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Seite:Die Gartenlaube (1876) 303.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)

in einem guten Theile des Volkes fort, nur sind ihm die Nägel beschnitten, sodaß er ein ziemlich harmloser Aberglaube geworden ist, der gewöhnlich nur üble Nachrede und Meidung des Umgangs mit den Verdächtigen, sowie Verweisung derselben aus Haus und Stall zur Folge hat. Indeß kommen nach den Zeitungen doch gelegentlich Fälle vor, wo der Wahn weiter geht und sich zu Mißhandlungen und Peinigungen der Betreffenden versteigt, und gar nicht selten sind die Fälle, wo eine Magd, die eine Hexe sein soll, aus dem Dienste gejagt, oder eine Familie, in welcher die Mutter oder Großmutter in den Ruf gekommen ist, Vieh oder Menschen „etwas anthun“ zu können, durch allerhand Unbill genöthigt wird, ihren Wohnort zu wechseln. Die Schule hat hier noch manche Aufgabe.

In Ostfriesland nennt man die Hexen „dat roode Volk“ oder „de lichte Lüe“, die leichten Leute, weil sie auf Kuhrippen über das Land hinschweben. Es giebt dort ganze Familien, in denen die Hexerei forterben soll, und in welche deshalb Andere nicht gern hineinheirathen.

In Tirol wird nach I. Zingerle das Hexenhandwerk von alten Weibern gelehrt, und erst wenn die Schülerin sich in allen ihren Künsten dreimal sieben Jahre bewährt hat, erhält sie vom Teufel das „Siegel“, indem er ihr einen Bocksfuß auf das Kreuz einbrennt, womit die volle Zaubermacht und der „böse Blick“ verbunden ist, der Alles, was er trifft, beschädigt, krank macht und verdirbt. Die Hexen werden hier, wie anderwärts, an rothen Triefaugen, aber zugleich an verschiedenen anderen Zeichen erkannt. Wenn im Innthale ein altes Weib weiße Schnecken sucht, ist es eine Wetterhexe, die Gewitter und Wirbelwinde machen kann. Die Hexen können die Bergwiesen vergilben und verdorren lassen, bei verschlossener Thür ein Stück Vieh aus dem Stalle entführen, den Kühen die Milch nehmen, aus Nägeln, die im Stalle sind, melken, das Buttern hindern; sie können sich in Katzen und Hasen verwandeln, auch stehlen sie sich in Gestalt von Schmetterlingen durch offen gelassene Fenster in die Stuben und Kammern, wo sie dann des Nachts den Leuten Alpdrücken verursachen und die Kinder würgen, bis sie blau werden. Zum Glück giebt es allerlei Mittel, mit denen man sich gegen ihre Bosheit schützen kann. Wenn ein von Hexen verursachtes Ungewitter im Anzuge ist, so vertreibt man es durch Verbrennen von Kräutern, die am Tage Mariä Himmelfahrt geweiht worden sind. Schießt man gegen die heraufsteigende Wolke, so wird die Hexe getroffen. Die Ställe verwahrt man gegen die Unholdinnen dadurch, daß man einen Benedictus-Pfennig oder ein kleines Rad, dessen Speichen ein Kreuz bilden, daran befestigt, was man in den Gebirgsdörfern Truden, Aldein, Raditsch und Radein fast in jedem Gehöfte beobachten kann. Gekreuzte Eisenstangen vor den Fenstern halten in Passeier die Hexen fern. Will beim Buttern die Milch nicht brechen, so nimmt man eine Bratspieß, macht ihn glühend und stößt ihn in das Butterfaß, dann wird die Hexe, die das Mißlingen verursacht, gebrannt und ihr Zauber zerstört. Oft geschah es bei Stockach, daß Leute, die in einer Quatemberzeit nach dem abendlichen Gebetläuten vor die Thür gingen, von Hexen geholt, auf einen hohen Berg getragen und in zwei Stücke zerrissen wurden. In Meran, wo das auch befürchtet wird, schützt sich der, welcher nach dem Läuten noch ausgehen muß, vor aller Gefahr dadurch, daß er in den Wagengleisen hinschreitet. Wer in Absam und Zirl von der „Trude“, das heißt der Hexe als Alp, gedrückt wird, schafft sie sich vom Leibe, wenn er das nächste Mal sich eine Hechel so auf die Brust legt, daß die Stacheln aufwärts stehen.

