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Seite:Die Gartenlaube (1878) 058.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Ballet nach Beendigung der Oper in Scene gehen zu lassen, nachdem Spohr den Tactstock niedergelegt hatte. Hatte der Kurfürst schon früher gewöhnlich jede Spohr’sche Oper von dem ihm vorgelegten Repertoire gestrichen, so that er solches nunmehr grundsätzlich fortwährend, und es hatte daher auch das Publicum Kassels keine dieser Compositionen, nicht einmal die „Jessonda“ zu hören bekommen.

Auch das Auftreten Spohr’s als Violinvirtuos in den Concerten des Hoftheaters unterblieb fortan gänzlich, und den Musikfreunden wurde damit einer der schönsten und edelsten Genüsse entzogen. Mit welcher Andacht, mit welcher Spannung hatte man früher gelauscht, wenn der Meister nach einer kurzen und schroffen Verbeugung die Geige ansetzte, welche fast zu klein schien für den Körper ihres Herrn, und wenn dann jene weichen und vollen Töne unter dem bekannten Bogenstriche hervorquollen, dessen Kraft das Instrument zu brechen schien! Noch mehr trat die grandiose Eigenthümlichkeit der Spohr’schen Spielweise hervor, wenn der Meister, was zuweilen geschah, mit dem Concertmeister Wiehle Duetten executirte, da Letzterer, eine kleine, lebendige und elegante Erscheinung, in der französischen Schule gebildet war. Spohr’s Spiel war von so überwältigender Wirkung, daß einer seiner talentvollsten Schüler, ein Ungar, eines Abends, nachdem er einem Concertvortrage seines Lehrers beigewohnt hatte, nach Hause eilte, seine Geige zum Fenster hinauswarf und abreiste, verzweifelnd, je etwas Aehnliches leisten zu können. Einer nur ist im Stande gewesen, des Meisters Erbschaft anzutreten, das ist Joachim in Berlin.

Achtzehn Jahre sind dahingegangen, seitdem sich die Kunde von Spohr’s Tode verbreitete. Einmal noch habe ich ihn nach seiner Versetzung in den Ruhestand begrüßen können, im Geiste aber sehe ich ihn immer noch als einen wirklichen Heros vor dem Dirigentenpulte, im Geiste stehe ich heute noch an lauen Sommerabenden vor seinem Garten am Kölnischen Thore zu Kassel und lausche den Zaubertönen, welche er, allein phantasirend, seinem Instrumente entlockte.

Jetzt soll ihm ein Denkmal gesetzt werden, ein Denkmal, das schon längst hätte vollendet sein müssen, wenn man sich dessen erinnert hätte, was Spohr als Componist, Virtuos und Dirigent war. Hoffentlich kommt es in glänzender Weise zu Stande! Aber auch ohne dasselbe wird der Name Ludwig Spohr im Tempel der Kunst in glänzenden Lettern an derjenigen Stelle prangen, wo die Namen der hohen und edelsten Meister verzeichnet sind! –





Die türkischen Gefangenen in Bukarest. Man schreibt uns aus der Hauptstadt Rumäniens. Täglich treffen jetzt Züge mit türkischen Kriegsgefangenen in Bukarest ein und werden in den verschiedenen Casernen untergebracht. Der Eindruck, welchen sie machen, ist sehr verschieden, obgleich es durchweg kräftige Menschen sind. Einige sind gut gekleidet und mit Mänteln und Stiefeln versehen, andere haben nichts als einen dünnen, fadenscheinigen Waffenrock und zerrissene Schuhe an und klappern vor Frost. Viele haben Geld, größtentheils Kaimes, selten Gold. Das Papiergeld wechseln sie bei den ambulanten Wechslern an den Straßenecken. Sie werden dabei nicht übermäßig über das Ohr gehauen, denn die Wechsler sind größtenteils rumänische Israeliten, welche Mitleid mit den armen Gefangenen haben. In mehreren Gewölben, in welchen die Türken sich Strümpfe, Wäsche und andere dringende Bedürfnisse einkauften, habe ich selbst beobachtet, daß die israelitischen Verkäufer von den Türken zwar aus Furcht vor ihren rumänischen Kunden, Geld annahmen, ihnen dasselbe aber mit einem eigenthümlichen Gesichtsausdrucke und mit nassem Auge heimlich wieder in die Hand drückten. Andere Gefangene haben zwar kein Geld, sind aber im Besitze von Schmuck und Kostbarkeiten, an welche sich möglicher Weise eine schreckliche Geschichte von Raub, Mord und Plünderung knüpft. Derartiger Schmuck wird von ihnen an den Straßenecken zum Verkaufe angeboten. In aller Geschwindigkeit ist unter zehn oder zwölf Personen eine Versteigerung arrangirt. Ich sah auf solcher Straßenecken-Auction einen Baschibozuk eine antike Brosche, welche gewiß einige hundert Franken werth sein mochte, um dreizehn Franken fortgeben. Manche von den Gefangenen haben indessen weder Gold, noch Papier, noch Schmuck, den sie verkaufen konnten, um dafür warme Kleider oder etwas Warmes in den Magen zu erhandeln. Solch ein Trupp von hungernden und feiernden Unglücklichen stand gestern vor der Thür eines Kirtschmar (Gasthaus für die ärmeren Volksclassen), ohne – im Bewußtsein der leeren Taschen – hineingehen zu können. Da kommt ein junger ungarischer Handwerker, er mochte kaum zwanzig Jahre zählen, des Weges, um in demselben Kirtschmar sein Mittagsmahl zu halten. Er spricht die türkischen Gefangenen mitleidsvoll auf ungarisch an und – o Freude – sie verstehen ihn, aber er versteht auch sie und erfährt, daß sie frieren und Hunger haben. Ohne Bedenken nimmt er sie alle fünf mit in das Wirtshaus, aber erst als sie hier sind, fällt ihm ein, daß auch seine Tasche nur einen einzigen Franken enthält, mit welchem er sein frugales Mittagsessen bezahlen wollte. Dieser Gedanke stört ihn indessen nicht einen Augenblick in seinen großherzigen Entschlüssen. Er zieht seine Uhr aus der Tasche und fragt den Wirth, wieviel er ihm darauf leihen wolle. Er erhält zehn Franken und mit diesem Gelde tritt er zu seinen Schützlingen und fragt sie, ob er ihnen dasselbe geben solle, damit sie sich etwas nach eigenem Wunsche und Willen kaufen können, oder ob sie für das Geld mit ihm speisen wollen. Sie ziehen das letztere vor und nun beginnt das Banket der Armen und Unglücklichen.

