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Seite:Die Gartenlaube (1880) 035.jpg

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verschiedene: Die Gartenlaube (1880)


Andere, an das Bestehen von Geistern glaubte und sich selbst und Anderen einredete, daß er mit ihnen im Verkehr stände, anonym seine „Monatlichen Unterredungen von dem Reiche der Geister nach den Grundsätzen der heiligen Schrift zwischen Ambremio und Pneumatophilo“ herausgegeben.

Diesen geistergläubigen Grafen von Stein wählte der König zum Vorsitzer der Akademie der Wissenschaften, wiewohl vorläufig mit dem Titel eines Vice-Präsidenten. Seine Bestallung vom 18. Januar 1732 ist ein wahres Meisterstück von Witz und Ironie, worin sowohl der Geisterglaube des Herrn von Stein, wie auch die von dem Könige für Thorheiten gehaltenen Bestrebungen der Akademie scharf gegeißelt werden. Es folgt hier dieses merkwürdige Actenstück in wortgetreuer Wiedergabe des Abdruckes, welchen von Loen im ersten Bande seiner gesammelten kleinen Schriften (S. 209 bis 213) gegeben:

     „Wir Friedrich Wilhelm etc.
Urkunden und bekennen hiermit gegen jedermänniglich, absonderlich vor der eruditen Welt, daß Wir den Wolgebohrnen, Edlen, Weisen und Hochgelahrten, Unsern guten besondern etc. Grafen von Stein, in Ansehung desselben weit und breit erschollenen Gelahrsamkeit … und Meriten, auch in Antiquitäten, alten und neuen Müntzen, in Physicis und Mechanicis, Botanicis, Hydraulicis, Pneumaticis und Staticis, wie nicht weniger in der Cabbala und Erkäntnis und Prüfung der guten und bösen Geister, deren Nutzen und Gebrauch und Misbrauch, im-gleichen in der wunderbaren Lehre von den Prae-Adamitis, und deren vormaligen Wirtschafft und Haushaltung, auch sonst in Historicis und Metaphysicis, Logicis, Rhetoricis, Cataploricis, vor allen andern aber in der Algebra, Arte combinatoria und der Punctirkunst und Boutonomantia, auch in der weissen und schwarzen Kunst erlangten gründlichen und fast erstaunenswürdigen Erfahrung zum Vicepräsidenten unserer Königlichen Societät der Wissenschaften ausersehen, ernannt, angenommen und bestellet haben; thun auch dieses hiemit und in Krafft dieses also und dergestalt, daß besagter Graf von Stein in der Ordnung der zweyte Socius von ermeldter gelahrten Gesellschafft seyn und bleiben, was zu deren Nutzen, Aufnehmen und heilsamen Beförderung ihres bereits erworbenen Ruhmes gereichen und ersprießlich seyn kan, beytragen und es daran in keinem Stück ermangeln lassen soll, wie es einem fleißigen getreuen und wohlintentionirten Vicepräsidenten und Socio anstehet, eignet und gebühret, auch der gesamten löblichen Societät zuversichtliches Vertrauen desfalls zu Ihm gerichtet ist. Er soll auch dahin sehen und fest darüber halten, daß die Societät mit Edirung gelehrter Schriften sich destinguire und ein jegliches Membrum wenigstens ein Specimen Eruditionis alle Jahr durch den Druck herausgeben müsse. Der Vicepräsident Graf von Stein aber bleibet von solcher Arbeit dispensiret; obgleich sein herrliches und an Fertilität und Fruchtbarkeit dem besten Klee- und Waitzen-Acker gleichkommendes Ingenium dergleichen Productiones in der Menge hervorzubringen mehr als zu tüchtig und geschickt wäre. Auf das Calenderwesen in unserm Königreich, Provinzen und Landen muß der Vicepräsident Graf von Stein eine sorgfältige und genaue Attention haben, damit keine Unterschleiffe dabei vorgehen, keine fremde Calender eingeführet und gebrauchet, auch die Gelder, so von denen Calendern einkommen, auch zu keinem andern Ende als wozu sie destiniret, angewendet, übrigens aber die Verfertiger der Calender, dem Publico und insonderheit denen Curiosis, welche gerne zukünftige Dinge vorher wissen wollen, zur Freude und Nutzen, alle Behutsamkeit gebrauchen, damit die Prognostica von der Witterung, Gesundheit und Krankheit, Fruchtbarkeit und Unfruchtbarkeit der Jahre, ingleichen die Krieges- und Friedensläufe accurat getroffen, bey dem Druck nicht mehr rothe Buchstaben als von nöthen, gebrauchet, der Sonnencircul nicht verkehret und viereckigt, sondern rund gemahlet, die güldne Zahl nach Möglichkeit vermehret, der guten Tage immer so viel als ihrer seyn können angesetzet, die verworffene oder böse Tage aber vermindert werden mögen. Daferne auch der Vicepräsident Graf von Stein besondere Veränderungen anmerken sollte: e. g. daß der Mars einen feindlichen Blick auf die Sonne geworffen habe, oder daß er mit dem Saturno, Venere und Mercurio im Quadrat stünde, oder auch daß der Zodiacus, wie bereits zu des Campanellae Zeiten angemerket worden, sich noch weiter aus dem Geleise geben und vorrücken oder auch, daß ein Wirbel des Himmels den andern, nach des Cartesii Principiis, abschleiffen und verschlingen solte, und daher eine unmäßige Anzahl von Cometen oder Schwanzsternen zu vermuthen wäre; so hat der Vicepräsident Graf von Stein ohne den geringsten Zeitverlust mit denen übrigen Sociis daraus zu conferiren, auch nicht allein auf die Ergründung solcher Unordnungen, sondern auch auf Mittel und Wege, wie denenselben am besten abzuhelfen, bedacht zu seyn. Und ob es zwar durch den Unglauben der Menschen dahin gediehen, daß die Kobbolde, Gespenster und Nachtgeister dergestalt aus der Mode gekommen, daß sie sich kaum mehr sehen lassen dürfen; so ist dennoch dem Vicepräsidenten Grafen von Stein aus dem Praetorio bekannt, wie es an Nachtmahren, Bergmänlein, Drachenkindern, Irrwischen, Nixen, Währwölfen, verwünschten Leuten und andern dergleichen Satansgesellschaften nicht ermangele, sondern deren Dinge eine große Anzahl in den Seen, Pfühlen, Morästen, Heiden, Graben und Höhlen, auch heiligen Bäumen verborgen liegen, welche nichts als Schaden und Unheil anrichten, und wird also Er, der Graf von Stein, nicht ermangeln, sein Aeuserstes zu thun, um dieselben, so gut er kan, auszurotten, und soll ihm ein jedes von diesen Unthieren, welches er lebendig oder todt liefern wird, mit 6 Thaler bezahlet werden.

