Verschiedene: Die Gartenlaube (1876) | |
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muß. Die Franzosen haben nämlich die Kunst, durch Bronzemischungen verschiedene Farben herauszubringen, so gründlich studirt, daß sie an einer Figur die verschiedensten Abstufungen für den Körper, die Gewandung und das Geräth anbringen. Die geschmackvollsten und reichsten Bronzekronleuchter hatten New-Yorker Firmen ausgestellt.
Auf keinem Gebiete der Kunstindustrie herrscht vielleicht ein so reger Wetteifer, wie auf dem der Gold- und Silberarbeiten. Die amerikanischen Juweliere sowie Elkington aus London haben sich vollkommene luxuriös ausgestattete Läden eingerichtet. Und in diesen glänzenden Räumen findet man Tafelaufsätze aus getriebenem Silber, deren Werth auf fünfundzwanzig- und dreißigtausend Dollars veranschlagt ist, und Prachtgeräthe, in denen die Kunst des Orients wieder auflebt. Da fallen persische Silbergeschirre in’s Auge, die sich aus lauter glitzernden Streublumen aufzubauen scheinen, farbige Nielloplatten, indische Kühlgefäße aus Silber mit reicher Vergoldung, Silberschilde in Benvenutostile, Diamanthalsbänder im Werthe von hundertzwanzigtausend Dollars, und was dergleichen strahlende Dinge mehr sind.
In England und Amerika förderten die Clubs die Silberindustrie, die Prachtliebe der Frauen aber die Goldschmiedekunst mächtig. Unsere deutschen Bijouteriefabriken zu Hanau, Pforzheim und Schwäbisch-Gmünd haben auch in einer reichen Collectivausstellung sehr geschmackvolle Arbeiten aufzuweisen; in der englischen Abtheilung sind Dubliner und Edinburger Juweliere mit Schmucksachen aufgetreten, welche einen nationalen Charakter an sich tragen, und in der italienischen haben Castellani, Bellezza und Andere die altrömischen Formen, wie man sie zu Pompeji und Herculaneum, wie bei den Bauern des heutigen Italiens fand, wiederbelebt. In Bezug auf Silberfiligranarbeiten treten mit den Italienern die Silberschmiede von Christiania in eine siegreiche Concurrenz. Die österreichischen Granatschmucksachen sind ebenso sehenswerth, wie die allerliebsten Werke der Kleinplastik, wie sie die Wiener Galanteriewaarenhändler ausgestellt haben, reizende Dinge in Bronze und Email. Dazu darf man auch die Arbeiten in Meerschaum und Bernstein rechnen, worin Wiener Fabrikanten geradezu Bewunderungswürdiges leisten. Die Ausstellung französischer Emailarbeiten ist eine glänzende; sie beweist uns, daß wir auf diesem Gebiete die Kunstfertigkeit vergangener Jahrhunderte wieder erreicht haben.
Es wäre noch Manches zu erzählen von den tauschirten Arbeiten des Spaniers Zuloaga, in denen die fast untergegangene Kunst maurischer Waffenschmiede wieder auflebt, von den Leistungen moderner Waffenfabriken, von den handlichen Arbeitswerkzeugen der Amerikaner, ihren gefälligen Buggies, dem enormen Reichthume an ausgestellten Chemikalien und anderen Dingen, die sehenswerth sind, allein der Raum dieser Besprechung ist bereits weit überschritten. Vielleicht läßt sich bei meiner Betrachtung der Ausstellungen der Orientalen und der Völker Ostasiens Manches nachholen.
