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Seite:Die Gartenlaube (1876) 223.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

zehn Jahre leitete. Nachdem er als Professor der Chirurgie in Erlangen und München gewirkt hatte, folgte er seinem besten Stern nach Freiburg, wohin wir heute unseren Jubiläumsgruß zuerst getragen haben.

Warum nicht der schöne Breisgau seine zweite Heimath für immer wurde? Der Krieg war in seine Wissenschaft gefahren und hatte ihr und ihm neue Pflichten auferlegt. Schon der badische Revolutionskrieg im Frühjahr 1848 hatte seine kriegschirurgischen Erfahrungen vermehrt. Von diesem Jahre an wurde die Entwickelung der Kriegschirurgie ihm Gewissenssache. Es war ein glücklicher Blick und Griff Langenbeck’s, der an Dieffenbach’s Stelle nach Berlin berufen war, daß er Stromeyer auf seinen Posten nach Kiel empfahl.

Von Freiburg aber war es ein schweres Scheiden; der edle Mann nahm dort „Abschied von der Poesie des Lebens“. Stromeyer fand durch den Krieg von 1848 seinen Beruf erhöht, denn zu seiner Professur der Chirurgie wurde ihm auch die Stelle eines Generalstabsarztes der schleswig-holsteinischen Armee übertragen. Glücklicher, als die deutsche Politik, war in diesem Kriege die deutsche Wissenschaft. Vielleicht das werthvollste Resultat desselben waren Stromeyer’s „Maximen der Kriegsheilkunst“, ein Werk, „das in der kriegschirurgischen Literatur aller Völker stets mustergültig bleiben wird“.

Im Frühjahre 1854 trat Stromeyer als Generalstabsarzt an die Spitze des königlich hannöverischen Militär-Medicinalwesens. Zu einem zweiten Hauptwerke, dessen ersten Band wir noch seinen schönen Tagen von Freiburg verdanken, vollendete er in dieser Zeit den zweiten Band: zu seinem „Handbuch der Chirurgie“. Es versteht sich von selbst, daß auch sogenannte kleinere Schriften eines solchen Meisters für den Fachmann und die Förderung seiner Wissenschaft von hoher Bedeutung sind; davon sei hier nur seiner „Erfahrungen über Schußwunden“ als Nachtrag zu den „Maximen der Kriegsheilkunde“ und seiner mit Anmerkungen versehenen Uebersetzung der „Notizen und Bemerkungen eines Ambulanz-Chirurgen von W. Mac Cormac“ gedacht, dieser als seiner letzten wissenschaftlichen Arbeit.

Was insbesondere Stromeyer’s hohe Bedeutung als praktischer Chirurg betrifft, so liegt sie namentlich darin, daß er, bei ungewöhnlicher Anlage zum Beobachten, gestützt auf eine umfassende Kenntniß der Physiologie und Pathologie und auf eine reiche Erfahrung, in der Diagnose vorsichtig und scharf, die Indicationen zu seinen Operationen nie in der Lust am Operiren, sondern stets in der reiflich überlegten Aussicht des Erfolges fand und mit einer Gewissenhaftigkeit und einem Geschick, wie sie nur Wenigen beschieden sind, die Nachbehandlung leitete; hiernach ist es natürlich, daß die heute in der Kriegschirurgie herrschende Richtung, welche bemüht ist, die verwundeten Glieder so viel wie möglich zu erhalten, gerade in Stromeyer ihren bedeutendsten Vertreter gefunden hat.

Wenn Stromeyer im Jahre 1866 sich auch bereit erklärt hatte, in den preußischen Staatsdienst überzutreten, so geschah das doch nur unter der Voraussetzung, daß man ihn, gleich den Generalstabsärzten der hessischen und badischen Armeen, an dem Orte seiner früheren Thätigkeit belassen würde. Als jedoch diese Hoffnung nicht in Erfüllung ging, sondern er im Frühjahre 1867 zum Generalarzte des vierten Armeekorps (Magdeburg) ernannt werden sollte, erbat und erhielt er seinen Abschied und blieb in seinem traulichen Heim in der Marienstraße zu Hannover. Wie lieb ihm aber auch diese Heimstätte in der alten Heimath geworden, dennoch riß er sich, wie aus seinem Freiburger Familienparadiese, los, als, wie einst dort, auch hier das Kriegshorn ihn rief. Trotz seines grauen Hauptes zog er 1870 als consultirender Chirurg der dritten Armee mit in das Feld, und so hat auch diese große Zeit eine Stelle gefunden in den „Erinnerungen eines deutschen Arztes“, dem erst im vorigen Jahre erschienenen Buche, in welchem Ludwig Stromeyer uns sein eigenes Leben schildert und so uns selbst den Mann zeigt, dessen Ehren-Fest am 6. April Tausende seiner Collegen, Kriegsgefährten, Schüler und durch ihn von ihren Wunden und Gebresten im Kriege und Frieden Geheilte und Genesene freudig mitbegehen werden. Möge der Glanz dieser Feier noch einen langen, schönen Lebensabend schmücken!




