selten geändert.
Eine große Annehmlichkeit für das reisende Publicum besteht darin, daß man in den größeren Städten überall Bureaux etablirt findet, wo nicht nur Eisenbahnbillets verkauft werden,
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_215.jpg&oldid=- (Version vom 20.3.2019)