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Seite:Die Gartenlaube (1878) 146.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


Drucke ihm wieder entziehen wollte, und in seiner Stimme lag ein leiser Vorwurf, als er sagte: „So leicht wird Dir die Trennung, Gabriele? Hast Du kein anderes Lebewohl für mich, als Scherze und Neckereien?“

Die junge Dame blickte ein wenig erstaunt auf. „Trennung? Aber wir sehen uns ja in vier Wochen wieder.“

„In vier Wochen! Scheint Dir das eine so kurze Zeit?“

Gabriele lachte. „Es sind gerade viermal sieben Tage. Du wirst sie wohl ertragen müssen. Dann aber kommen wir gleichfalls nach R. Du verkehrst doch öfter mit meinem Vormunde?“

„Mit dem Freiherrn von Raven? Allerdings. Ich gehöre, wie Du weißt, zu seiner Kanzlei und habe ihm bisweilen Vortrag zu halten.“

„Ich kenne ihn kaum,“ sagte Gabriele gleichgültig. „Ich sah ihn immer nur sehr flüchtig, wenn er auf kurze Zeit nach der Residenz kam, das letzte Mal vor drei Jahren. Damals geruhten Excellenz noch gar keine Notiz von mir zu nehmen, und mich noch ganz und gar als Kind zu behandeln, obgleich ich schon volle vierzehn Jahr alt war. Ich war durchaus nicht entzückt von der Aussicht, künftig in seinem Hause zu leben, bis ich,“ sie lächelte schelmisch, „einen gewissen Georg Winterfeld kennen lernte und von ihm erfuhr, daß er das Glück habe, einer der Beamten meines Herrn Vormundes zu sein.“

Ueber Georg’s Züge glitt ein Ausdruck, als sei er über dieses „Glück“ anderer Meinung. „Du täuschest Dich, wenn Du daran irgend eine Hoffnung knüpfst,“ entgegnete er ernst. „Ich verkehre nur amtlich mit meinem Chef, und er versteht es, seinen Untergebenen die Grenzen des Verkehrs möglichst eng zu ziehen; im Uebrigen stehe ich ihm vollständig fern. Ein junger, bürgerlicher Beamter in vorläufig noch untergeordneter Stellung hat keinen Zutritt zu den Kreisen des Gouverneurs und darf es schwerlich wagen, eine nähere Bekanntschaft mit der Baroneß Harder geltend zu machen. Wir werden uns fern genug sein, auch wenn ich täglich das Haus betrete, in dem Du weilst. Hier, in der Freiheit des Reiselebens, durften wir uns kennen und lieben lernen –“

„Das verdankst Du doch im Grunde nur unserem Boote, das zu rechter Zeit auf die Sandbank fuhr,“ unterbrach ihn Gabriele. „Denkst Du noch an unsere erste Begegnung, Georg? Mama bildet sich noch heutigen Tages ein, damals in Lebensgefahr geschwebt zu haben, und hält Dich für ihren Retter, weil Du uns glücklich durch das seichte Wasser an’s Land brachtest. Sonst hätte sie Dir mit Deinem einfach bürgerlichen Namen auch schwerlich die öfteren Besuche gestattet, aber der Lebensretter war natürlich eine Ausnahme. Wenn sie wüßte, daß er mir bereits eine Liebeserklärung gemacht hat!“

Der offenbare Triumph, der in den letzten Worten lag, schien den jungen Mann zu verletzen; seine Augen hefteten sich forschend und unruhig auf ihr Antlitz.

„Und wenn die Baronin es nun früher oder später erführe, was würdest Du thun?“

„Dich ihr in aller Form als meinen künftigen Herrn und Gemahl präsentiren,“ erklärte Gabriele mit komischer Feierlichkeit. „Das würde natürlich eine Explosion geben – Thränen, Vorwürfe, Nervenzufälle – darin ist Mama besonders stark, aber es thut nichts; sie giebt schließlich doch nach, und ich setze immer meinen Willen durch.“