Alldieweil auch eine beständige Tradition ist, daß allhier in der Churmark, sonderlich in der Gegend von Lennin, Wilsnack und Lebus considerable Schätze vergraben sind, zu deren Besichtigung, und um zu wissen ob sie noch vorhanden, alle 10 Jahr gewisse Ordensleute, Jesuiten und ander dergleichen Geschmeiße und Ungezieffer von Rom anhero kommen, so muß der Vicepräsident von Stein nicht allein diesem Pfaffenpack fleißig auf den Dienst passen, um sie, wo möglich, feste machen und zur gefänglichen Hafft zu bringen, sondern auch keinen Fleiß sparen, daß er mittelst der Wünschel-Ruthe, durch Seegensprechen, Allruncken, oder auf andere Art, wo solche Schätze vergraben oder verborgen, ausfindig machen möge, und sollen ihm zu solchem Ende auf sein Verlangen die Zauberbücher, so in unserm geheimen Archiv vorhanden, nebst dem Speculo Salamonis verabfolget werden; wie er denn auch von jeglichem Thresor, welchen er ausgraben wird, den vierten Theil zu genießen haben, und solches zu reicher und ansehnlicher Belohnung seiner leistenden treuen und angesehenen Dienste Ihm angedeyhen soll. Im gleichen soll er aller Privilegien, Freyheiten, Präeminentien, Recht und Gerechtigkeiten, so andern dergleichen Vicepräsidenten competiren und zustehen, sich ebenfalls zu erfreuen haben, und dabey, so es dessen bedürftig, wider allen Eintrag, Belästigung und Betrug ernst- und nachdrücklich geschützet, mainteniret und gehandhabet werden. Zur Urkund haben Wir diese Bestallung eigenhändig unterschrieben, und mit Unserm Insiegel bedrucken lassen. So geschehen Berlin den 19 Januar 1732.“ –

Kann man sich eine schärfere Ironie und eine gelungenere Persiflirung des Geister- und Dämonenglaubens des Grafen von Stein denken? Konnten die das Verständniß und Begriffsvermögen des Königs übersteigenden, daher von ihm als unnütz verachteten Arbeiten der Akademie der Wissenschaften auf dem Gebiete der transcendentalen Philosophie und Mathesis in treffenderer Weise verspottet werden? Diese Bestallungsurkunde des Grafen von Stein zum Vicepräsidenten der Akademie bleibt ein Meisterstück, das dem Witze des Verfassers alle Ehre thut. Wahrscheinlich aber war dieser Verfasser kein Geringerer, als König Friedrich Wilhelm selbst, der mit einer guten Portion gesunden, schlagenden Mutterwitzes begabt war. Obgleich diese Bestallung des Grafen von Stein von ihrem ersten Worte an bis zu ihrem letzten nichts als Ironie enthält, so haben doch verschiedene Schriftsteller auf Grund dieses Actenstückes allen Ernstes behauptet, daß der König wirklich an die Existenz von außer-, un- und übernatürlichen Wesen geglaubt habe. Friedrich Wilhelm der Erste war, trotz seiner protestantischen Orthodoxie, was Geister und Gespenster betrifft, nicht im mindesten weniger aufgeklärt und vorurtheilsfrei, als sein großer Sohn Friedrich, der überhaupt in seiner innersten geistigen Anlage viel mehr mit seinem Vater übereinstimmte, als man gewöhnlich annimmt, wie verschieden ihre Neigungen, Liebhabereien und geistigen Bedürfnisse auch sein mochten.

Graf von Stein hat übrigens die Vicepräsidentschaft der Akademie der Wissenschaften niemals weder ausgeübt noch auch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1880). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1880, Seite 035. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1880)_035.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)
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