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Seite:Die Gartenlaube (1876) 617.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876)


gleichnamigem Lustspiel entzückte, in welcher Rolle ihn unser heutiges Bild darstellt.

Manchen Leser mag es interessiren zu hören, daß die Uniform, in welcher hier Mittell als blumenspendender Officier wiedergegeben ist, echt ist, ein Geschenk von militärischen Freunden, die dem Künstler damit ihre Anerkennung für die chevalereske Darstellung des Husarenlieutenants zu erkennen gaben. Auch Mittell mag daran seine Freude haben. Erfreulicher aber ist uns jedenfalls die Echtheit seines Talentes, und diese wird ihm auch für die Zukunft ruhm- und ehrenreiche Tage verbürgen.

M. G.




Unter den Montenegrinern und Muselmännern.


Es war an einem schwülen Abende während der letzten Tage des Monats Mai im heurigen blutigen Jahre. Ich saß in Gesellschaft meines Freundes, Dr. K., in dem Jägerwirthshause eines kleinen steierischen Marktfleckens, und wir kannegießerten natürlich über die Eventualitäten, die aus dem drohenden türkisch-serbisch-montenegrinischen Kriege erwachsen dürften. Die gegenüberliegende Post öffnete ihre Thür zum letzten Male, eine nur den Eingeweihten verständliche Andeutung, daß jetzt die Neuigkeiten abzuholen seien, die der Abendzug gebracht, und bald war ich im Besitze eines Briefes, den ich mit steigender Verwunderung las, um schließlich über die sonderlichen Sprünge des Zufalls in ein helles Gelächter auszubrechen.

Ein renommirtes Bankhaus in T. richtete an mich die Anfrage, ob ich gesonnen sei, eine Besichtigung der Wälder Montenegros vorzunehmen und die Ausbringungsverhältnisse an Ort und Stelle zu studiren. War der Antrag mir als Forstmann schon interessant und willkommen, so war er es doppelt bei der jetzigen Zeit und den dortigen wildkriegerischen Zuständen. Ohne mir die Schwierigkeiten und etwaigen Gefahren einer solchen Reise zu verhehlen, namentlich bei meinem schon vorgerückten Alter, acceptirte ich postwendend, packte meine Kleidungsstücke in einen neuen, recht fest construirten Koffer, nahm für alle Fälle einen Paß, und der 4. Juni, ein glühender Pfingstsonntag, fand mich schon auf der Reise nach Triest.

Meine Erlebnisse in Triest sowie meine Weiterreise über Pola, Zara und Ragusa nach Cattaro gedenke ich vielleicht später einmal zu erzählen.

Den nächsten Tag nach meiner Ankunft in Cattaro hatte ein Herr, dem ich durch einen Brief empfohlen worden war, die Freundlichkeit, meine Weiterreise nach Montenegro zu vermitteln. Der slavischen Sprache völlig unkundig, nur mittelmäßig im Italienischen bewandert, waren mir solche Hülfen unentbehrlich. Herr J. engagirte für mich einen Führer sammt Pferd, sowie eine Montenegrinerin, die meinen achtundzwanzig Kilo schweren Koffer bis Cettinje tragen sollte.

Die Zeit der Abreise war auf drei Uhr Morgens festgesetzt, damit wir vor Ausbruch der großen Sonnenhitze den Hauptaufstieg hinter uns hätten, aber pünktlich erschien nur die Montenegrinerin. Diese hob den Koffer, fand ihn wohl etwas schwer, befestigte ihn aber mit Traggurten auf ihrem Rücken und verlangte als Trägerlohn für den schrecklichen Weg nach Cettinje, den ich bald beschreiben werde und zu dessen Zurücklegung ich sieben und eine halbe Stunde brauchte, nur – einen Gulden. Die Trägerin ging einstweilen voraus, und um halb fünf Uhr erschien auch der Führer, der glücklicher Weise italienisch sprach.

An der Riva stieg ich zu Pferd, und nach einem kurzen Trabe am Meeresufer ging es steil bergan. In Zeitschriften und Feuilletous war oft die Rede von einer Fahrstraße, die zwischen Cattaro und Cettinje gebaut werden solle und schon im Bau begriffen sei, ich aber glaube, daß diese schwerlich in’s Leben treten wird. Auf österreichischer Seite hat man bis zur Grenze der Czernagora einen Reitesteg angelegt, welcher, kaum so breit, daß zwei beladene Packpferde aneinander vorbeikommen in kurzen Zickzackserpentinen derart steil in die Höhe führt, daß man innerhalb drei Stunden über tausendsechshundert Meter hinaufklettert. Dieser Steg führt an so schwindelerregenden Abhängen vorbei, daß bei mir wenigstens das großartige Panorama über die ganze Bocca und das offene Meer nicht recht zum Genusse kam. Welches Interesse hätte Oesterreich, diesen Reitweg mit enormen Kosten in einen Fahrweg umzuwandeln? Auf montenegrinischer Seite hat man allerdings mit der Anlage einer Fahrstraße begonnen, aber nur dort, wo das Terrain hierzu am günstigsten, das heißt am wenigsten schwierig erschien, z. B. auf dem Plateau oberhalb Njegusch, im Bergthale von Njegusch selbst und in der Kesselebene von Cettinje. Es wird ungefähr ein Sechstel des ganzen Weges fertig sein und dies, wie gesagt, an den leichtesten Punkten. Seit der Insurrection der Herzegowina ist jede Wegearbeit eingestellt.