Die Bevölkerung der Hauptstadt verhält sich gegen die Gefangenen im Allgemeinen sehr rücksichtsvoll und selbst teilnehmend. Ausnahmen kommen indessen auch vor und führen mitunter zu Conflicten, die keineswegs immer zum Nachtheile der Gefangenen enden. So begegnet ein Karutzasch (Karrenführer) einigen Türken und fühlt das Bedürfnis, denselben klar zu machen, welch eine großherzige und edelmüthige Nation die Rumänen sind. Er wendet sich in rumänischer Sprache an einen jungen Türken mit edlen, gebräunten Zügen und setzt ihm auseinander, daß, obgleich die Moslem Barbaren und gefangen sind, sie dennoch von der großherzigen rumänischen Nation gut behandelt und weder geköpft noch gespießt würden, was jedenfalls Anerkennung verdiene. Hätte der Sohn Mohammed’s, wie so viele seiner Glaubensgenossen aus Bulgarien, das Rumänische verstanden, so würde die Beredsamkeit des Bukarester Karutzasch gewiß nicht verfehlt haben, auf ihn Eindruck zu machen, aber unglücklicher Weise steckte in der Rizamuniform ein Araber, welcher nicht einmal türkisch, viel weniger rumänisch verstand. Er begnügte sich deshalb, den Lobredner der rumänischen Civilisation mit Erstaunen und Verwunderung zu betrachten, ohne zu antworten. Letzterer aber hatte sich einmal vorgenommen, von dem jungen Türken eine Anerkennung seiner Ueberlegenheit zu erzwingen, und da dies mit Worten durchaus nicht gelingen wollte, so ging er zu Thaten über, indem er dem hübschen, langen Mohammedaner einen leisen Nasenstüber versetzte, aber wer beschreibt den Schrecken des Karutzasch, als der gleichgültig blickende Sohn der Wüste sich plötzlich wie mit einem Zauberschlage verwandelt. Das Auge sprüht Blitze, jeder Nerv spannt sich, ein einziger Griff nach der Brust des armen Karrenführers, der bald hoch in der Luft zappelt und seine Sinne erst in einem tiefen, zehn Schritte entfernten Schneehaufen wieder findet. Hochaufgerichtet steht der junge Araber mit aufgehobenem, wenn auch waffenlosen Arme, sein Mund ist stumm; aber sein flammendes Auge fordert ein ganzes Volk, eine ganze Welt in die Schranken. Er ganz allein und ohne Waffen gegen das Universum. – Es spricht gewiß für die rumänische Bevölkerung, daß nicht der geringste Versuch gemacht wurde, dem jungen Wüstenlöwen die Macht der Ueberzahl begreiflich zu machen, und daß der Karutzasch, welcher sich seine Kniee rieb, sonst aber keinen Schaden gelitten hatte, weidlich ausgelacht wurde. Nur eine erschreckte junge Frau that die Aeußerung: Es sei doch unrecht von der Polizei, solche wilden Thiere ohne Käfig und ohne Kette frei herumlaufen zu lassen.

