Verschiedene: Die Gartenlaube (1880) | |
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No. 2. | 1880. | |
Illustrirtes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.
Wöchentlich 1½ bis 2 Bogen. Vierteljährlich 1 Mark 60 Pfennig. – In Heften à 50 Pfennig.
Nachdruck verboten.
Uebersetzung vorbehalten. |
Erzählung aus dem oberbaierischen Gebirg.
Von Herman v. Schmid.
(Fortsetzung.)
Der Alte wollte sich ausschütten vor Lachen über die vermeintliche Verlegenheit des Paares; es fiel ihm nicht ein, daß das Benehmen des Burschen auch einen andern Grund haben könne.
„Sie geniren sich wirklich alle Zwei!“ rief er mehrmals hinter einander. „Ja, kennst' mich denn nicht, Lenz?“
„Ich mein' schon, so halb und halb. Seid Ihr nicht der Vetter, der Kramer von Tölz?“
„Kramer? Was, Kramer?“ entgegnete der Andere. „Ich bin Handelsmann, Firma: Rab und Geier, und kein Kramer! Freilich bin ich Dein Vetter! Meine Mutter und Dein Vater sind ja leibliche Geschwistertkindskinder gewesen.“
„So, so,“ sagte Lenz, dem die Verwandtschaft eben nicht besonders zu gefallen schien. „Wird nachher schon so sein, wie der Herr Vetter sagt. Müßt's nicht übel aufnehmen, daß ich Euch nimmer gekennt hab'; es ist schon ein biss'l lang her –“
„Freilich, freilich!“ lachte der Krämer. „Wir sind ein wenig über's Kreuz gewesen, ich und Dein Vater, aber das ist ja schon über zehn Jahre her; seitdem sind wir nicht mehr zusammen 'kommen. Das waren ja nur Kindereien, die man vergessen muß. Deinem Vater ist es gewiß auch recht. ... Was macht er denn, der alte Schwed'? Ist er alleweil wohlauf? Mir ist, als hätt' ich davon läuten gehört, es hätt' ihn ein Schlag'l getroffen.“
„Meinen Vater?“ sagte Lenz, indem er ihn bedeutsam ansah. „Warum nit gar! Der Vater ist hechtengesund; er hat sich selbiges Mal nur ein bischen überarbeitet gehabt.“
„Das ist recht; das freut mich!“ rief der Andere wieder. „Er wird auch eine Freud' haben, wenn er mich wieder sieht. ... Aber jetzt führ' uns in's Haus hinein, Lenzl, und zeig' uns unser Zimmer! Weil wir doch einmal da sind, bringt Ihr uns unter acht Tagen nicht an. Es ist gar zu schön auf dem Kogelhofe, eine so gesunde und gute Luft, und meine Philomena ist immer gern dagewesen. Nicht wahr, Philomena,“ fuhr er fort, „Dir gefällt's ganz gut? Möchtest nicht alleweil dableiben? – Na, was nicht ist, kann immer noch werden. Aus Kindern werden Leute, und unverhofft kommt oft. Noch hat der Letzte nicht geschoben.“
Er brach wieder in Lachen und Prusten aus und verschwand hinter Lenz, der die Gäste in's Haus führte und ihnen mit der Hand winkte, die Treppe in's obere Stockwerk hinanzusteigen.
Die übrigen Anwesenden hatten sich inzwischen fast vollzählig auf der Tenne versammelt, unter verschiedenen Gesprächen über die Ankunft des Königs und dessen zu erwartende Einkehr. Auch der hagere Baron hatte sich dort eingefunden; er hatte jetzt seinen Ueberzieher über den Arm gehängt und erschien in vollständig schwarzem Anzug, wie es zu einer Audienz schicklich ist. Die neue, blendend weiße Binde und ebensolche Handschuhe stimmten aber übel zu dem Frack und den Beinkleidern, die schon verfärbt und fadenscheinig aussahen. Es war so recht das Bild dessen, was die Bauern, einander mit den Augen zuwinkend und sich mit den Ellbogen stoßend, „eine arme Hoffahrt“ nannten. Angelegentlich erkundigte er sich nach dem Zeitpunkt der Ankunft der Majestät, allein der Gemeindevorstand, an den er sich gewandt hatte, wußte keinen anderen Bescheid zu geben, als er ihn selbst von den Hausbewohnern erhalten hatte. Der König hatte von der andern Seite her den Kogel bestiegen und auf einer Sennhütte übernachtet, um am frühesten Morgen Gemsjagd abzuhalten. „Bis gegen zehn Uhr,“ sagte der Vorstand, „hat er über den Kogel herunterkommen und da frühstücken wollen, aber es geht schon stark auf Mittag, und er ist noch nicht da; es wird ihm doch nichts zugestoßen sein!“
Der einmal ausgestreute Same der Besorgniß faßte sofort Wurzel und schoß rasch in's Kraut; denn der König war allgemein beliebt, und ein ihn betreffender Unfall wäre von Jedem wie ein eigener schmerzlich empfunden worden. Die Unruhe stieg durch die allmähliche Ankunft einiger Herren und Diener, die sich im Gefolge des Königs befunden, dann aber seine Spur verloren hatten und in der Ueberzeugung, ihn dort bereits anzutreffen, nach dem Kogelhofe vorausgeeilt waren.
Man war schnell entschlossen, die Zeit nicht müßig abzuwarten und schickte sich an, nach allen Richtungen, in welchen der König kommen konnte, Leute auszuschicken; bald hatte sich eine Anzahl Hofbediensteter und anderer rüstiger Männer aufgemacht und schritt gegen den Wald hinan.
In der Tenne blieb immer noch eine ansehnliche Versammlung zurück, zu der nach einander auch der Pechler Kaspar, sowie der Sohn des Hauses mit seinen Gästen sich wieder einfanden. Abermals wurde die Ausschmückung der Tenne und der Tafel bewundert, und bald war auch der Blumenbusch der Gegenstand allgemeiner Aufmerksamkeit geworden.
„Ein schöner Busch'n! Das muß ich sagen; der Schloßgärtner könnt' ihn nicht schöner machen. Wer hat ihn gebunden?“ fragte die Frau des Gemeindevorstehers.
„Die Nannei, unsere Dirn',“ sagte Lenz kurz.
„Hab' mir's gedacht,“ fuhr die Bäuerin fort. „Sie soll
Verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Leipzig: Ernst Keil, 1880, Seite 21. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_021.jpg&oldid=- (Version vom 4.6.2023)