Sie warf das alles lachend und muthwillig hin. Es war augenscheinlich, daß der Gedanke an eine Katastrophe, die jedes andere Mädchen erschreckt haben würde, die junge Baroneß Harder höchlich amüsirte. Sie hatte sich auf den Rasensitz niedergelassen und ihren Strohhut abgenommen. Die Sonnenstrahlen, die hier und da durch das dichte Blätterdach der Kastanien drangen, spielten auf dem reichen blonden Haar und dem rosigen Antlitze, aus dem ein Paar große braune Augen lachend und glückselig in die Welt schauten. Das Gesicht mit seinen zarten, lieblichen Formen war ohne Frage von einem bestrickenden Reiz, aber es fehlte ihm jenes Seelenvolle, das dem Menschenantlitz erst seinen höchsten Zauber leiht. Man würde sich vergebens bemüht haben, hinter all diesem neckischen Uebermuth und dieser strahlenden Heiterkeit irgend einen Zug zu entdecken, der auf ernstere, tiefere Empfindungen schließen ließ. Aber das minderte nicht den Reiz dieser jugendlichen Erscheinung, an der Alles frisches, blühendes Leben und rosige Jugend athmete. Sie erschien wie ein Abglanz der Landschaft da draußen, ebenso sonnig und licht.

Georg blickte mit einem eigenthümlichen Gemisch von Unwillen und Zärtlichkeit auf sie nieder. „Gabriele, Du behandelst das alles nur wie ein Spiel und hast keine Ahnung von den Kämpfen, die uns bevorstehen,“ sagte er.

„Fürchtest Du diese Kämpfe?“

„Ich?“ Die Stirn des jungen Mannes begann sich zu röthen. „Ich bin bereit es mit Allen aufzunehmen, wenn Du mir nur fest zur Seite stehst. Aber Du bist im Irrthum, wenn Du auf die gewohnte Nachgiebigkeit Deiner Mutter rechnest, hier, wo alle ihre Vorurtheile, alle Traditionen ihrer Familie in’s Spiel kommen. Und wenn es Dir selbst gelänge, sie zu gewinnen – Deinen Vormund wird nichts umstimmen. Ich kenne ihn; er wird nie seine Einwilligung geben.“

Gabriele lehnte das blonde Köpfchen an den Stamm des Baumes und zerpflückte spielend einige Grashalme. „Ich frage gar nichts nach seiner Einwilligung,“ erklärte sie. „Ich lasse mir von ihm nichts befehlen oder verbieten. Er soll es einmal versuchen, mich zu zwingen!“

(Fortsetzung folgt.)


Gedichte von Alfred Friedmann.


Der Sonnenstrahl.

Der Sonnenstrahl findet den Weg zum Palast;
Er hält auch vor der Hütte nicht Rast;
Gern streift er den Mädchenkopf, blumenumrankt,
Der wie eine Blume am Fenster schwankt.

Er küßt wohl den Kelch vom heiligen Gral,
Doch schleicht er zur Armuth, streicht durch’s Spital.
Er fällt in die Pfütze, und – kläret sie fast.

Er wandelt zum Grab wie zur Kirche und Rose.

Doch was er beleuchtet und was er bestrahlt,
Und wenn er die Schande selbst golden bemalt –
Ein Sonnenstrahl bleibt er, ein himmlischer Gast.

Und so ist der Dichter, wohin er auch geht.
Ein Sonnenstrahl bleibt der echte Poet.
Im Schildern verklärt er, was er erfaßt;
Er ist ein veredelnder, himmlischer Gast.



Kaum Einem!

Ein Pflug zerreißt das braune Land,
Und Furchen folgen seinem Pfad;
Ein Säemann geht zur Zeit der Saat
Und streut das Korn mit voller Hand. –

Dann sproßt der gold’ne Weizen auf;
Gleichförmig steht der Halm zu Hauf,
Wie öder Tage Zahl gereiht.

Doch mitten d’rin blüht eine seltene Blume.

Das macht: Ein fremdes Samenkorn
War in der Saat. Und Blatt und Dorn
Und selt’ner Blüthenkelch gedeiht.

Die Zeit zerfurcht des Lebens Land –
Wir folgen, wählend eig’nen Pfad;
Kaum Einem mengt in seine Saat
Ein Liebeskorn die Gotteshand.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_146.jpg&oldid=- (Version vom 1.7.2016)
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