Noch ein zweites Beispiel von dem nicht zu beugenden Selbstbewußtsein der Osmanen und von der furchtbaren Kraft ihrer Muskeln wurde an demselben Tage aus dem Constantin Boda-Platze von einem alten Türken mit bereits ergrautem Barte gegeben. Hier war der Gegner ein russischer Soldat, der dem Moslem begreiflich zu machen suchte, daß nach seiner – des Russen – Meinung die Türken doch nur schwach, und daß Osman Pascha kein guter General sei. Der Alte packte den Russen an der Kapuze seines Mantes, drehte ihn fünf- bis sechsmal um sich selbst in der Luft herum und bemerkte dazu auf rumänisch: „Osman großer Pascha, Türken nicht schwach,“ was der Russe jetzt unter lautem Gelächter der Umstehenden zugab.





Theerpillen als Heilmittel. Den mehrfachen Anfragen über den Nutzen oder Schaden der Theerpillen Folgendes zur Erwiderung. – Wir fordern von Demjenigen, welcher der Reclame zum Opfer gefallen ist, nichts weiter, als daß er eine der Pillen vor dem Hinunterschlucken im Munde zerbeißt. Wenn er dann noch seinen Magen und Geldbeutel dem Schwindel preisgiebt, so verdient er nichts Besseres. Die Pillen enthalten reinen flüssigen Theer; besäße der Magen Geschmacksnerven, was leider nicht der Fall, so würde es schon des abscheulichen Geschmackes wegen Niemandem einfallen, sich auf diese Weise ohne Nutzen zu maltraitiren. Nimmt man die Pillen wegen eines kurzen acuten Katarrhs, der unter geeigneter Vorsicht von selbst vergeht (die Pillen haben selbstverständlich geholfen) nur wenige Male, so rufen sie meist keinen Schaden hervor. Ihr Fortgebrauch längere Zeit hindurch muß dagegen schließlich von den ernstesten Folgen begleitet sein. Der erste Reiz trifft den Magen. Ist dessen zarte Schleimhaut durch reichlichen Alkoholgenuß abgehärtet, so dürfte ihn allerdings dieses moderne Theerauspichen wenig berühren, eine gesunde Magenschleimhaut jedoch wird schließlich so gereizt, daß katarrhalische Entzündungen des Verdauungsapparates entstehen. Ferner erkranken die Nieren und die sich anschließenden Organe häufig nach innerem Theergenuß, selbst Hautausschläge und Erregung des Nervensystems kommen nicht zu selten darnach zur Beobachtung. Aeußerlich gegen Flechten in den verschiedensten Formen angewendet, entfaltet der Theer seine bekannte segensreiche Wirkung, doch können hierbei schon, wenn unvorsichtig zu große Mengen eingerieben werden, durch Aufsaugung nach innen, gefährliche Darm- und Nierenkatarrhe, sowie Nervenzufälle zum Vorschein kommen, ein Beweis für die Richtigkeit unserer obigen Behauptung. Schon lange hat die Medicin dieses Medicament für den innerlichen Gebrauch (weil hinreichende Ersatzmittel vorhanden) aus ihrem Arzneischatze gestrichen, hoffentlich wird nun auch der Laie binnen kurzem diesem guten Beispiele folgen.

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Die schöne Venetianerin. (Mit Abbildung S. 53) Unserm trefflichen Historiennmaler Ferdinand Wagner in München verdanken wir dieses Idealbild weiblicher Schönheit aus der Blütezeit des venetianischen Macht- und Prachtlebens, ein Seitenstück zu desselben Meisters „Grethchen“, welches die deutsche Schönheit im gleichen Zeitalter darstellt. Das Bild, das der Künstler uns „La Mandolinata“ bezeichnete, erklärt sich selbst, weshalb wir lieber ein wenig vom Meister reden wollen. Nach dem Seubert’schen Künstlerlexicon ist Ferdinand Wagner zu Schwabmünchen 1820 geboren. Anfangs zum Kürschnerhandwerk bestimmt, zeigte er bald seine Kunstbegabung, sodaß man den fünfzehnjährigen Jüngling nach München schickte, wo er an der Akademie Cornelius’ und Schnorr’s Schüler war. Sein erstes großes Werk war ein „Jüngstes Gericht“ am Plafond der Kirche seines Heimathsortes; ihm folgte ein Frescogemälde in der Kirche zu Königsbrunn auf dem Lechfelde, daß dem Fürsten Fugger die Veranlassung gab, demselben die Ausschmückung des Augsburger allbekannten Fuggerhauses mit fünf großen Fresken zu übertragen. Ebenso berühmt wurden seine großen, auch von der „Gartenlaube“ (Jahrgang 1866) wiedergegebenen historischen Fresken an der Stadtkanzlei in Constanz, welchen ähnliche Wandmalereien in Breslau, Monaco, Meiningen etc. folgten. Der ebenso geistvolle wie bescheidene Künstler erfreut sich des Ehrenbürgerrechts von Augsburg.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_058.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)
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