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Seite:Die Gartenlaube (1878) 153.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878)


zu bringen. Ohne Krieg, das sah er deutlich und sprach er ebenso deutlich in Wort und Schrift aus, waren nur drei Hüte denkbar, war mit anderen Ausdrücken nur etwas Derartiges wie eine Trias zu erreichen, und der Vorwurf, Bucher habe durch seine Annahme einer Stellung unter Bismarck seine Ueberzeugung verleugnet, ist völlig grundlos. Er steht Leuten sehr übel zu Gesicht, die keinen Groschen bewilligen wollten, auch wenn die Kroaten vor Berlin stünden, und die sich für die augustenburgische Farce noch in ihrem vorletzten Acte begeistern konnten. Es ist überaus ergötzlich, die Liste der Herren durchzusehen, die im preußischen Abgeordnetenhause für den famosen Passus der Immediatadresse gestimmt haben, daß die preußische Politik unter diesem Ministerium nur die Folge haben könne, die Herzogthümer wieder den Dänen zu überliefern. Während des Redekampfes gegen Bismarck war Bucher schon in fruchtbarer Thätigkeit. Damals wurde er von vielen Leuten bedauert, daß er so falsch habe handeln können; jetzt wird er von vielen gehaßt, weil sie sich sagen müssen, daß er richtig gehandelt.

Bei dem Anschluß Bucher’s an die Politik Bismarck’s ging es folgendermaßen zu. Eine Zeit lang nach seiner Rückkehr nach Berlin war er noch für die Nationalzeitung thätig. Dann löste sich das Verhältniß, wie er auch mit der Partei des Blattes immer weniger übereinstimmte, und er arbeitete einige Monate im Wolff’schen Telegraphenbureau. Der sehr geringe Gehalt, den er hier bezog, und ohne Zweifel auch Ueberdruß an solcher Beschäftigung ließen ihn daran denken, sich wieder der Jurisprudenz zuzuwenden und Advocat zu werden. Er besprach diesen Plan mit einem Bekannten Bismarck’s, der ihm abrieth. Bald darauf that der Minister, der ihn hatte zu sich kommen lassen, desgleichen, indem er ihm sagte, daß er ihm anderweit Gelegenheit geben könnte, nützlich zu sein. So trat 1864 Bucher, erst diätarisch, dann als Legationsrath fest, in das Auswärtige Amt ein. Im Jahre darauf schon bekam er eine bedeutende Aufgabe zu lösen, die Verwaltung Lauenburgs, das nach der Convention von Gastein an Preußen gefallen war und welches Bucher unter seinem Chef bis 1867 zu säubern und zu ordnen hatte. Das kleine Herzogthum war eine juristische Curiosität; es repräsentirte den Rechtszustand des siebenzehnten Jahrhunderts in Versteinerung; es gehörte in’s Germanische Museum. Das Ländchen besaß gar keine codificirte Gesetzgebung, und es galt in ihm nur gemeines Recht. Erst hatte es in den letzten Jahren vor 1865 unter der Verwaltung des deutschen Bundes, dann unter der von preußisch-österreichischen Commissarien gestanden. Die Tagesordnung war die Benutzung der zahlreichen fetten Beamtenstellen durch einige „schöne Familien“ (beiläufig ganz wie in Schleswig-Holstein und Hannover in der „guten alten Zeit“ unserer Particularisten), welche auch die ungeheuren Domänen unter sich zu verpachten pflegten. Bucher hatte das Alles aus dem Groben herauszuarbeiten, glücklicherweise unter der Leitung des Ministers, der indeß gerade in dieser Periode längere Zeit schwerkrank in Putbus verweilte, sodaß sein Rath in die Verlegenheit kam, regieren zu sollen und doch keine Vollmacht zu haben.

Ueber die weitere Thätigkeit Bucher’s muß ich kurz sein. Meist in der unmittelbaren Umgebung des Kanzlers, wurde er von denselben wiederholt zur Vorbereitung und Bearbeitung der wichtigsten Angelegenheiten verwendet. 1869 und 1870 (im Frühling) war er mit ihm in Barzin, wo er den Verkehr der Bundesbehörden und der preußischen mit ihrem Chef vermittelte. 1870 in den letzten Tagen des September wurde er in das Große Hauptquartier berufen, wo er mit dem Kanzler bis zum Ende des Krieges verblieb. 1871 war er mit bei den Friedensverhandlungen in Frankfurt. Auch in den nächsten Jahren folgte er dem Fürsten, wenn er sich nach Barzin zurückzog, als unentbehrlich bald nach. Die Hofluft scheint er zu scheuen.

Ich bin fertig mit meinem Bilde, und wenn ich’s überblicke, kommt mir’s vor, als hätte ich trotz hoher Achtung vor dem Originale nicht gerade mit Rosenfarben gemalt, sondern mit den ehrlichen Farben der Wahrheit. Und wenn ich ihm jetzt ein großes Lob zur Unterschrift gebe, so kommt es aus anderen Munde. „Eine wahre Perle!“ sagte der Reichskanzler von Bucher, als ich mich 1873 von ihm verabschiedete.