Sogenannte Lichtmühlen, die von den Sonnenstrahlen getrieben werden, wie die Windmühlen von der bewegten Luft, bilden seit einiger Zeit das Hauptanziehungsstück der Schaufenster optischer Läden. Eine senkrechte, sehr leicht bewegliche Welle aus Glas oder Metall, die in einem vorher luftleer gemachten und dann zugeschmolzenen Glascylinder eingeschlossen ist, trägt an vier zierlich gebogenen Kreuzarmen aus dem leichten Metall der Thonerde (Aluminium) vier pfenniggroße Scheibchen aus Hollundermark, die alle in derselben Folge auf einer Seite schwarz berußt sind. Der Unbefangene und Uneingeweihte, welcher an dem Schaufenster stehen bleibt, glaubt in diesem ruhelos umtreibenden, wenn auch federleichten kleinen Rade das lange gesuchte Perpetuum mobile verwirklicht zu erblicken: er sieht in dem durchsichtigen Apparate keine Kraft einströmen, keine Feder oder sonstige Triebkraft wirken. Erst wenn er der kleinen Maschine in’s Licht tritt, wird ihm die treibende Ursache klarer werden; das Rad geht dann mit einem Male auffallend langsamer und scheint ihn durch sein Zögern, wie weiland Diogenes den Alexander, zu bitten, doch aus der Sonne zu treten. Kaum ist dies geschehen, kaum strömt der helle Strahl hernieder, so läuft das Rädchen wieder wie toll vor Freude.

Und so empfindlich ist es, daß es selbst an den trübsten Decembertagen im Schaufenster nicht müßig steht und daß am Abend ein Kerzenlicht, nahe an den gläsernen Schrein gehalten, genügt, die Flügel zum langsamen Kreisen zu bringen. Da nun zwei, drei oder zehn Kerzen das kleine Rad zwei, drei oder zehn Mal so schnell herumdrehen und die Wirkung, wie bei allen strahlenden Kräften, mit dem Quadrate der Entfernung abnimmt, so hat man das Maschinchen auch einen Strahlenmesser (Radiometer) genannt. Der letztere Name ist entschieden der Volksbenennung „Lichtmühle“ vorzuziehen, denn die Untersuchung hat ergeben, daß es nicht die Lichtstrahlen sind, welche das Rad in Bewegung setzen, sondern die dieselben meistens begleitenden Wärmestrahlen; eine klare Alaunplatte, welche die ersteren, aber nicht die letzteren durchläßt, raubt dem kleinen Rade seinen Bewegungsantrieb, während es hinter einer dunklen Schicht Jodtinctur, welche sich gerade umgekehrt verhält und also die Wärmestrahlen allein durchläßt, munter weiter kreist.

Die kleine Maschine ist eine Erfindung des verdienten englischen Naturforschers William Crookes, desselben, dessen kürzlich in diesen Blättern wegen seiner Untersuchungen über sogenannte spiritische Erscheinungen in nicht gerade liebenswürdiger Weise gedacht worden ist. Durch eine Reihe höchst sorgfältiger Versuche hat dieser gewiegte Forscher endlich die schon seit langen Jahren von vielen Naturforschern behauptete, aber niemals klar bewiesene Thatsache festgestellt, daß die Wärmestrahlen eine meßbare anziehende oder abstoßende Wirkung auf Körperoberflächen ausüben, je nachdem sich dieselben in einem lufterfüllten oder mehr und mehr luftleeren Raume befinden. Dieselbe Thatsache ist fast gleichzeitig (1874) von einem deutschen Physiker, A. Bergner, festgestellt worden. Wie diese Anziehung oder Abstoßung zu Stande kommt, darüber sind die Physiker noch sehr im Unklaren, aber mit der seit undenklichen Zeiten bekannten Anziehungs- und Abstoßungskraft der Magneten ist es nicht viel besser, und jedes Professorkind, dem sein Vater einen Magneten mit anhänglichen Fischen und Schwänen zum belehrenden Weihnachtsgeschenke bescheert hat, kann seinen gelehrten Vater mit der einfachen Frage auf den Pfropfen setzen: „Aber wie macht es denn der Magnet, lieber Vater? Hat er denn unsichtbare Arme?“ Wir müssen uns begnügen, bei solchen Dingen die Gesetze festzustellen, ohne uns über das innere Wesen der Kräfte allzu sehr zu beunruhigen. Und auch bei unserer Wärmeanziehung und Abstoßung sind die Wirkungen, wie schon oben angedeutet, vollkommen regelmäßig in ihrer Zu- und Abnahme, und ein Stückchen Eis, also ein kälterer Körper, bringt in allen Fällen die umgekehrte Wirkung hervor, würde das kleine Rad in entgegengesetzter Richtung treiben, weil er, statt Wärme auszuströmen, Wärme entzieht. Das muntere Fensterspielzeug, bei dessen Anfertigung Alles auf thunlichste Verminderung der Reibung, starke Luftverdünnung, sehr dünne Glaswandungen ankommt, wird in vorzüglichster Empfindlichkeit von dem in solchen Künsten unübertroffenen Mechaniker Geißler in Bonn, dem Urheber der weltbekannten Geißler’schen Röhren, angefertigt. Ohne Zweifel wird gar Mancher künftig neben das Thermometer an der Fensterwand sein Radiometer hinhängen, wäre es auch nur der geheimnißvollen Bewegung wegen, und nicht um zu messen, wie viel helle Wärme einstrahlt.




