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Seite:Die Gartenlaube (1879) 477.jpg

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879)


so stolz in die Höhe, wie ich es von ihr noch nie gesehen hatte. ‚Sagen Sie dem Herrn, hier wohne kein Fräulein; wenn er aber die Frau seines Sohnes, die Baronin von –, zu sprechen wünsche, sei ich bereit, ihn zu empfangen.’ Der alte Baron drehte eine Weile schweigend die Spitzen seines silberweißen Kürassierschnurrbartes, wiederholte dann seine Anfrage in gebührlicherer Form, und ich erhielt die Erlaubniß, ihn einzulassen. Er blieb diesmal sehr lange und war, glaube ich, ruhiger und höflicher als das erste Mal. Als er ging, meinte ich sogar, seine Augen roth zu sehen, aber ich werde mich wohl getäuscht haben. Wie der Baron sich zu diesem zweiten Besuche seines Vaters gestellt hat, der doch auch keinen andern Zweck haben konnte, als ihn frei zu machen, und ob er auch diesmal seine Frau mit Thränen beschworen hat, nur treu zu ihm zu halten und nicht den Glauben an ihn zu verlieren, weiß ich nicht. Aber das steht fest: er blieb immer häufiger aus, und ich war nicht wenig erstaunt, als ich damals von guter Hand hörte, wie mein Baron, den ich mir meistens auf Reisen gedacht hatte, sich wieder mitten auf allen Bällen und Gesellschaften herumtreibe und recht eigentlich der Gefeierte wäre.


Die heilige Rosalie von Tedeschi.
Für die „Gartenlaube“ nach der Natur aufgenommen.


Man erzählte sich in diesen Gesellschaften die merkwürdigsten Dinge von ihm, bald von einer unglücklichen Liebe, bald von einer heimlichen Ehe, und das Alles, ob man’s nun glaubte oder nicht, hatte den Damen so sehr den Kopf verrückt, daß sie sich völlig um ihn rissen. Offen gestanden, verstehe ich so etwas nicht – aber wahrscheinlich ist das für eine einfache Frau, wie ich bin, zu hoch, und die vornehmen Damen werden schon gewußt haben, was sie zu thun hatten.

Mein Fräulein hier verkümmerte und verblühte inzwischen immer mehr; sie berührte nicht einmal ihr Clavier mehr, an dem sie früher doch noch dann und wann eins ihrer schönen Lieder gesungen hatte. Da erhielt sie plötzlich einen anonymen Brief – es giebt so immer Schufte genug in der Welt, denen es eine Freude ist, Einem aus dem sichern Hinterhalt eine Schmach anzuthun. Der unbekannte Schreiber theilte ihr in der hämischsten Weise mit, daß sich ihr Baron wieder zu verloben gedenke, und bat sie, nun endlich doch die Komödie aufzugeben und die Summe zu nennen, für welche sie in die Scheidung willigen werde. Sie saß den ganzen Tag todtenblaß da, wortlos, den nichtswürdigen Brief in der Hand. Der Baron ließ sich nicht sehen.

Am nächsten Morgen ging sie, die Dame zu besuchen, die ihr als die künftige Verlobte bezeichnet worden war, die Tochter aus einem der vornehmsten Häuser hier. Man wollte sie erst nicht vorlassen, aber sie erzwang sich den Eintritt, den verhängnißvollen Brief in der Hand. Es soll ein garstiger Auftritt gewesen sein – mein Fräulein, in der unbeschreiblichsten Aufregung, soll der Andern auf das Unbarmherzigste mitgespielt haben; sie wollte sich rächen und die Verhaßte wenigstens an diesem letzten Tage noch sich zu Füßen sehen. Sie war wie rasend, daß die Andere, um nur loszukommen, endlich in eine Ohnmacht fiel, womit denn Alles zu Ende war.

Das Fräulein kam ganz ruhig nach Hause, wie wenn nichts vorgefallen wäre, aber sie schritt dann doch hastig hier im Zimmer auf und ab, während ich mir zu schaffen machte, als ob ich noch nicht ganz aufgeräumt hätte, und wie sie dann plötzlich einmal vor mir stehen blieb und mich – offenbar aus innerer Erregung – bei der Hand faßte, fühlte ich, daß ihre Hände eiskalt waren. Sie erwartete offenbar den Besuch des Barons. Bei der leisesten Bewegung im Hause schrak sie zusammen, und als es einmal an der Hausthür klingelte, griff sie wie voll Todesangst nach dem Herzen. Da stürzte denn auch der Baron in’s Haus, und ich glaubte, er würde sie ermorden. Aber er wurde bald wieder ruhig, rief mich und sagte mir, er werde noch heute verreisen, ich möge die Wohnung wie immer besorgen, die Dame – er sagte das mit besonderer Betonung, indem er auf die Thür des Zimmers wies, hinter der seine unglückliche Frau sich in Krämpfen wand – könne hier so lange bleiben, wie sie wolle, und dann ging er ohne ein Wort des Abschieds, ohne einen Gruß. Die Aermste saß, wie er gegangen war, still und mit trockenen Augen da, aber sie zitterte und bebte am ganzen Körper.

Spät Abends schrieb sie einen Brief an den Baron, den ich noch in der Nacht besorgen mußte. ‚Jetzt ist Alles aus, liebste

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1879). Leipzig: Ernst Keil, 1879, Seite 477. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1879)_477.jpg&oldid=- (Version vom 21.5.2018)
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