Streifzüge eines deutschen Komödianten.[1]
Von Alois Wohlmuth.

Es war im Frühjahr 1876, als Hans Makart in Wien zu Ehren eines ihm befreundeten jungen Schauspielers eine große Abendgesellschaft gab. Der neue Gast hies Alois Wohlmuth und war an dem jüngsten aller deutschen Hoftheater, in Straßburg, engagirt. Er declamirte bei Makart eine Reihe von Gedichten und packte durch die dramatische Anschaulichkeit seines Vortrags so unmittelbar, daß selbst Diejenigen, die sich durch die grellen Farben der Schilderung etwas zu stark angepackt wähnten, in das allgemeine Lob einstimmten.

Einige Tage später hielt Wohlmuth öffentlich einen ähnlichen Vortragsabend und erzielte hier auf das größere und aufmerksamere Publicum einen noch weit tieferen Eindruck.

Die Neugierde, einen Declamator von so auffallender dramatischer Begabung auch auf der Bühne zu sehen, wurde natürlich rege. Leider ermöglichten die damaligen Repertoireverhältnisse der Wiener Bühnen nur die rasche Aufführung von zwei Stücken, in denen Wohlmuth sich zeigen konnte. Anzengruber’s „Pfarrer von Kirchfeld“ und das einactige Schauspiel „Im Vorzimmer Seiner Exceellenz“. Wohlmuth gab die rührende Gestalt des alten Bittstellers ebenso wahr und ergreifend wie Tags vorher den wüsten, mit Gott und Menschen zerfallenen „Wurzelsepp“.

Nach dem Theater fand sich ein kleiner Freundeskreis zusammen, in den auch Wohlmuth eintrat. Das Gespräch über die Leistung des Gastes nahm bald eine biographische Wendung. Wohlmuth erzählte uns, wie er zum Theater gekommen. Schon als Knabe von unbändiger Theaterleidenschaft getrieben, war er heimlich gegen den Willen der Eltern Schauspieler geworden und hatte sich lange als fahrender Komödiant bei kleinen Wandertruppen durchschlagen müssen. Aus diesem abenteuernden Leben schilderte er uns nun verschiedene köstliche Erlebnisse. Schauspieler pflegen meistens gute Erzähler zu sein; in dieser Eigenschaft, wie in dem ganzen Stoffgebiet seiner Schilderungen erinnerte uns Wohlmuth unwillkürlich an unsern Holtei, den Homer der „Vagabunden“. Neugierig lauschten wir den so anspruchslos und treuherzig vorgebrachten Erzählungen Wohlmuth’s. Mit besonderen Antheil nahm ich wahr, daß dieser inmitten des kläglichsten Komödiantentreibens sich zwei kostbare Güter bewahrt hatte: den Idealismus und den Humor. Das prosaische Kunsthandwerkerthum, das ihn umgab und von Ort zu Ort vertrieb, ließ ihn nie die hohen Ideale seines Strebens vergessen, nie an dem Beruf, an der Würde des Schauspielers verzweifeln. Er sieht auch in der Pfütze noch den leuchtenden Widerschein des Sternes. Ebenso treu folgt ihm auf allen Schritten der Humor und läßt ihn in all dem miterlebten Komödiantenelend überall die heitere Seite, das anheimelnd Gemüthliche und unsterblich Komische wahrnehmen. Im allerschlimmsten Drangsal, das Andere zu verzweifelnder Resignation herabdrücken würde, bewahrt sich Wohlmuth ein frisches, helles Auge und ein warmes Herz. –

Auf das Lebhafteste angeregt von Wohlmuth’s Erlebnissen, drangen die Freunde in ihn, das Erzählte niederzuschreiben und zu veröffentlichen. Der Erzähler wehrte sich gegen diesen Vorschlag mit ungekünstelter Bescheidenheit – er sei kein Schriftsteller und habe nur ohne jegliche Ausschmückung erzählt, was

  1. Unter diesem Titel erscheint demnächst bei Joh. Amb. Barth in Leipzig eine Reihe von Skizzen aus dem Leben des Verfassers, und hat uns die Verlagshandlung den Abdruck des zehnten Capitels sowie des Vorwortes von E. Hanslick aus den Aushängebogen gütigst gestattet. Ueber die schauspielerischen Leistungen des jungen Künstlers, der bisher in seiner Vaterstadt Brünn, in Schwerin, in Meiningen, in Danzig und Straßburg engagirt war, urtheilt die Presse, unter Andern L. Speidel in der „Neuen Freien Presse“ überaus günstig. Für Wohlmuth’s schriftstellerische Laufbahn dürfte sein hier von uns citirtes Erstlingswerk, zu dem Ed. Grützner neun Illustrationen geliefert hat, die besten Hoffnungen erwecken.
    D. Red.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1878). Leipzig: Ernst Keil, 1878, Seite 153. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1878)_153.jpg&oldid=- (Version vom 9.3.2019)
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