Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
|
Fischer und Ködersammler. Hacken und Schaufeln, Hebebäume und platte Messerklingen werden ebenso von ihnen benutzt, um die Steine umzuwälzen, die festsitzenden Thiere loszulösen oder die Sand- und Schlammthiere auszugraben. Aber außerdem trägt Jeder einen leichten,
aus undurchdringlicher Leinwand gefertigten Feuereimer mit Gläsern, in welchen die erbeuteten Thiere geborgen werden; die Taschen sind vollgepfropft mit kleineren Glasröhren und Fläschchen und um den Hals hängt die unentbehrliche Loupe, mittelst deren die kleineren Organismen, die sich dem bloßen Auge entziehen, auf den nassen Flächen aufgesucht werden. Mancher trägt auch noch ein feines Handnetz, wie ein Schmetterlingsnetz, zum Fangen der in den Tümpeln umherschwimmenden Thierchen. Je tiefer die Ebbe, desto größere Aussicht ist vorhanden, reichen Fang zu thun – denn die nur selten abgedeckten Tiefgründe sind einestheils weit weniger durchforscht und anderntheils bergen sich dort manche Thiere, welche niemals in höheres Niveau aufsteigen. Aber hier gilt es, sich zu tummeln – denn selbst bei den größten Ebben zur Zeit der Tag- und Nachtgleiche decken sich diese reichen Jagdgründe nur wenige Minuten ab und bald mahnen die Zeichen der annahenden Fluth an den Rückzug.
Doch nicht auf diese Art des Fanges allein, dem am Ende Jeder individuell ohne weitere Hülfe obliegen kann, beschränkt sich die Thätigkeit der Naturforscher. Die Existenz eines wohleingerichteten und unter der wohlwollenden und hülfereichen
Direction von Lacaze-Duthiers, einem der tüchtigsten Zoologen Frankreichs, stehenden zoologischen Laboratoriums ermöglicht andere Fangweisen. Von einem kleinen Hafendamme, la Ville genannt, am weltlichen Ende Roscoffs gelegen, stößt bei beginnender Ebbe ein kleines, offenes Segelboot ab. Am Steuer sitzt ein schlanker Matrose in himmelblauer Flanelljacke, mit hellgrauen Augen und englischem Backenbarte. Er heißt Yves und commandirt das Boot, das er mit Sicherheit zwischen den Klippen hindurch zu lenken versteht. Am Vordersteven ist ein anderer stämmiger Bursche in rother Jacke, Francis, mit dem Stellen der Segel beschäftigt, und ein dritter, lebhafter Bursche mit drallen Waden, Marti, macht sich auf dem kleinen Vorderdeck mit einer gewaltigen Maschine zu schaffen, die unter einem Haufen alten Netzwerkes verborgen liegt. Im Hintertheile kauern auf den Bänken einige Herren, vor sich große Glasgefäße und Körbe, zur Seite feine Netze, vom feinsten Musselin oder Mahltuch gefertigt, an langen handfesten Stielen. Das Boot folgt der Ebbe und kreuzt zwischen den Inseln hinaus in das Freie. Von Zeit zu Zeit hält einer der Forscher sein Netz über den Bootsrand hinaus so in das Wasser, daß es die Oberfläche pflügt, und nachdem er eine zeitlang den Strom hat durchgehen lassen, hebt er das Netz auf und stülpt es vorsichtig in eines der mit Wasser gefüllten Glasgefäße um, oder schöpft auch mit einem Bierglase den Inhalt des Netzes aus, ohne dasselbe aus dem Wasser zu heben.
- ↑ a b c siehe Berichtigung (Die Gartenlaube 1876/19)
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 267. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_267.jpg&oldid=- (Version vom 16.4.2019)