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Theatererinnerung eines alten Schauspielers. Im August des Jahres 1845 war ich auf dem Callenberge, dem reizenden Lustschlosse des Herzogs von Coburg, und hatte mich kaum in der dorigen Restauration an den Tisch gesetzt, um eine Tasse Kaffee zu trinken, als sich ein Herr zu mir gesellte und sich mir als den Schauspieler Hübsch vorstellte. Er war als Director des Königsberger Theaters thätig gewesen und sah sich nun, wie er mir erzählte, directionsmüde nach einem dauernden Engagement um. In Coburg habe er Gönner gefunden, die ihn dem Baron von Gruben (damaligem Intendanten des Hoftheaters) empfohlen hätten; von diesem sei ihm ein Gastspiel zugesagt und zugleich die Aussicht auf die Regie eröffnet worden. Er würde nun in den ersten Tagen des Septembers in „Don Carlos“ als Philipp auftreten und also, wie er sich ausdrückte, das Vergnügen haben, mit mir, der ich im Besitze der Rolle des Don Carlos war, zusammen zu wirken.
Nachdem wir unsern Kaffee getrunken hatten, traten wir, weiter plaudernd, unseren Rückweg nach der Stadt an, wo wir uns trennten, um uns erst nach einigen Wochen auf der ersten Theaterprobe des „Don Carlos“ wieder zu sprechen, obschon ich ihn einige Male auf der Straße bemerkt hatte, auf der seine außerordentlich vortheilhafte Persönlichkeit Aufmerksamkeit zu erregen begann.
Die erste Theaterprobe überzeugte uns leider, daß Hübsch, obgleich er mehr als genügende Zeit zur Vorbereitung gehabt hatte, kaum einiger Worte seiner Rolle mächtig, ja nicht einmal im Stande war, den allzulauten Einflüsterungen des Souffleurs nachzusprechen; die Probe wurde also unterbrochen, und wir mußten – da Hübsch nach Hause geeilt war, um seine vergessene Rolle zu holen, deren Vermissen er als Grund seiner sogenannten Zerstreuung angab – geduldig auf seine Wiederkunft warten. Sei es nun, daß er mittlerweile die verlorene Fassung wieder erlangt, sei es, daß das Bewußtsein, seine Rolle bei sich zu wissen, ihm das Gedächtniß gestärkt hatte, es ging nach seiner Rückkehr etwas besser und die Probe wurde wenigstens ohne weitere Störung zu Ende geführt. Am folgenden Tage, dem Tage der Aufführung, war auch die Generalprobe in Gegenwart des Intendanten. Obschon mir nun Hübsch versicherte, die ganze vergangene Nacht dem Studium gewidmet zu haben, wurden seine Gedächtnißlücken doch bald dergestalt merkbar, daß der Regisseur ihn ermahnen mußte, sich im Laufe des Nachmittags noch fleißig mit der Rolle zu beschäftigen.
Endlich kam der verhängnißvolle Abend. Ich, der ich als Don Carlos das Stück zu beginnen hatte, war bereits mit meiner Costümirung soweit fertig, daß ich mir nur noch den Hermelinmantel mit der Mantelschnur befestigen zu lassen brauchte, als endlich – es mochte wohl schon halb sieben Uhr sein – Hübsch fast athemlos in die Garderobe kam, um sich anzukleiden. Da ihm sein Platz neben meinem angewiesen war, hatte ich Gelegenheit ihm zu bemerken, daß er keine Zeit mehr zu versäumen hätte. Hierauf erwiderte er mir, während er sich ankleidete, daß er auf dem Wege in’s Theater an einem Silberladen vorübergegangen und durch flüchtiges Betrachten des Schaufensters plötzlich auf den Gedanken gekommen wäre, seiner Frau, deren Namenstag in kurzer Zeit sei, eine Freude zu machen. Wie sehr er sich nun aber auch mit der Bestellung eines Dutzend silberner Bestecks beeilt hätte, dürfte er sich doch wohl etwas zu lange dabei aufgehalten haben, er werde aber sicher noch rechtzeitig mit seiner Costümirung fertig werden.
Und er hatte die Wahrheit gesprochen. Mit fabelhafter Geschwindigkeit hatte er sich während der Unterredung die einzelnen Costümstücke anzulegen gewußt und war nach einer Viertelstunde bereits geschminkt; er hatte nur noch sein Haar zu ordnen, um ganz fertig zu sein, als ihn mein Blick zufällig streifte und ich erstaunt bemerkte, daß er sich eine blonde Lockenperrücke aufstülpen lassen wollte.