Das Stammbuch der Post. Stammbuchblätter, wo seid ihr geblieben, ihr duftigen Blättchen voll zierlicher Verse, in denen verwegene Reime, wie: Thränen und Sehnen, wie: Liebe und Triebe, wie: Herzen und Schmerzen, auf dem Altar der Empfindsamkeit geopfert wurden, in denen „ewige Freundschaft“ scheffelweise ausgetheilt war? Wo seid ihr hin, längst vergilbte Zeugnisse aus vergangenen Tagen der weltschmerzlichen Romantik? Vorbei, vorbei, hinuntergetaucht in den Strom der Alles verzehrenden Zeit, geflohen vor dem schrillen Pfiff der Locomotive, welcher die mondbeglänzte Zaubernacht der Sentimentalität für immer verscheucht hat.

Auch die Stammbuchblätter, welche sich die Post von ihren Freunden hat schreiben lassen, sind meistens Zeugnisse längstvergangener Zeiten. Ihre Zahl ist groß, sehr groß, und „nennt man die besten Namen“, so sind es eben die Freunde der Post, der freundlichen Botin des Völkerfriedens, der treuen Vermittlerin des Verkehrs der Menschen.

Benvenuto Cellini giebt den bewährten Rath: man solle als Vierzigjähriger sein Leben beschreiben. Hier in unserem Stammbuche haben Freunde der Post die Geschichte einer Vierzighundertjährigen in Sage und Lied, in Dichtung und Prosa verherrlicht. Wer in solchem Alter noch „ewig jung“ fortblüht, der muß doch wohl eine vortreffliche Gesundheit besitzen. In der That zieht eine Reihe von vier Jahrtausenden an unseren Blicken vorüber, wenn wir dieses Stammbuch durchblättern: es ist der Entwickelungsgang der Menschheit selber, dargestellt an einem hochwichtigen Lebenselemente der Cultur.

Die Post, möchte man sagen, kam mit dem Menschen zugleich auf die Erde. Wenigstens war sie zur Zeit der Sündfluth schon da; denn Noah’s Taube mit dem Oelblatte des Friedens bezeichnet jedenfalls die ersten, freilich schüchternen Anfänge eines regelmäßigen Postdienstes. Daß auch schon „die Götter Griechenlands“ ein tiefgefühltes Bedürfniß nach Briefen und Neuigkeiten hatten, bezeugt uns Vater Homer im Stammbuche. Die schnellfüßige Iris war es, welche die postalischen Beziehungen zwischen den idäischen Höhen, den Wohnsitzen der seligen Götter, und Ilion vermittelte:

„Wie wenn der Schnee aus Wolken daherstürmt oder der Hagel,
Also durchflog hineilend den Weg die geflügelte Iris.“

Zu anderen meist unangenehmen Aufträgen verwendete Zeus, der Wolkensammler, den Götterboten und Argostödter Hermes. Ihm widmet Horaz die schöne Ode „An Mercur“, den Bringer der Götterbotschaft.

Von den ältesten Botenanstalten erzählt die Bibel im Buche Esther. Ahasver sandte reitende Boten aus,

„schnell und eilend nach des Königs Worten.“

Auch die Pharaonen in Aegypten plagten sich, nach Diodor’s Nachrichten, schon bei Tagesanbruch mit dem Lesen der eingegangenen Briefe, was auf einen mit Hülfe der Posten centralisirten Gang der ägyptischen Regierungsmaschine hindeutet. In Persien waren schon in früher Zeit Couriere (Angaroi) zum Depeschendienste bis auf dreißig Tagereisen, von Susa ab, aufgestellt. Herodot und Xenophon erzählen, daß diese Reiter – gleichviel „ob schönes Wetter, ob Regen war“ – ihren Dienst thaten und schneller als „Kraniche“ dahineilten.

Der Orient ist überhaupt reich an poetischer Auffassung des Postwesens;

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 223. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_223.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
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