Das Pferd, welches ich ritt, gehörte zwar zu den stärkeren des dortigen Gebirgsschlages, war aber leider etwas zu alt. Dieser Uebelstand machte sich unter einem Reiter, der, wie ich, über hundert Kilo wiegt, bald bemerkbar. Bis zur halben Höhe ging es gut, dann suchte aber der Gaul, wenn ich ihn nicht fest im Zügel hielt, die lästige Bürde dadurch abzustreifen, daß er meine Beine so nahe wie möglich an die in den Weg vorspringenden Felsen anzudrücken sich bestrebte, und als diese Versuche mißlangen, blieb er zuweilen ganz stehen, und konnte nur durch feste Hiebe wieder in Gang gebracht werden.

Dieses fortwährenden Streites müde, zumal bei so schmalem Wege, zog ich es vor, abzusteigen und etwa eine Stunde lang zu Fuß bergan zu klimmen, während welcher Zeit sich das Pferd wirklich so erholte, daß ich ohne fernere Anstände nach Njegusch hineinreiten konnte, welches wir um halb neun Uhr erreichten und wo Rast gemacht wurde.

Noch ehe man das Plateau von Njegusch erreicht, hört das österreichische Gebiet auf. Die Grenze ist durch keinerlei Zeichen markirt, macht sich aber dadurch bemerkbar, daß der Reitweg plötzlich abbricht und man durch die zerklüfteten Felsen einen Ziegenpfad so lange hinaufreitet, bis man die Hochfläche und auf dieser die Anfänge der montenegrinischen Straße erreicht. Das ziemlich große Dorf Njegusch liegt in einem Gebirgskessel. Hier sah ich zum ersten Male einige bebaute Felder; bis dahin war mir noch kein einziges Stückchen Ackerland vorgekommen. Wir ritten zum Wirthshause, banden das Pferd an einen Baum, wo ihm etwas Heu vorgeworfen wurde, und ließen uns nieder, nicht in einem Wirthshauszimmer – bewahre! ein solches existirt nicht – sondern unter einem vor dem Hause angebrachten Vordache. Die Wirthin brachte Wein, Schafkäse, Brod, und von ihrem eigenen Bette ein ziemlich schmutziges Kopfpolster, das sie für mich auf die noch schmutzigere Holzbank legte.

Es herrschte reges buntes Leben in Njegusch. Tags vorher war eine Partie Flüchtlinge aus der Herzegowina dort angekommen, Männer, Weiber und Kinder, deren Elend, Trübsal und Entbehrung aus den abgehärmten Gesichtern und den malerischen Lumpen heraussah. Ein Wojwode (Rangstufe, die unserem Titel: General entsprechen soll), der in Begleitung von einem Serdar (Oberst) von Cettinje gekommen, schien beschäftigt, die Flüchtlinge unterzubringen und überhaupt eine Art Controlversammlung in der dortigen Gegend abzuhalten. Es kamen und gingen Montenegriner ab und zu. Die Ankommenden küßten den Rockärmel des Wojwoden; er verzeichnete etwas auf einem Bogen Papier, hielt eine kurze Ansprache, und die Leute entfernten sich, wie sie gekommen, um anderen Platz zu machen. Mit einigen dem Anscheine nach einflußreicheren Kriegern zog er sich zuweilen in einen dunklen Raum des Wirthshauses zurück – ich weiß nicht, war es eine Tenne oder ein Kuhstall? – und schien dort geheime Instructionen zu ertheilen.

Ueber die malerische Tracht, die Bewaffnung und Gestalt der Montenegriner ist sattsam geschrieben worden. Wohl sah ich Viele, die sechs Fuß und darüber maßen, aber auch Viele nicht größer als fünf und ein halb Fuß. Aber Alle waren schlank mit breiten Schultern, hatten eine stolze, selbstbewußte, würdevolle Haltung, und aus jeder Bewegung sprach eine Elasticität und concentrirte Kraft, die nur Staunen erregen konnte. Man muß, wie ich später Gelegenheit hatte, diese an den Füßen mit Opanken bekleideten Gestalten über Felsen und Klippen mit der Genauigkeit

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1876). Leipzig: Ernst Keil, 1876, Seite 617. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1876)_617.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)
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