„Aber, Herr Hübsch,“ rief ich aus, „Sie werden doch nicht als Philipp diese blonde Lockenperrücke aufsetzen wollen?“
„Allerdings werde ich das thun,“ gab er mir zur Antwort, „und denke es auch vertreten zu können, da es das Resultat reiflichster Ueberlegung ist.“
Jetzt schlug es sieben Uhr. Das Musikzeichen wurde gegeben; ich mußte auf die Bühne und durfte, um mich nur mit meiner Rolle zu beschäftigen, mich durch Nichts mehr abziehen lassen, war aber dennoch auf’s Aeußerste gespannt auf Philipp’s Auftritt. Nachdem ich die fünfte Scene beendet hatte und als die Königin sich nach dem Hintergrunde zurückziehen wollte, trat unser Philipp ihr entgegen, blickte mit Befremdung umher, und nachdem er eine augenblickliche Pause hatte vorangehen lassen, begann er mit „So allein, Madame?“ Wenn auch kein Philipp, war er trotz seiner blonden Lockenperrücke, die er sich nicht hatte abstreiten lassen, eine so imposante Erscheinung, daß er von vornherein den vortheilhaftesten Eindruck machte, und man hörte auch während der kurzen vorhergehenden Pause ein Beifallsgemurmel im Publicum. Freilich hielt diese ihm günstige Stimmung nicht lange an, denn man wußte das Unbestimmte seiner Charakterzeichnung nicht zu deuten, auch bemerkte man wohl, daß er die Hülfe des Souffleurs über die Gebühr in Anspruch nahm. Dennoch gelang es ihm, diese verhältnißmäßig kurze Scene ohne allzu lange Kunstpausen zu Ende zu führen und sich glücklich „durchzulügen“, wie man in der Coulissensprache zu sagen pflegt. Nun aber begann der zweite Act. Der Auftritt zwischen Philipp, Alba und Carlos geht zu Ende. Alba tritt ab. Carlos befindet sich mit Philipp allein auf der Bühne, und die schöne Scene zwischen Vater und Sohn nimmt ihren Anfang; ich gelange auch glücklich bis zu der Rede:
„Schicken Sie
Mich mit dem Heer nach Flandern, wagen Sie’s
Auf meine weiche Seele! Schon der Name
Des königlichen Sohnes, der voraus
Vor meinen Fahnen fliegen wird, erobert,
Wo Herzog Alba’s Henker nur verheeren.
Auf meinen Knieen bitt’ ich d’rum. Es ist
Die erste Bitte meines Lebens – Vater,
Vertrauen Sie mir Flandern“ –
Hierauf hat Philipp zu erwidern:
„Und zugleich
Mein bestes Kriegsheer Deiner Herrschbegierde?
Das Messer meinem Mörder?“ –
Aber Hübsch schweigt, stiert in den Souffleurkasten, blickt mich wie hülfeflehend an, wendet sich wieder nach dem Souffleurkasten und kommt endlich auf mich zu. Er legt mir die Hand auf’s Haupt und sagt mit wimmernder Stimme: „Weiche Seele!“ Ich blicke auf, sehe ihm in’s Auge und – gerechter Gott! Wie ein Blitz durchzuckt mich der Gedanke: Der Mann ist wahnsinnig. Der Schreck lähmt mir die Kraft zur Ueberlegung, und dennoch fühle ich unwillkürlich, daß die Scene auf’s Schnellste zu Ende gebracht werden müsse; ich gebe dem sich vergebens anstrengenden Souffleur unmerklich einen Wink, entwinde mich der unmittelbaren Nähe des sich an mich anklammernden Hübsch, überspringe alle Zwischenreden und finde glücklich mit der folgenden Rede eine Anknüpfung:
„Ich wage meines Königs Zorn und bitte
Zum letzten Mal: Vertrauen Sie mir Flandern!
Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 609. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_609.jpg&oldid=- (Version vom 9.9.2019)