Auch in Schwaben scheint nach E. Meier der Glaube an Hexen noch sehr verbreitet zu sein. Berüchtigt und gefürchtet sind die Weiber mancher Orte, z. B. die von Gomaringen und Pfrondorf bei Tübingen. Saulgau in Oberschwaben heißt in der ganzen Nachbarschaft wegen seiner viele Hexen das „Hexenstädtle“; das Wiesenstieger Thal wird das „Hexenthäle“ genannt, und von Möhringen auf den Fildern sagt man, es seien dort sechs Hexen mehr als Milchhäfen im ganzen Orte. Die Hexen reiten auf Katzen zu ihren nächtlichen Festen. Solche Thiere werden davon oft mager und krank. Schneidet man ihnen aber ein Stück vom Ohre oder dem Schwanze ab, so sind sie zu ferneren Ritten untauglich und erholen sich wieder. Wenn eine Hexe Jemand drücken oder „reiten“ will, so verläßt ihre Seele des Nachts ihren Körper und schlüpft als Maus zum Munde heraus. Der Leib liegt dann mit offenem Munde wie todt auf dem Rücken, und wollte man ihn umkehren und mit dem Gesichte auf’s Kissen legen, so würde er todt bleiben, da die Seele nicht wieder hinein könnte. Die Hexen können ein Kind durch bloßes Anblicken krank machen und Milch aus einem Handtuche melken. Sie stehlen ungetaufte Kinder und bringen sie um, worauf sie ihnen die Hände abschneiden, die dann zu einem Zauberbrei zerkocht werden. Erkannt werden sie daran, daß sie am Sonnabend spinnen, daß sie mit den Augen blinzeln, daß ihnen die Augenbrauen in der Mitte zusammen gewachsen sind etc. Sieht man ihnen in die Augen, so blickt das Bild verkehrt heraus.

Schutzmittel gegen die Hexen sind folgende. Man malt mit Kreide drei Trudenfüße an die Thür; man bringt dasselbe Zeichen an Krippen und Kornsäcken an; man nagelt einen Pferdefuß über die Stallthür; man wirft etwas Salz in den Melkkübel und das Butterfaß. Auch Messer mit drei Kreuzen auf der Klinge schützen gegen Hexen. In den Ställen muß man das Spinnengewebe sitzen lassen, sonst beschädigen Einen „die bösen Leute“. Legt man „Neunfingerleskraut“ unter sein Kopfkissen, trägt man Asche von Erlen- und Wachholderzweigen bei sich, so können Einem die Unholdinnen nichts anthun. Hat eine Hexe ein Stück Vieh beschädigt oder umgebracht, so kann man sie zur Strafe ziehen. Man stecke in das Herz des todten Thieres drei Nägel und drücke dieselben täglich etwas tiefer hinein. Dann muß die betreffende Person sterben, wenn sie nicht kommt und um Erbarmen bittet, und man die Nägel herauszieht. Ebenso stirbt sie an der Schwindsucht, wenn man ihre Fußstapfen ausschneidet und in den Rauch des Schornsteins hängt.

Norddeutscher Hexenglaube ist unter Anderm die Meinung, daß die Hexen aus einem Stücke Holz, einem Stricke oder Besenstiele melken, daß sie sich in dreibeinige Hasen verwandeln, daß sie an Mauern hinauflaufen und in der Luft schweben können. In der Mark und gewissen Theilen Mecklenburgs kann man den Hexenzug nach dem Blocksberge sehen, wenn man sich unter eine Erbegge setzt, deren Zähne nach oben stehen, oder wenn man eine Furche um das Dorf zieht, dann den Pflug in die Höhe richtet und daselbst bis zur Dunkelheit wartet, oder wenn man sich auf einen Kreuzweg stellt und sich ein ausgeschnittenes Stück Rasen auf den Kopf legt. Ebendaselbst erkennt man die Hexen in der Kirche, wenn man das erste Ei einer schwarzen Henne in der Tasche trägt. Im Harze leistet ein Gründonnerstagsei dieselben Dienste. Im Elsaß wieder muß es ein Charfreitagsei sein, und man sieht die Hexen mit einem Stücke Speck statt des Gesangbuches in der Hand.

Die Moral von unserer Betrachtung ist eine doppelköpfige: Die „gute“ alte Zeit war in Wahrheit nach verschiedenen Richtungen hin eine sehr „schlimme“, eine recht dumme alte Zeit, und wir sind besser daran als unsere Großväter und Urgroßväter, aber so gut und gescheidt wir vergleichsweise auch sein mögen, noch leben wir keineswegs überall im neunzehnten Jahrhundert.




Ehestandsdifferenzen.


Der „offene Abend“ in den schönen Räumen des Malers Arnold Hartung war vorüber, und wo eben noch eine heitere Gesellschaft plaudernd durcheinander gewogt hatte, stand jetzt die Zimmerreihe leer im hellen Lichtglanze. Man hätte sie für verlassen halten können, wäre nicht dann und wann ein Schall von Lachen und Gläserklirren durch die halb geöffnete Thür erklungen, die ganz zu hinterst in das hohe, mit alten Möbeln und Teppichen reich ausgestattete Atelier des Hausherrn führte. In der That saßen dort in der Nische neben dem mächtigen grünen Kachelofen die Intimsten des Hauses noch bei dem Reste der Bowle

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_303.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)
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